Bennet Wiegert vom SC Magdeburg im Interview: "So könnten wir den Handball auf ein anderes Level heben"

Bennet Wiegert ist seit 2015 Trainer des SC Magdeburg.
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Welche Rolle spielt dabei Yves Gravenhorst, mit dem Sie einst zusammengespielt und ihn später trainiert haben, bevor er Ihr Co-Trainer wurde?

Wiegert: Beruflich kennt er mich besser als meine Frau. Er weiß genau, was in meinem Kopf vorgeht. Das ist mal gut, weil er weiß, wie ich ticke und mich so abholen kann, mal ist es aber auch schlecht, weil wir dann mit Scheuklappen unterwegs sind und betriebsblind werden. Das Vertrauen schätze ich aber natürlich unglaublich. An sich fühlt es sich für mich hier in Magdeburg gerade im Team hinter dem Team, also mit den Trainern aber auch der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat sehr, sehr gut an. Da ist ein hoher Grad an Respekt und Vertrauen vorhanden, der mir viel Sicherheit gibt.

Als Vorbild nannten Sie einst den heutigen Bundestrainer Alfred Gislason, der Sie in seiner Zeit in Magdeburg trainiert hat. Inwieweit hat er Sie geprägt?

Wiegert: Bei ihm habe ich die Chance bekommen, das erste Mal Bundesliga zu spielen. Ich war damals überrascht, wie innovativ er war. Das kannte ich aus dem Nachwuchs nicht, für mich waren das Welten, diesen Sprung aus dem Nachwuchs zu einem Team, das von Alfred Gislason trainiert wird. Vor allem in der Spielvorbereitung, bei dem Thema war er sicherlich seiner Zeit voraus. Mich hat begeistert, mit welcher Akribie er nach den Trainingseinheiten, nach den Spielen unterwegs war. Da habe ich super viel mitgenommen und das hat mich sicherlich auf die eine oder andere Art sehr geprägt.

Im Umgang mit den Spielern allerdings war Gislason damals ganz anders als Sie heute.

Wiegert: Absolut. Das ist nicht zu vergleichen. Das ist aber auch gut, ich will ja keine Gislason-Kopie sein. Ich hatte das Glück, viele gute Trainer zu haben und habe immer versucht, das mitzunehmen, was ich gut fand - und am Ende trotzdem authentisch zu bleiben.

Was Sie eint, ist der scheinbar unbändige Ehrgeiz. Von Ihnen ist beispielsweise bekannt, dass bei einer Niederlage auch mal das heimische Monopoly-Brett durchs Wohnzimmer fliegt. Ist diese Einstellung notwendig im Profisport?

Wiegert: Ich denke ja. Das kann ruhig mal ins Extreme gehen. Wenn ich damals als Jugendtrainer Kinder nach Niederlagen in der Halle habe weinen sehen, habe ich meist zu den Eltern gesagt: 'Das ist Gewinnermentalität.' Ich finde das nicht super, aber das Nicht-verlieren-können ist an sich nicht schlecht. Man muss lernen, damit umzugehen und die Energie zu kanalisieren, aber das ist das Mindset, das ich haben möchte. Ich möchte, dass gewisse Dinge dem Erfolg untergeordnet werden. Möchte man besser sein als andere, muss man mehr tun als andere - ganz einfache Rechnung. Das verlange ich von allen um mich herum, sowohl von der Mannschaft als auch dem Team hinter dem Team. Wenn das nicht gelingt, wird es schwierig in der Zusammenarbeit.

Wie versuchen Sie, dieses Mindset bei Ihren Spielern zu fördern?

Wiegert: Es geht dabei um Grundvoraussetzungen. Wenn man Pünktlichkeit will, muss man der Erste und der Letzte in der Halle sein. Wenn man Fleiß erwartet, muss man Fleiß vorleben. Das formuliere ich gar nicht, wir versuchen das als Trainerteam vorzuleben. Ich glaube, dann kann sich auch keiner dagegen wehren. Für mich ist das das Gesetz der Horde: Wenn du eine Mannschaft von 17 Leuten hast und 15 trainieren überragend, dann werden die zwei, die nicht so trainieren können oder wollen, einfach mitgezogen. Die zwei können sich nicht wehren. Hast du es aber andersrum, werden auch die zwei, drei, die wollen, runtergezogen. Deswegen ist es gut, wenn man viele willige Spieler hat, die das vorleben.

Wiegert: "Schauen Sie sich an, wie ich aktuell aussehe"

Diese Charaktereigenschaft ist dementsprechend Teil des Scoutings?

Wiegert: Unbedingt. Das ist ganz wichtig. Wir sagen ganz klar, dass wir bis zu einem gewissen Grad - fünf bis zehn Prozent - auf sportliche Qualität verzichten, wenn charakterlich die Eigenschaften da sind, die zu uns passen: Kampf, Leidenschaft, Mentalität. Darauf liegt der Fokus, alles andere kriegen wir über Training noch hin. Das ist ein ganz wichtiger Teil des Scoutings.

Sie sind nicht nur ehrgeizig, auch der Aberglaube spielt bei Ihnen eine große Rolle. Eine Rasur Ihres Bartes beispielsweise erlauben Sie sich nur bei einer Niederlage. Auch sagten Sie einmal, Ihr schwarzes Polohemd steigere die Siegwahrscheinlichkeit.

Wiegert: Ich bin grundsätzlich ein abergläubischer Typ, der bestimmte Zwänge hat. Schauen Sie sich an, wie ich aktuell aussehe. Der Bart ist schon ziemlich lang. An sich ein gutes Zeichen, nur meine Kinder finden das schon nicht mehr so lustig. Das ist etwas, wo ich mich verbessern muss. Unser Erfolg ist nicht abhängig vom schwarzen Poloshirt oder von meinem Bart. Aber ich habe einfach gewisse Routinen, die ich beibehalte. Da kann ich mich noch sehr entwickeln, auch um das von der Mannschaft fernzuhalten.

Wir haben vorhin über die mögliche deutsche Meisterschaft gesprochen. Sagen Sie uns doch zum Schluss, was es den Menschen in Ihrer Geburtsstadt Magdeburg bedeuten würde, wenn Sie den Titel holen.

Wiegert: Wie ich diese Stadt, die so handballfanatisch ist, kennengelernt habe, muss das ein absolut überragendes Gefühl sein. Die Menschen würden sich sicherlich von Herzen mit dem SC Magdeburg freuen. Das sollte uns alle anspornen, den Leuten in diesen schwierigen Zeiten - mit der Pandemie, mit dem Krieg - trotzdem ein gutes Gefühl geben zu dürfen.

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