Eine große Parade entlang der prachtvollen Promenade Corniche, Flugshows, Feuerwerke und das Traumfinale mit den beiden wichtigsten "Botschaftern" des Landes: Katar bekam an seinem Nationalfeiertag genau das, was es wollte. Aus Sicht des umstrittenen Gastgebers war es der perfekte Abschluss des prestigeträchtigen Multimilliardenprojekts, an dessen Ende das Emirat in gewisser Weise auch über den Titel jubeln durfte.
Lionel Messi triumphierte gegen Kylian Mbappe im Duell der Superstars von Paris St. Germain, jenem Klub, der längst Katars Aushängeschild ist. Wer von seinen "Botschaftern" gewinnt, dürfte Emir Tamim bin Hamad Al Thani nicht nur aufgrund des spektakulären Finals letztlich egal gewesen sein. Denn Hochglanzbilder gingen bereits zuvor um die Welt, allerhand Probleme wurden ausgesessen, dazu stärkte Katar - wie geplant - seine Position in einer konfliktgeladenen Region und der ganzen Welt.
Von der "besten WM aller Zeiten" hatte Gianni Infantino schon vor Monaten geschwärmt, und natürlich verlor er sich auch diesmal in Superlativen. "Für mich war die WM ein unglaublicher Erfolg in allen Bereichen", lobte der Weltverbandsboss - wie so viele in diesen Tagen im FIFA-Kosmos.
Doch was bleibt von Katar? "Der Fortschritt wird nicht mit dem Schlusspfiff enden", beteuerte WM-Chef Hassan Al-Thawadi am Sonntag bei Sky. Menschenrechtler jedoch warnen schon lange, dass oftmals unzureichend umgesetzte Reformen zurückgenommen werden könnten - im Arbeitssektor und der Gesellschaft.
Zum Widerstand in dem muslimischen Wüstenstaat gegen die Entkriminalisierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen sagte Al-Thawadi: "Das ist etwas, das mit unseren religiösen Werten zu tun hat." Offen bleibt auch, wie es für die Arbeitsmigranten weitergeht. Ein Entschädigungsfonds der FIFA, wie ihn Menschenrechtsorganisationen fordern, ist nicht in Sicht.
WM 2022 in Katar: "Dürfen das nicht hinter uns lassen"
Wenn es nach Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness geht, bleibt Katar im Fokus. Sie fordert gemeinsam mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und weiteren europäischen Verbänden eine "unabhängige Untersuchung" zahlreicher Todesfälle im WM-Kontext, die es gegeben haben soll. "Wir dürfen das nach der WM nicht einfach hinter uns lassen", sagt Klaveness, die erneut nach Doha reisen will, damit sich Geschichte nicht wiederholt.
Denn längst deutet sich an, dass die mit Abstand teuerste WM der Geschichte nur der vorläufige Höhepunkt in einem noch größeren katarischen Masterplan war. Im Hintergrund wird bereits der nächste große Coup vorbereitet. Das Ziel? Olympia 2036! Es erscheint durchaus möglich, dass das Scheinwerferlicht nur für kurze Zeit ausgeknipst wird.
Katars Einfluss ist schließlich immens - und wächst immer weiter. In der Sportwelt, aber auch in der Politik, wie nicht nur der jüngste Korruptionsskandal im EU-Parlament zeigt. Und ganz nebenbei nutzte das Emirat die WM demonstrativ zur Verbesserung der Beziehungen mit Saudi-Arabien, das 2030 als Kandidat für die Ausrichtung gilt.
In den WM-Tagen ließen sich Katar und der Weltverband keineswegs von ihrem Weg abbringen. Nicht von den Stimmen aus der westlichen Welt seit der von Korruptionsvorwürfen begleiteten Vergabe, nicht von Diskussionen über "One Love", Regenbögen oder tote Arbeiter - und nicht von der Kritik am zweifelhaften Umgang mit Solidaritätsaktionen für die Protestbewegung im Iran. Al-Thawadi gab immerhin zu, es habe "leider" für einige Fans Probleme gegeben.
In der arabischen Welt wird Katars Inszenierung als Erfolg angesehen. Die umstrittenste WM der Geschichte dürfte in vielen Ländern, wie Infantino es versprochen hat, tatsächlich als die beste der Geschichte gesehen werden. Dort, wo all die Skandale und Probleme keine Rolle spielen.