Nächste Ausfahrt Saudi-Arabien? João Félix ist das größte Rätsel des Weltfußballs

Von Mark Doyle / Patrik Eisenacher
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João Félix steht vor einer ungewissen Zukunft. Der FC Barcelona kann ihn sich nicht leisten und Atlético Madrid will ihn am liebsten verkaufen. Warum er das größte Rätsel des Weltfußballs ist.

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Vertrauen hat João Félix stets alles bedeutet. "Ich hatte immer den Ball am Fuß", schrieb er einmal in einem Beitrag für The Players' Tribune über seine Kindheit. "Immer. Immer. Immer. Und wenn ich ihn zu dir passen wollte, musste ich dir vertrauen, oder? Ich meine... das ist mein Ball, ich weiß nicht, was du damit machen wirst. Du könntest ihn einfach wegschlagen oder so, das werde ich nicht zulassen!"

Der Portugiese schrieb weiter: "Als ich als Mensch und als Spieler gewachsen bin, habe ich gemerkt, dass es das ist, was ich liebe - den Ball zu haben und glücklich zu sein, wenn ich Fußball spiele. Dann bin ich am besten, dann bin ich ich selbst. Aber als ich für die Jugendmannschaften vom FC Porto spielte, war das nicht immer der Fall. Dort haben sie nicht so sehr an mich geglaubt, wie ich an mich selbst glaubte. Sie haben mir auf dem Spielfeld nicht vertraut. Sie kritisierten mich wegen meiner Größe. Sie haben mich vom Spielfeld genommen, sie haben mir den Ball weggenommen. In Porto habe ich meine Freude verloren."

Bei Benfica (2015 bis 2019) erlangte er seine Freude dann zurück - aber seitdem ist sie wieder nur noch sporadisch zu sehen. Denn die Wahrheit ist, dass nur noch wenige Menschen Vertrauen in den Spieler Félix haben. Atlético Madrid hat an ihn geglaubt - sehr sogar. Die Spanier zahlten Benfica im Sommer 2019 127 Millionen Euro Ablöse für den jungen Angreifer. Doch im Metropolitano vertraute man Félix nach vier Jahren nicht mehr, im Gegenteil, man fühlt sich von ihm verraten.

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João Félix wehrt sich gegen die Rolle des "Bösewichts"

Félix hat eine Gedenktafel auf dem 'Legends Walk' vor dem Metropolitano, da er im Februar 2022 sein 100. Spiel für Atleti absolvierte. Als die Fans am vergangenen Sonntag zum Ligaspiel gegen den FC Barcelona (0:3), Félix' derzeitigem Verein, ins Stadion kamen, spuckten viele Fans auf eben diese Plakette. Ein anderer Fan zündete ein Atlético-Trikot von Félix sogar an.

Im Spiel schoss der Portugiese dann das so wichtige 1:0 für Barça, schon im Hinspiel hatte er in Barcelona getroffen. Nach der Partie sagte Félix, er fühle sich ungerecht behandelt. "Die Fans wissen nicht, was in mir vorgegangen ist und was passiert ist", sagte er den Reportern. "Ich verstehe sie, aber ich sollte nicht als der Bösewicht gesehen werden. Auch mein Verhältnis zu den Spielern von Atleti ist sehr gut. Von außen heißt es, dass ich mich mit meinen ehemaligen Mitspielern schlecht verstehe, aber das stimmt nicht. Ich habe mich mit Samuel Lino und [Thomas] Lemar unterhalten, und jeder, der vorbeikam, hat mich umarmt. Sie sind gekommen, um mit mir zu reden."

João Félix provozierte Richtung Atlético Madrid

Die Reaktion auf Félix' Rückkehr ins Metropolitano mit Barça mag zwar geschmacklos gewesen sein, überraschend war sie jedoch nicht. Der Portugiese hatte seinen Wunsch, nach Katalonien zu wechseln, schon lange vor dem Abschluss eines Leihvertrags mit Atléti am letzten Tag des Sommertransferfensters 2023 öffentlich kundgetan.

"Barcelona war schon immer meine erste Wahl, und ich würde gerne zu Barça wechseln", sagte Félix im vergangenen Juli zu Transfer-Guru Fabrizio Romano. "Das war schon immer mein Traum, seit ich ein Kind war."

Eine solche Respektlosigkeit verärgerte nicht nur die Fans, sondern auch den Verein. Zumal die Bitte um einen Wechsel in einem nicht vom Klub genehmigten Interview geäußert worden war.

Die Behauptung von Félix, er sei zu Unrecht angegangen worden, ist also lächerlich - vor allem, wenn man bedenkt, dass er ausgelassen jubelte, als er am 3. Dezember 2023 im Estadi Olimpic Lluis Companys gegen Atléti für die Katalanen traf. Der Stürmer feierte in der Pose von Jude Bellingham und sprang auf die Werbebande. Diplomatie sieht anders aus.

Vor dem Rückspiel am vergangenen Wochenende in Madrid räumte der 24-Jährige sogar ein, dass er sich eines feindseligen Empfangs in einem "schwierigen Umfeld" sicher wäre, und fügte hinzu, dass es für ihn sogar eine Quelle der Motivation sei, die Fans zum Schweigen zu bringen. Wieso er sich wundert, dass er von Atleti und seinen Fans ungerecht behandelt wird, bleibt ein Rätsel

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João Félix sucht weiterhin seine Position

Aber das war bei Félix schon immer so. Der Spieler ist eines der großen Rätsel des Fußballs. Eines, das noch niemand wirklich gelöst hat. Selbst seine Position auf dem Platz sucht der Offensivspieler weiterhin.

Sein Superstar-Potenzial war bei Benfica offensichtlich, aber man darf nicht vergessen, dass er nur eine einzige Saison im Estadio da Luz gespielt hat, in der er in 43 Spielen 20 Tore erzielte, bevor er nach Madrid wechselte - was eine bizarre Entscheidung war.

Félix hatte, wie er selbst zugab, "mehrere Vereine" auf dem Zettel, entschied sich aber für Atlético, weil er der Meinung war, dass dort "die besten Bedingungen für meine Karriere" herrschten. Er hätte sich kaum stärker irren können.

Félix passt einfach nicht zum Fußball, den Simeone spielen lässt. Er war ein Spieler, der einfach nur Spaß mit dem Ball am Fuß haben wollte, und dennoch schloss er sich aus irgendeinem Grund einer Mannschaft an, der man nicht gerne zusieht. In der Welt Simeones sind die Stürmer die erste Verteidigungslinie.

Antoine Griezmanns Fußstapfen waren zu groß für João Felix

Natürlich brauchte Atleti nach dem Verlust von Antoine Griezmann an den FC Barcelona im Jahr 2019 einen Nachfolger. Aber es wurde schnell klar, dass Félix bei weitem nicht so fleißig, spielintelligent oder vielseitig wie der Franzose war.

Selbst in seiner besten Saison in Spanien, 2021/22, als er zu Atléticos Spieler des Jahres gewählt wurde, war es klar, dass Simeone nicht von Félix überzeugt war. "Neben Talent braucht man auch Engagement", sagte er einmal. "Wenn ein Spieler begreift, warum er für Atlético spielt, erst dann passt alles zusammen."

Das war bei Félix jedoch nie der Fall - auch nicht, nachdem Simeone einen abenteuerlicheren Spielstil eingeführt hatte. Folglich ergriff Atléti die Gelegenheit, Griezmann zurückzuholen. Der Franzose war direkt wieder Stammspieler - und verdrängte Félix, der eigentlich ihn selbst hätte vergessen machen sollen.

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João Félix: Der FC Barcelona kann ihn nicht bezahlen

Atletico versuchte verständlicherweise, Félix im Jahr 2023 an den FC Chelsea zu verscherbeln. Aber nicht einmal Todd Boehly & Co. waren bereit, die lächerliche Preisvorstellung von 100 Millionen Euro Ablöse zu erfüllen, da seine Leistungen während seines sechsmonatigen Leihaufenthalts an der Stamford Bridge in der vergangenen Saison weiterhin inkonstant waren. Félix befindet sich nun in einer ähnlichen Situation in Barcelona.

Es gab einige geniale Momente, ein entscheidendes Tor hier, ein wichtiger Assist dort - aber der 24-Jährige hat nach einem ermutigenden Start nachgelassen und braucht nun ein starkes Saisonende, um überhaupt eine Chance zu haben, seinen "Traum" in Katalonien weiterleben zu können.

Barças Bosse haben jedoch schon klargestellt, dass sie keine hohe Ablösesumme für den Portugiesen zahlen werden - ganz einfach, weil sie sich das aufgrund ihrer immer noch prekären Finanzlage nicht leisten können. Super-Berater Jorge Mendes versucht immer noch, einen Deal auszuhandeln, aber zum jetzigen Zeitpunkt wären nur Vereine aus Saudi-Arabien bereit, das zu zahlen, was Atléti für seinen Rekordtransfer verlangt.

João Félix steht vor einer ungewissen Zukunft

Letzten Endes muss Félix seinen Wert immer noch unter Beweis stellen, egal für welches Team. Eines der Hauptprobleme ist, dass man nicht weiß, wo man ihn einsetzen soll. Ihm fehlt das Tempo, um auf der Außenbahn zu spielen, und er schießt nicht genug Tore, um als Mittelstürmer eingesetzt zu werden. Er hat in der Vergangenheit selbst zugegeben, dass er "kein Torjäger" ist.

Félix hat bei Barcelona zeitweise gut als hängende Spitze funktioniert, indem er Robert Lewandowski unterstützte. Aber nicht viele moderne Trainer lassen zwei Stürmer spielen. Außerdem muss der Portugiese endlich mehr mit nach hinten arbeiten. Heutzutage wird von einem Offensivspieler nicht nur erwartet, dass er die Abwehr durchbricht, sondern auch, dass er Konter unterbindet.

Daher ist es schwer zu sagen, wo Félix nach der Europameisterschaft in Deutschland im Sommer landen wird. Barça wird wahrscheinlich nicht das Geld haben, um ihn zu halten, aber Simeone will ihn definitiv nicht wieder im Metropolitano sehen. Atlético hofft, dass er bei der EURO 2024 gut spielt und Interesse weckt. Doch wie er zurzeit aussieht, wird er für Portugal nicht in der Startelf neben Cristiano Ronaldo stehen. Rafael Leão, Bernardo Silva und Diogo Jota haben hier aktuell die Nase vorn.

Dies ist also eine entscheidende Phase in Félix' Karriere. Er ist kein Teenager mehr. Er ist 24 und steht vor einer ungewissen Zukunft. Ihm mangelt es nicht an Talent - und auch nicht an Tatendrang. Schließlich hat er Porto das Gegenteil bewiesen und bei Benfica den Durchbruch geschafft. Aber bis zur Eröffnung des Sommer-Transfermarkts wird es schon einiger besonderer Leistungen bedürfen, um ein anderes Spitzenteam davon zu überzeugen, auf ihn zu setzen. Denn es ist nicht nur die Freude, die aus seinem Spiel verschwunden ist. Es fehlt jetzt auch das Vertrauen in sein Spiel.

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