Der Anfang vom Ende?

Von Adrian Bohrdt
Tiger Woods hat seit 2008 kein Major-Turnier mehr für sich entscheiden können
© getty

Nur gut drei Monate nach seiner Rücken-Operation kehrt Tiger Woods bei der British Open in den Royal Liverpool Club zurück. Einst erlebte er hier einen emotionalen Sieg, jetzt weiß der 38-Jährige, dass sein Körper der Konkurrenz nicht mehr lange standhalten kann. Für Woods ist es der Neuanfang vor dem unvermeidlichen Ende und der letzte Auftakt zur Rekord-Jagd. Doch auch der ganze Golfsport fürchtet die Zeit nach dem Superstar.

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Sechs Jahre ist es her, als Tiger Woods vor einem Major-Turnier schon einmal von der Öffentlichkeit nahezu abgeschrieben wurde. Im August 2008 hatte er sich einer Knie-OP unterziehen müssen, während der Reha erlitt er zudem einen Ermüdungsbruch. Die Chancen auf den Titel schienen von Tag zu Tag zu schrumpfen.

Kritiker monierten damals, er würde zu früh zurückkommen und mit nicht ausreichend Spielpraxis in die exakt zwei Monate nach der OP beginnende U.S. Open gehen. Doch Woods, offensichtlich unter Schmerzen, strafte alle Zweifler Lügen und gewann das Turnier - wenngleich er die komplette Restsaison anschließend verpasste.

McIlroy: "Dumm, ihn abzuschreiben"

Für Rory McIlroy aber ist das allein schon Grund genug, an den Ausnahmesportler vor seinem Comeback bei der British Open zu glauben. "Wir haben alle gesehen, wozu Tiger während seiner Karriere fähig war. Egal, ob es dabei um ein Comeback nach einer Verletzung oder um einen Rückstand ging", so der Nordire: "Ich meine, er hat die US Open im Prinzip auf einem Bein gewonnen! Ich würde sagen, es ist dumm, ihn abzuschreiben." Und Martin Kaymer ergänzte: "Tiger ist ein außergewöhnlicher Golfer und man darf sicherlich mit ihm rechnen."

Während des kompletten Frühjahrs, als Woods unter anderem mit den Masters und den U.S. Open zwei Majors verpasste, war stets zu hören, dass der 38-Jährige nichts überstürzen dürfe. Erst im März hatte er sich einer Operation am Rücken unterzogen, die Ärzte hatten ihm eine Pause von mehreren Monaten verordnet.

Umso überraschender war es, als er Ende Juni beim US-PGA-Turnier in Bethesda teilnahm - vier Wochen früher als ursprünglich erwartet. Doch das Turnier bringt Einnahmen für die Tiger Woods Stiftung und auf die Frage, ob er ohne diesen Zusammenhang auch gespielt hätte, antwortete er: "Ginge es nicht um die Stiftung und unseren möglichen Einfluss auf die Kinder - wahrscheinlich nicht."

Woods verpasst Finalrunden

Eine Einstellung, die Woods ehrt. Und doch ging es auch darum, wieder Wettkampf-Luft zu schnuppern, wenngleich die einstige Nummer 1 der Weltrangliste einen durchwachsenen Eindruck hinterließ. Bei zwei Durchgängen brauchte er insgesamt 149 Schläge - sieben über Par - und verpasste die Finalrunden. Dies war vorher allerdings auch zu erwarten.

Dennoch stellte er anschließend klar, dass er "viel Positives" in den beiden Runden verspürt habe: "Obwohl ich den Cut wegen vier Schlägen verpasst habe: Die Tatsache, dass ich überhaupt spielen konnte, ist positiv zu bewerten. Ich bin vier Wochen früher als ursprünglich geplant zurückgekommen. Ich hatte keine Rückschläge. Und ich habe das Gefühl, ein Turnier zu spielen, zurück."

Außerdem konnte Woods unter Wettkampfbedingungen testen, woran er noch arbeiten muss und zeigte sich auch hier optimistisch: "Ich habe viele kleine Fehler gemacht, einiges falsch eingeschätzt und manche leichte Schläge nicht richtig angepeilt. Das sind aber kleine Dinge, die ich korrigieren kann. Das ist gut."

Haney übt heftige Kritik

Nach dem Turnier erlaubte er sich sogar eine kleine Auszeit. "Ich werde mit meinen Kindern einen schönen kleinen Urlaub machen, und mich dann vorbereiten", kündigte er nach seinem ersten Turnier seit drei Monaten an und sprach von einem "Aktiv-Urlaub". Dennoch kassierte Woods dafür prompt Kritik, etwa von seinem ehemaligen Trainer Hank Haney.

"Die Tatsache, dass Woods in den beiden Wochen vor den Open nicht unter Wettkampfbedingungen spielen wird spricht dafür, dass es ihm nicht mehr so wichtig ist wie früher", polterte Haney. Vielmehr gehe es für ihn darum, sich auf die PGA Championship in Valhalla im August vorzubereiten: "Das ist ein wesentlich realistischeres Ziel für ihn. Ich glaube nicht, dass er sich bereit fühlt, die Open zu gewinnen."

"Golf braucht Tiger"

Dass der Superstar zu den British Open aber überhaupt zurück ist, ließ die ganze Szene aufatmen. Denn die Golf-Welt braucht Woods: Der dominante Sieg von Martin Kaymer bei den U.S. Open dieses Jahr bescherte "CBS" die schwächsten Einschaltquoten seit 1993. Woods selbst erklärte: "Ich habe ein wenig davon gesehen. Aber ich habe mehr von der WM geschaut als Golf."

Die Quoten gingen das ganze Frühjahr über runter, Tigers Rückkehr sorgt jetzt für eine Art Ausnahmezustand. Für die British Open wird sich etwa "ESPN3" voll auf Woods konzentrieren und den 38-Jährigen während er spielt auf einem "Tiger-only-Channel" ununterbrochen zeigen.

"Er ist seit 15, 20 Jahren das Gesicht des Golfsports. Golf ist besser, wenn Tiger Woods am Start ist", fasste McIlroy schon am Rande der US Open zusammen und Keegan Bradley gab beim "Golf Channel" zu Protokoll: "Ich bin so aufgeregt. Das ist für den Golfsport und die Tour eine großartige Nachricht. Wir brauchen Tiger. Die ganze Tour braucht Tiger, und Golf braucht Tiger."

Woods nostalgisch: "Bin älter geworden"

Wie lange der Golfsport noch auf sein mit Abstand größtes Zugpferd bauen kann, ist nach den vergangenen Monaten stärker in der Diskussion als je zuvor. Denn auch Woods ist während seiner dreimonatigen Pause offenbar in sich gegangen und weiß, dass sein Comeback den letzten Abschnitt seiner Karriere einläuten könnte.

"Ich fühle mich alt", erklärte er kurz vor Beginn der British Open: "Dieser chinesische Junge - tut mir leid, mir ist der Name entfallen (Guan Tianlang, d. Red.) - der sich letztes Jahr für die Masters qualifiziert hat? Er wurde geboren, nachdem ich das Turnier gewonnen habe. Das ist nicht cool. Aber das kommt jetzt, die nächste Generation. Und sie sind größer, stärker und physischer, wie in allen Sportarten. Golf ist da keine Ausnahme."

Daher müsse auch er selbst jetzt sein Spiel umstellen: "Der Unterschied ist: Ich bin älter geworden, ich kann nicht mehr so spielen, wie ich früher gespielt habe. Ich war für längere Zeit die Nummer 2 was die Driving Entfernung angeht, nur hinter John Daly. Wenn man jetzt im Schnitt über 300 Yards schafft, ist man wahrscheinlich nicht mal in den Top 10."

Gleichzeitig hat der 38-Jährige aber auch gelernt, besser auf seinen Körper zu hören. "All die Jahre bin ich bei der Tour pro Woche 30 Meilen gelaufen und habe immer weiter gemacht, egal wie verletzt ich war. Ich habe alles gemacht und weiter gespielt, und habe auch gewonnen. Aber ich habe nicht gemerkt, welchen Schaden ich meinem Körper damals zugefügt habe", weiß Woods heute.

Reicht es noch für Nicklaus?

Doch für einen Abgesang auf einen der erfolgreichsten und polarisierendsten Golfer aller Zeiten ist es zu früh. Vielmehr ist es Tigers finaler Auftakt zur Rekord-Jagd. Seit 2008 hat er kein Major-Turnier mehr gewonnen, seine Jagd auf Jack Nicklaus (18 Major-Titel) läuft - Woods steht seit seinem Triumph bei den U.S. Open vor sechs Jahren bei 14 Major-Siegen.

Schließlich geht für den Superstar jetzt eine Leidenszeit zu Ende: "Du spielst den ganzen Tag mit den Jungs um alles Mögliche, aber das ist nicht das Gleiche", blickte er auf seine Zwangspause zurück und freut sich schon auf seine Rückkehr auf die große Bühne: "Das Adrenalin fließt, und ich schlage den Ball weiter, als ich es zu Hause tue."

Am vergangenen Samstag hatte er bereits seinen Trainingsdurchgang im Royal Liverpool, wo er die Löcher 1-6 und 13-18 gemeinsam mit PGA-Tour-Spieler Patrick Reed spielte und gleich einen Vorgeschmack auf den englischen Regen bekam: "Der Kurs ist definitiv anders als 2006, keine Frage. Aber er ist immer noch schnell."

Emotionale Rückkehr

Und dann gibt es natürlich noch die emotionale Komponente. Als die Open 2006 zum letzten Mal in Royal Liverpool ausgetragen wurden, gewann Woods - zwei Monate nachdem sein Vater Earl an Krebs gestorben war. "Ich bin froh, wieder zurück zu sein. Ich erinnere mich an Zeiten, als ich mich auf dem Golfplatz ruhig und friedlich gefühlt habe, wie hier 2006", diktierte er den versammelten Journalisten am Dienstag.

Über seine Verletzungspause will Woods dagegen nicht mehr reden. "Ich habe mit der Verletzung gespielt und hatte dabei gute und schlechte Wochen. Jetzt sind alle Wochen gut", erklärte er am Samstag: "Ich werde jetzt nur noch stärker und schneller werden. Das zeigt, dass meine Reha funktioniert. Es gab Momente, in denen ich nicht aus dem Bett aufstehen konnte. Das war wirklich schwierig. Aber das ist jetzt vorbei."

Langsam habe er sich wieder ran getastet und mit strenger Reha seinen Plan überholt: "Wir waren sehr gewissenhaft bei allem, was ich gemacht habe. Ich habe im Vorfeld bereits viel für meine Bauchmuskeln getan, so dass ich schnell zurückkommen kann. Ich bin jetzt komplett ohne Einschränkungen. Wir hatten nicht gedacht, dass wir bis zu diesem Turnier so weit wären."

Auch jetzt mehren sich, genau wie vor sechs Jahren, die Zweifler und Skeptiker. Nur wenige trauen Woods zu, ernsthaft um den Sieg mitzuspielen. Doch die Golf-Öffentlichkeit ist froh, dass sie ihren Superstar zurück hat. Und einen passenderen Ort als Royal Liverpool dürfte es für den 38-Jährigen als Auftakt für sein letztes Karriere-Kapitel wohl kaum geben.

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