Jahn Regensburgs Co-Trainer Sebastian Dreier im Interview: "Klose war der Wahnsinn, ein brutal guter Typ"

Sebastian Dreier (r.) war Kapitän der U17 des FC Bayern München.
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Sie waren drei Jahre lang U17-Co-Trainer bei Bayern, ehe Sie im Juli 2016 Ihren ersten Cheftrainer-Posten bei der U17 in Unterhaching übernahmen. Wie fühlten Sie sich in Ihrer neuen Rolle?

Dreier: Sehr wohl. Ich bin Haching noch immer dankbar für diese Chance. Die Umstellung war keine große Sache. Ich war jedoch sehr gefordert. Wir spielten sowohl in der U17 als auch später mit der U19 in der Junioren-Bundesliga. Als kleiner Verein mit einem kleinen NLZ mussten wir uns gegen Größen wie Bayern oder Hoffenheim behaupten. Das glich häufig einer Mission Impossible. Der gesicherte Klassenerhalt mit der U17 am vorletzten Spieltag durch einen 2:0-Sieg an der Säbener Straße war mein bisher schönster Moment als Trainer.

Karim Adeyemi erzielte damals das 2:0 für Ihre Mannschaft. Heute wird er als Sturmjuwel bei Red Bull Salzburg gefeiert.

Dreier: Ich freue mich sehr für ihn. Ich habe noch nie so einen schnellen Spieler gesehen, das ist extrem. In dieser Hinsicht ist er wirklich gesegnet.

Er ging 2018 nach Salzburg, Sie als U15-Trainer nach Mainz. Warum?

Dreier: Ich wollte nach zwei Jahren Haching einfach nochmal neue Eindrücke sammeln. Als das Angebot aus Mainz kam, passte alles einfach gut zusammen.

Dreier erzählt von seinem ersten Bundesligaspiel

Quasi mit dem Wechsel startete Ihr Fußballlehrer-Lehrgang im 150 Kilometer entfernten Hennef. Die kurze Entfernung zu den Lehrgängen war vermutlich nicht der einzige Grund für den Wechsel. Welchen Reiz hatte Mainz aus sportlicher Sicht?

Dreier: Mainz hat ein gut geführtes NLZ. Alles ist sehr strukturiert, es gibt im Jugendbereich einen klaren Ausbildungsplan, der sich über die Jahre aus der Geschichte des Klubs entwickelt hat. Der Defensivbereich wird dabei "Tradition und Basis" genannt. Das geht auf die Ursprünge von Wolfgang Frank und Jürgen Klopp zurück, es ist die DNA des Vereins. Alles, was mit dem Ball zu tun hat, hat die Überbegriffe "Geradlinigkeit und Variabilität". Aus dieser Struktur ergeben sich alle Unterpunkte.

Im Rahmen des Fußballlehrer-Lehrgangs absolvierten Sie ein Praktikum im Trainerteam der Profis. Sie verdanken Sandro Schwarz Ihr erstes Bundesligaspiel.

Dreier: Das stimmt. Sandro ist ein echt cooler Typ, gleichzeitig aber sehr akribisch und innovativ. Er war immer am Mainzer Trainingsgelände anzutreffen. Er ließ mich an allen Besprechungen und Videoanalysen teilnehmen und nahm mich zum Auswärtsspiel nach Gladbach mit. Ich war von der Busfahrt bis zur Teamansprache immer mit dabei und saß sogar auf der Trainerbank. Das war eine coole Aktion.

Sebastian Dreier (M.) im Mainz-Training unter Leitung von Chefcoach Sandro Schwarz (r.).
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Sebastian Dreier (M.) im Mainz-Training unter Leitung von Chefcoach Sandro Schwarz (r.).

Im März 2019 standen Sie auf einer Bühne mit Oliver Bierhoff, Reinhard Grindel und DFB-Chefausbilder Daniel Niedzkowski. Seitdem sind Sie offiziell Fußballlehrer. Wie würden Sie den Lehrgang beschreiben?

Dreier: Wie ein großes Angebot aus verschiedenen Sichtweisen. Es waren amtierende Cheftrainer wie Daniel Bierofka dabei, ehemalige Profis wie Patrick Helmes oder Andreas Hinkel, aber auch Trainer mit sportwissenschaftlichem Hintergrund. Alle Teilnehmer haben einen riesigen Erfahrungsschatz, von dem die restlichen Teilnehmer profitieren.

Dreier: Fußballlehrer? "Die Note garantiert keinen Erfolg"

Am Ende dieser "Gruppenarbeit" erhält jeder Trainer eine Abschlussnote. Neben Ihrem Namen steht ein "sehr gut" im Zeugnis. Welche Rolle spielt diese Note branchenintern?

Dreier: Sie ist sicherlich kein Einstellungskriterium. Früher gab es immer noch diesen ominösen Lehrgangsbesten. Den gab es bei uns erstmals nicht mehr, was auch Sinn macht. Die Note garantiert keinen Erfolg. Sie spiegelt vielleicht den Arbeitseinsatz wider, hat darüber hinaus für den weiteren Verlauf der Trainerkarriere aber wenig Aussagekraft.

Welche Art Trainer sind Sie nun?

Dreier: Ich bin ein kooperativer Trainer, der die Spieler miteinbezieht. Ich bin durch mein noch junges Alter auch automatisch auf einer anderen Beziehungsebene zu meinen Spielern. Ich werde nie der autoritäre Top-Down-Trainer sein, das ist nicht meine Art. Wichtig ist, authentisch zu sein.

Für welchen Fußball wollen Sie stehen?

Dreier: Für aktiven Fußball. Mir gefällt es, wenn Mannschaften in jeder der vier Spielphasen, also im Spiel mit Ball, ohne Ball und in den beiden Umschaltmomenten, bestimmen, was passiert. Das ist nicht gleichzusetzen mit viel Ballbesitz. Ballbesitz sollte immer zielgerichtet sein. Beim Jahn versuchen wir, bei eigenem Ballbesitz gute Voraussetzungen für Gegenpressing zu schaffen und in der Defensive hoch und aktiv zu pressen, solange es die Stärke des Gegners zulässt.

Sebastian Dreier (2.v.r) posiert mit seiner Fußballlehrer-Lizenz neben Oliver Bierhoff (l.), Chefausbilder Daniel Niedzkowski (2.v.l) und dem damaligen DFB-Präsident Reinhard Grindel (r.).
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Sebastian Dreier (2.v.r) posiert mit seiner Fußballlehrer-Lizenz neben Oliver Bierhoff (l.), Chefausbilder Daniel Niedzkowski (2.v.l) und dem damaligen DFB-Präsident Reinhard Grindel (r.).

Dreier: "Bei Tuchel sind alle vier Spielphasen wichtig"

Haben sie ein Vorbild im Trainergeschäft?

Dreier: Die Art und Weise, wie Thomas Tuchel spielen lässt, ist schon beeindruckend. Pep Guardiola steht für Ballbesitz, Jürgen Klopp für Actionfußball. Tuchel vereint alles so ein wenig, bei ihm sind alle vier Spielphasen wichtig. Das ist extrem spannend. Was mir außerdem wahnsinnig imponiert, ist, wie er einen Klub wie PSG auf Französisch coacht. Davor habe ich großen Respekt.

Ihr aktueller Verein Jahn Regensburg kann mit der Größe von PSG nicht mithalten. Sie haben durch Ihre Erfahrungen beim FC Bayern beide Seiten gesehen. Wie unterscheidet sich die Arbeit des Trainerteams?

Dreier: Regensburg ist ähnlich wie Mainz. Beide Vereine haben eine klare Identität, verfolgen eine klare Spielidee, aber sind nicht die finanzstärksten in ihren Ligen. Deshalb gibt es nicht wie bei den großen Klubs zwei Personen für einen Job, sondern eher eine Person für zwei Jobs.

Inwiefern trifft das bei Ihnen zu?

Dreier: Ich übernehme zusätzlich Aufgaben im Nachwuchs, bin Koordinator des Übergangsbereichs für U19 und U21, tausche mich mit den Nachwuchstrainern aus. Ich beobachte die Entwicklung unserer Nachwuchsspieler intensiver. Unser Ziel ist es, dass ein roter Faden durch den Klub geht - mit dem Ziel, dass wir bald wieder einen Spieler aus der Jahnschmiede bei den Profis sehen.

Sebastian Dreier ist Co-Trainer bei Jahn Regensburg.
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Sebastian Dreier ist Co-Trainer bei Jahn Regensburg.

Dreier über Mersad Selimbegovic und die Arbeit beim Jahn

Auch Ihr Trainerteam wirkt sehr homogen. Chefcoach Mersad Selimbegovic ist 38 Jahre alt, Sie sind 28. Die anderen Co-Trainer Jonas Maier und Andreas Gehlen sind 27 und 33. Welche Rolle spielt das Alter eines Trainers?

Dreier: Das Alter ist nicht entscheidend, sondern die Einstellung und die Chemie. Bei uns im Team wird sehr konstruktiv diskutiert. Dafür ist Mersad mit seiner ruhigen und offenen Art wie geschaffen. Ansonsten wäre das nicht möglich. Generell hat sich das Trainerbild über die letzten Jahre ja sehr gewandelt. Es gibt viel mehr junge Trainer als früher. Trainer, die sich bewusst für diesen Weg entscheiden.

Sie trainieren in Regensburg auch ehemalige Teamkollegen. Jann George kennen Sie aus der Landesauswahl. Mit Andreas Geipl und Benedikt Saller spielten Sie in der Jugend bei 1860 zusammen. Macht das etwas mit Ihnen?

Dreier: Ja und nein. Aus Trainersicht macht das keinen Unterschied. Es ist eher ein Vorteil, weil ich die Beziehung nicht neu aufbauen muss. Aber die ganze Saison fühlt sich an wie ein großes Klassentreffen. (lacht) Es gibt viele Wiedersehen mit ehemaligen Mitspielern wie Reinhold Yabo von Bielefeld oder Julian Korb von Hannover. Mein Zimmerkollege beim Lehrgang in Hennef war Patrick Mölzl, der bis zuletzt Co-Trainer in Dresden war. Dazu kommen ehemalige Spieler von mir aus der U17 wie Adrian Fein vom HSV, Manuel Wintzheimer von Bochum oder Timothy Tillman von Greuther Fürth dazu. Das ist ein sehr spezielles und schönes Gefühl.

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