Diese Studenten wollen in die Europa League

Cardiff Met hat noch Chancen auf die Europa League
© spox

Cardiff Metropolitan University FC, kurz Cardiff Met, spielt in den Playoffs der walisischen Premier League um den Einzug in die Europa-League-Qualifikation. Die Studenten-Mannschaft, die dafür zahlen muss, professionell Fußball zu spielen, fasziniert eine ganze Region - und mittlerweile darüber hinaus.

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Der Aufstieg in die erste Liga - meist hart erarbeitet und entsprechend für alle Beteiligten extrem emotional. Und was heutzutage natürlich auch dazu gehört: finanziell sehr lukrativ. Auch für die Spieler, schließlich winken neben den oft ohnehin üppigen Gehältern weitere nette Boni.

Die Spieler des Cardiff Metropolitan University Football Club haben diese Geschichte jedoch etwas anders geschrieben. Keinen einzigen Penny kassierten sie in der letzten Saison, als das Team die Division One gewann und in die walisische Premier League aufstieg.

Nein, verdient haben sie wahrlich nichts, die akademischen Kicker. Vielmehr mussten sie sogar selbst in die Tasche greifen, um überhaupt mitspielen zu dürfen. 150 Pfund (etwa 177 Euro) kostet es jeden von ihnen pro Saison, um Teil der Mannschaft zu sein. "So entsteht unser Budget für die Fußballmannschaft", erklärte Fußballdirektor Dr. Christian Edwards der BBC.

Es ist nicht das einzige außergewöhnliche Merkmal von Cardiff Met.

Fußball ist zweitrangig

Als einziges Universitätsteam in der Premier League schreibt Met auch in dieser Saison weiter an seinem Fußballmärchen. Die Mannschaft besteht ausschließlich aus Studenten und Professoren, deren eigentliche Profession es ist, zu studieren beziehungsweise zu lehren.

Und Erfolg im Vorlesungssaal ist mindestens genauso wichtig wie der auf dem Platz. "Ein guter Abschluss hat hier Vorrang", sagt Edwards: "Erst danach kommt der Fußball." Mehrere Spieler streben derzeit den Doktorgrad an, andere befinden sich noch im Master. Die walisische Presse scherzte bereits: "Jetzt gibt es auch noch intelligente Fußballer."

Neustart und glorreiche Jahre unter Edwards

Der Cardiff Metropolitan University FC, wie er heute besteht, trägt seinen Namen erst seit 2012. Entscheidend für den Verein war das Jahr 2000, als sich die Universität mit dem damaligen Klub Inter Cardiff zusammentat und der UWIC Cardiff FC entstand. Seither kicken die Spieler unentgeltlich für die Bildungseinrichtung.

Edwards selbst spielt bei der Entwicklung der Mannschaft die entscheidende Rolle. Der ehemalige Profi, der einst für Swansea City kickte und sogar ein Länderspiel für Wales (1996) vorweisen kann, kehrte nach dem Ende seiner Fußballerlaufbahn 2006 zurück auf die Schulbank, um fertig zu studieren.

2009 entschied sich die Universitätsleitung, Edwards - mittlerweile Dozent - den Trainerposten anzubieten. Zu der Zeit war der Klub, der vor der Übernahme durch die Universität noch erstklassig gespielt hatte, bereits in der dritten Liga angekommen und auf dem Weg in die vierte. Edwards zog das Team auf links und wagte einen Neuanfang.

"Ich war Trainer, Zeugwart, später Vorsitzender, dann Sportdirektor - eigentlich alles", erinnerte sich Edwards vor Kurzem für den Guardian zurück: "Langsam, aber sicher habe ich zusammen mit einigen brillanten Leuten großartige Strukturen im Klub geschaffen." Die Geduld zahlte sich aus: Ab 2013 stieg Met innerhalb von vier Jahren dreimal auf. Im Sommer gab Edwards das Traineramt aufgrund universitärer Verpflichtungen dann an den ehemaligen Sheffield-Stürmer Dr. Wayne Allison weiter, blieb aber Sportdirektor.

Von der Lachnummer zum EL-Kandidaten

Zu Beginn dieser Saison wurde Met belächelt. "Wir glauben nicht, dass wir die Liga aufmischen können, aber wir wollen wettbewerbsfähig sein", sagte Edwards vor dem Ligastart. Nach sechs Spielen im Oberhaus stand jedoch gerade einmal ein Punkt zu Buche. Konkurrenz und Medien zogen über die akademischen Möchtegern-Profis her. Etwas voreilig.

Die Universitäts-Truppe legte den Schalter um und kletterte bis zum Ende der Hauptrunde auf Rang fünf. Nachdem alle Mannschaften je zweimal gegeneinander gespielt haben, wird die Tabelle der walisischen Premier League im Winter nach 22 Partien in zwei Hälften geteilt. Die oberen sechs Teams spielen die Qualifikation zum europäischen Wettbewerb aus, die unteren die Abstiegsrunde.

Cardiff kam in die Europa-League-Finalrunde, ging dort aber unter. In zehn Partien holte Met nur noch fünf Punkte - kein Grund jedoch zur Sorge. Denn: Der Erstplatzierte (The New Saints) ist sicher in der Champions-League-Qualifikation, die Zweit- und Drittplatzierten (Connah's Quay und Bala Town) spielen nächste Saison in der EL-Quali. Den dritten EL-Quali-Platz, der Wales laut der Fünfjahreswertung zusteht, spielen die drei verbliebenen Teams der Finalrunde plus der Sieger der Abstiegsrunde aus.

Cardiff Met hat also nach wie vor erstmals Chancen auf die Europa League. Im Halbfinale geht es am 7. Mai gegen Camarthen, gegen das die Studenten das letzte Aufeinandertreffen deutlich 4:0 gewannen.

Rekordzuschauerzahl? 428

"Es gab viele Leute, die unseren Sarg schon zunageln wollten", resümierte Edwards kürzlich: "Aber wir hatten unser eigenes Verständnis von dem, was wir machen und glaubten an unsere Ideen. Wir sind nie panisch geworden. Das war sicherlich der Schlüssel zu unserer erfolgreichen Saison. Wir sind unserer Philosophie treu geblieben."

Das ist sich Cardiff Met auch abseits des Platzes. Die Truppe gilt als der etwas andere Klub in Cardiff. Das große Aushängeschild der Stadt ist Traditionsklub Cardiff City, der seit 1910 als einer von sechs walisischen Vereinen im englischen Ligensystem spielt - aktuell in der zweitklassigen Championship, 2013/14 sogar noch in der Premier League.

Die Dimensionen bei Cardiff Met sind noch ganz andere. Zwar ist Met nach City bereits der zweitgrößte Klub der Stadt, jedoch ist der gesamte Verein abhängig von Ehrenamtlern und Universitätsmitarbeitern. Das Stadion auf dem Cyncoed Campus zwischen Sporthallen, Hockeyplätzen und einer Tartanbahn mutet wie ein Trainingsplatz an.

Die Zuschauerzahlen gleichen denen eines Bezirksligaspiels in Deutschland. Saisonhöchstwert waren 428 Zuschauer beim Heimspiel gegen Newtown im September, gegen Liga-Primus TNS kamen im Februar gerade einmal 134. Ziffern, die bei kaum einem anderen europäischen Erstligisten vorstellbar wären.

Ultra-Gruppe bildete sich in Spieler-WG

Doch Met entwickelt sich. Immer mehr Waliser, zu denen auch einige ehemalige Cardiff-City-Fans gehören, interessieren sich für den kleinen Uni-Klub, der mittlerweile über eine breite selbsternannte Hipster-Fangemeinde und sogar eine eigene kleine Ultra-Gruppe verfügt.

Letztere entstand in der Wohngemeinschaft von Mittelfeldspieler Will Evans, wie er Wales Online erklärt: "Ich lebe mit sieben von ihnen zusammen. Anfangs interessierten sie sich nur für meine Spiele, dann fingen sie an, regelmäßig mitzugehen. Mit der Zeit ist ein beachtlicher Kreis entstanden. Jeder Spieler hat dank ihnen einen eigenen Fangesang."

Mittlerweile folgen den Social-Media-Auftritten des Teams schon Tausende, ohne dass sie je bei einem Spiel der Mannschaft live vor Ort waren. Dabei ist der Besuch eines Heimspiels durchaus erschwinglich: Gerade einmal einen Pfund Eintritt verlangt die Uni von Studenten. Ohne den wirtschaftlichen Druck von Sponsoren ist der Verein nämlich nicht auf große finanzielle Gewinne angewiesen.

Blendende Zukunftsaussichten

Die würde eine Teilnahme an der Europa League aber in jedem Fall garantieren, wenngleich die Verantwortlichen realistisch einzuschätzen wissen: "Der internationale Wettbewerb ist für uns vielleicht noch etwas zu weit weg. Solange aber die Fans weitersingen und wir unseren Weg weitergehen, wird es für diesen Klub weiter vorangehen", sagt Edwards.

Der sportliche Leiter ist zuversichtlich, dass die Entwicklung von Cardiff Met noch immer am Anfang steht: "Das Größte für unsere Trainer und mich ist, dass wir die Spieler sportlich und auch akademisch weiterbringen. Ich hatte schon Gespräche mit Universitäten in England, die unserem Beispiel gerne folgen würden. Sie wollen Ähnliches entwickeln. Es ist ein tolles Gefühl, wenn jemand deine Ideen wertschätzt."

Auf der Insel gibt es Statistiken, wonach etwa zwei Fünftel aller Profifußballer binnen fünf Jahren nach ihrem Karriereende pleite gehen. Hauptsächlich deshalb, weil es ihnen beruflich an einer Zukunft fehlt. Die nicht vorhandene Ausbildung oder fehlende Qualifikationen machen sich bemerkbar.

In dieser Statistik sind die Spieler des Cardiff Metropolitan University FC aber außen vor - mal wieder, denn hier läuft bekanntlich einiges anders als bei der Konkurrenz.

Cardiff Met in der Übersicht