Jürgen Röber im Legenden-Interview: "Ich habe Dunga gequält"

Jürgen Röber war in der Saison 2006/2007 acht Spiele lang BVB-Trainer
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SPOX: Es folgte noch eine unglückliche Station bei Ankaraspor, die von einem Zwangsabstieg überschattet war, danach haben Sie eine längere Pause gemacht. Warum?

Röber: Ganz einfach: Ich war fertig. Mein Körper hat mir gesagt, dass ich jetzt dringend auf ihn hören und eine Pause machen muss. Ich bin ohnehin kein Schläfer vor dem Herrn, aber in dieser Zeit waren die Schlafstörungen bei mir enorm. Ich musste eine Auszeit nehmen, sonst wäre ich wohl umgekippt. Ich bin jemand, der sich immer 24 Stunden mit Fußball beschäftigt. Der nachts wach liegt und grübelt, wie er jetzt einem Spieler sagt, dass er am Wochenende nicht spielt. Einmal war das der Fall bei Rene Tretschok, ich habe mich verrückt gemacht, aber was habe ich für ein Feedback bekommen? "Trainer, das interessiert mich nicht." (lacht) Es ist jetzt noch so, wenn ich auf der Tribüne sitze, dass die Menschen neben mir wahrscheinlich denken, ich sei nicht zurechnungsfähig. So emotional lebe ich diesen Beruf. Damals musste ich einfach Stopp sagen.

SPOX: Also haben Sie sich eine Auszeit gegönnt, waren Angeln in Norwegen, auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs.

Röber: Dort habe ich meine jetzige Lebensgefährtin kennengelernt.

SPOX: Und Sie sind zweimal den Jakobsweg gegangen.

Röber: Ja, das Buch von Hape Kerkeling hat mich inspiriert. Es ist das Beste, was ich jemals in meinem Leben gemacht habe. Abgesehen davon, dass du körperlich fit wirst, war die Erfahrung einfach einzigartig. Jeden Tag 30, 35 Kilometer zu gehen, Menschen aus aller Herren Länder zu treffen, ein Stück des Weges mit ihnen zu bestreiten - es war toll. Und abends kannst du nach dem Marsch essen, was du willst, das ist auch grandios. Ich bin zwar kein Kirchgänger, aber ich würde mich schon als gläubigen Menschen bezeichnen. Auf dem Jakobsweg bin ich auch in Kirchen gegangen und habe Kerzen angezündet. Ich habe die Zeit geliebt, ich kann es jedem nur empfehlen.

Röber über seinen Job in Mouscron

SPOX: Außerdem waren Sie auch viel Golf spielen. Waren Sie schon einmal beim Ryder Cup?

Röber: Nein, leider nicht. Das will ich aber unbedingt noch einmal erleben. In vier Jahren ist er ja in Italien, da wäre ich gerne dabei. Bis jetzt habe ich es immer im Fernsehen verfolgt. Ich bin ein begeisterter Golfspieler, es ist so ein wunderbarer Sport. Aber manchmal triffst du auch hier seltsame Leute. Einmal habe ich in Hamburg ein Turnier gespielt, unter anderem mit einem Geschäftsmann. Am ersten Tee haben wir uns vorgestellt und er sagte zu mir, dass wir aber beim Sie bleiben würden. Ich habe ihm gesagt, dass er auch alleine spielen kann. So einen Flight muss ich mir nicht antun. (lacht)

SPOX: Nach Ihrer Auszeit haben Sie nicht mehr als Trainer gearbeitet, sondern als Sportdirektor. Es ging zurück in die Türkei zu Ihrem ehemaligen Klub, der jetzt Osmanlispor hieß. Sportlich war die Zeit mit der Teilnahme an der Europa League durchaus erfolgreich, aber es herrschten unruhige Zeiten.

Röber: Ich habe die Anschläge hautnah miterlebt, einmal saß ich in einem Restaurant und habe die Druckwelle gespürt. Da wird einem natürlich ganz anders. Ein anderes Mal saß ich in einer Maschine im Anflug auf Istanbul, als dort eine Bombe explodierte. Wir konnten nicht landen. Für mich war das die Hölle, weil ich sowieso eine unglaubliche Flugangst habe.

SPOX: Seit Sommer 2017 sind Sie nun Sportdirektor bei Royal Excel Mouscron in der belgischen Jupiler League. Momentan steht Mouscron selbst nach einem kleinen Aufschwung zuletzt nur auf dem drittletzten Tabellenplatz. Wie ist Ihre aktuelle Aufgabe sportlich einzuschätzen?

Röber: Wir befinden uns im Überlebenskampf. Wir haben ein geringes Budget, da sind keine großen Sprünge drin. Dennoch haben wir das Potenzial, um in dieser Liga auch auf Platz fünf oder sechs zu stehen. Am Anfang dachte ich, auch mit dem Hintergrund der belgischen Nationalmannschaft, dass das Niveau der Liga ein bisschen höher sein würde. Aber ich sehe viele grausame Spiele. Seit Bernd da ist, läuft es viel besser. Ich hoffe, wir bekommen die Kurve.

Röber über den Modus in Belgien: "Keiner versteht ihn"

SPOX: Sie leben aber gar nicht in Mouscron, richtig?

Röber: Ja, ich lebe in Brügge, am Rande des Stadtzentrums in einem Hotel. Auf der einen Seite lässt es sich da wunderbar leben, auf der anderen Seite muss ich zugeben, dass ich mir das auch immer etwas schönrede. Keinen festen Lebensmittelpunkt zu haben und ständig zwischen Belgien und dem Rheinland, wo meine Partnerin lebt, hin und her zu pendeln, ist auf Dauer auch nicht befriedigend. Ich bin ja jetzt auch schon ein gutes Stück über 60, die Uhr tickt.

Jürgen Röber: Seine Stationen als Cheftrainer

VereinAmtszeit
Ankaraspor2009
Saturn Ramenskoje2008-2009
Borussia Dortmund2006-2007
Partizan Belgrad2005-2006
VfL Wolfsburg2003-2004
Hertha BSC1996-2002
VfB Stuttgart1993-1995
Rot-Weiss Essen1991-1993

SPOX: Fragt man sich dann nicht, warum man sich das noch antut?

Röber: Aber was soll ich dann den ganzen Tag machen? Nur noch Golf spielen? Ich weiß es nicht. Dann würde ich meinen Lieben bestimmt schnell auf den Geist gehen. Es macht mir immer noch Spaß, eine Aufgabe zu haben. Der Unruhezustand wird sicher noch eine Weile weitergehen. Mir fehlt zwar manchmal die Arbeit als Trainer, aber dadurch, dass ich jetzt Bernd bei mir habe und wir so eng zusammenarbeiten, geht es irgendwie weiter für mich.

SPOX: Letzte Frage: 2011 hat SPOX über den Modus in der belgischen Liga geschrieben: "Die spinnen, die Belgier!" Können Sie mir erklären, wie Sie trotz Ihres aktuellen Tabellenstands noch gute Europa-League-Chancen haben?

Röber: Nein, um Gottes Willen. Keiner versteht den Modus und er ist auch nicht einfach zu erklären ...