PSG besiegt und ungeschlagen: So macht Francesco Farioli OGC Nizza zum Titelkandidaten

Von Niklas Staiger
Francesco Farioli, OGC Nice, OGC Nizza
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Derzeit steht der OGC Nizza in Frankreich auf dem zweiten Tabellenplatz. Dabei liegt das ungeschlagene Team jedoch nur einen Punkt hinter Paris Saint-Germain und konnte sich im direkten Duell mit 3:2 durchsetzen. Wie hat der neue Trainer Francesco Farioli "Le Gym" zum Titelkandidaten gemacht?

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Der OGC Nizza hat schon in der Vorsaison von einer relativ konstant guten Defensive profitiert. Mit 37 Gegentoren stellte man nicht nur die zweitbeste Abwehrreihe der Ligue 1, sondern kassierte auch im Schnitt knapp weniger als einen Treffer pro Partie (38 Spiele).

Doch die Treffer verteilten sich auch sehr breit über die Spiele. Nur neun der 38 Spiele blieb der Kasten sauber - zu wenig, wenn man selbst keine erfolgreiche Offensive vorweisen kann, die bei einem Gegentor noch Punkte erobert. Nur acht Spiele mit Gegentoren wurden gewonnen. Die fehlende Offensivgefahr führte zu sieben zu-Null-Niederlagen.

Aufgrund dieser Problemlage wechselte Nizza bereits in der Saison den Trainer, entließ den ehemaligen Gladbach- und Dortmund-Coach Lucien Favre. Auch unter seinem Nachfolger, Didier Digard (zuvor U23-Trainer und Co-Trainer unter Favre), wurde es nicht besser. Mit der klaren Aufgabenstellung, bei der guten Defensive häufiger die Null zu halten und gleichzeitig die Offensive zu stärken, wagten die "Adler" den mutigen Schritt, in Francesco Farioli einen mit 34 Jahren jungen und unerfahrenen Trainer anzustellen - er hatte bisher nur zweieinhalb Jahre in der Türkei als Cheftrainer gearbeitet. Doch bisher erfüllt er seine Aufgaben mit Bravour.

Dante, Ndayishimiye, OGC Nizza, OGC Nice
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OGC Nizza: Die Defensive ist noch besser als zuvor

Die ersten zwei Saisonspiele machten vielleicht noch Sorgen, dass es weitergehen könnte wie im Vorjahr. Am 1. Spieltag kassierte man in der vierten Minute der Nachspielzeit den bitteren 1:1-Ausgleich von Lille, am 2. Spieltag traf der FC Lorient in der 77. Minute zum 1:1. Doch dann sorgte Farioli mit defensiven Anpassungen für eine noch stabilere Defensive rund um das Innenverteidiger-Duo Dante und Jean-Clair Todibo.

Sechser Youssouf Ndayishimiye fällt in der Arbeit gegen den Ball nicht mehr nur situativ, sondern sehr konstant in die Abwehrkette zurück. Es bildet sich eine Dreier- bzw. Fünferkette, bei der vor allem Rechtsverteidiger Youcef Atal mit seinem enormen Offensivdrang defensiv besser abgesichert wird. Auch vorne verändert sich dadurch einiges: Weil Atal weiter raustreten kann, muss Rechtsaußen Gaetan Laborde nicht mehr allzu weit zurückarbeiten. Die Räume zwischen Abwehrkette und dem Mittelfeld wird von den eigentlich offensiven Zentrumsspielern abgedeckt - dabei hilft, dass mit Khephren Thuram und Morgan Sanson gleich zwei der drei Kandidaten (mit Hicham Boudaoui) für die Doppel-Acht auch schon als Sechser gespielt haben.

Neun Spiele ohne Gegentor folgten ab dem 3. Spieltag für die "Adler". Francesco Farioli hat es geschafft, dass seine Mannschaft innerhalb von zwölf Spielen so oft die Null gehalten hat wie in der gesamten Vorsaison über 38 Spieltage. Sechs dieser neun Spiele konnte Nizza in Siege umwandeln. Mit insgesamt fünf Unentschieden wurden zwar trotzdem einige Punkte liegen gelassen, jedoch gab es bisher noch keine einzige Niederlage.

Die Tabellenspitze der Ligue 1 nach zwölf Spieltagen

#VereinSpieleSUNTDPunkte
1Paris SG12831+2027
2OGC Nizza12750+926
3AS Monaco12732+1124
4LOSC Lille12552+420
5Stade Reims12624+220
Moffi, OGC Nizza, OGC Nice
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Nizza zeigt Torriecher gegen PSG

Wer kaum Tore zulässt, dem reicht auch ein Tor im Schnitt, um die vollen drei Punkte mitzunehmen. Nach diesem Motto holte Nizza vier seiner sieben Siege. Zweimal konnte man zwei Tore schießen. Und als es drauf ankam, traf man sogar dreifach: Ausgerechnet gegen das Spitzenteam und den aktuellen Tabellenführer Paris Saint-Germain erzielte "Le Gym" gleich drei Tore.

Die waren auch nötig, denn die starbesetzte Offensive knackte selbst die starke Farioli-Defense gleich doppelt - beide Male traf Kylian Mbappé für PSG. Doch Nizza lag nie zurück und musste daher nie vom eigenen Spiel abweichen - die "Adler" bauten auf die starke Defensive auf und spielten vor allem effektive Konter heraus.

Ausgerechnet ein Ballverlust des späteren Doppeltorschützen Mbappé sorgte nach etwas Ping Pong für den Führungstreffer von Terem Moffi. Kurz danach glich der PSG-Star zwar wieder aus. Nach einem weiteren Konter über Moffi hielt dann aber der defensiv von seinen Aufgaben entlastete Gaetan Laborde seinen Fuß in die Flanke des Stürmers zur erneuten Führung. Und etwas später war es wieder dieselbe Kombination, die zum Erfolg führte: Nach tiefem Ballgewinn fand ein Steilpass an der Mittellinie Moffi, der nach rechts zu Laborde ablegte und in die Tiefe sprintete. Am Strafraum schlug er einen Haken nach innen und netzte ins lange Eck ein. Der Anschluss von Mbappé per Seitfallzieher in der 87. Minute kam zu spät.

Khephren Thuram, OGC Nizza, OGC Nice
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Das fehlt Farioli und Nizza noch zur Meisterschaft

Doch schon die Beschreibung der Tore gegen PSG zeigt: Nizza trifft vor allem nach Kontern. Die "Adler" überlassen ihren Gegnern gerne den Ball und kombinieren sich dann schnell nach vorne - die Stärken liegen also in der Arbeit gegen den Ball und im Umschalten. Sie lagen diese Saison noch kein einziges Mal zurück, waren also noch nie in Zugzwang, mit Ball arbeiten zu müssen.

Mit Montpellier und Brest blieb man gegen zwei Teams aus der unteren Tabellenhälfte torlos - beide stellen eigentlich keine starke Defensive. Auch Lyon ließ sich nicht auf die Spielchen der Farioli-Truppe ein und hielt hinten dicht. Bei all diesen drei Unentschieden hatte Nizza mehr Ballbesitz als der Gegner und konnte sich kaum Chancen herausspielen - und dann zeigte man sich bei den vorhandenen Chancen noch sehr ineffizient (gegen Lyon schaffte man etwa 1,95 expected Goals bei 21 Abschlüssen, brachte aber nur vier auf das Tor von Lyon-Keeper Rémy Riou).

Der große Erfolg ist derzeit also vor allem auf die starke Defensive zurückzuführen. Gegen den Ball arbeitet Nizza auf Weltklasse-Niveau, im Umschalten sind sie ebenfalls richtig gut dabei. Doch das eigene Spiel im Ballbesitz schwach - und hängt noch deutlich weiter hinterher als im Vorjahr. Die aktuellen 13 Treffer in zwölf Spielen wären hochgerechnet gerade einmal 41 Saisontore. Im Vorjahr traf "Le Gym" aber noch 48-mal.

Francesco Farioli, OGC Nice, OGC Nizza
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Farioli kann bei Nizza für diese Entwicklung sorgen

Noch konnte Francesco Farioli dem eigenen Offensivspiel noch nicht seinen Stempel aufdrücken - denn in der Türkei waren seine Teams vor allem für die vielen Tore bekannt, die sie schossen. Farioli sorgte mit kreativem Kurzpassspiel für eine dominante Art, den Ball nach vorne zu tragen und den Gegner einzuschnüren, um Großchancen zu erzwingen - in seinem ersten halben Jahr als Cheftrainer etwa kreierte Karagümrük in der türkischen Süper Lig überragende 2,8 Großchancen pro Partie.

Das zeigt aber auch: Der 34-Jährige kann Offensive - und er wird im Laufe der Saison noch Zeit bekommen, um daran zu arbeiten. Im neuen Job können Coaches nicht alle Probleme gleichzeitig angehen - besonders unerfahrene Trainer tun oft gut daran, Schritt für Schritt an die Problemzonen heranzugehen und nichts zu überstürzen. Das tut Farioli bisher sehr gut.

Die nächste Aufgabe ist klar: Der Spielaufbau und die Arbeit mit dem Ball muss besser werden, um auch mauernde Gegner durchbrechen zu können. Schafft er das bei den "Adlern", können Francesco Farioli und der OGC Nizza vom Titelkandidaten zum Titelsieger werden.

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