"Laktatwerte schießen keine Tore"

Von Interview: Jochen Tittmar
Der BVB schaute kürzlich zu einem Testspiel in Luzern vorbei und gewann dort mit 4:1
© imago
Cookie-Einstellungen

SPOX: Der Zeitpunkt Ihres Abgangs aus Dortmund kam für viele überraschend. Sie waren mit 30 im besten Fußballeralter. Wieso haben Sie nicht noch ein paar Jahre gewartet, bis Sie in die Heimat zurückkehren?

Frei: Vorab: Wenn man die vier Jahre in Basel bilanziert, dann ist ja alles aufgegangen - für den FC Basel und für mich. Ich habe zu mir immer gesagt, dass ich einmal richtig erleben möchte, wie es ist, für den FC Basel zu spielen. Und zwar nicht nur als Jugend- und Einwechselspieler, sondern als dominanter Spieler in einem Alter, in dem ich noch zu guten Leistungen imstande bin. Selbstverständlich ist man mit 30 noch jung, aber ich wurde in meiner Karriere auch nicht von Verletzungen verschont. Deshalb fragt man sich mit der Zeit schon, wie lange man dieses Niveau noch halten wird. Ich wollte nicht nach Basel zurückkehren und nach fünf Spielen mit Tomaten beworfen werden, weil ich mich kaum mehr bewegen kann.

SPOX: Den ersten Impuls Ihres Wechsels löste damals Basels Vizepräsident Bernhard Heusler aus, der Sie auf Marco Strellers Hochzeit angesprochen hatte. Wie lief das genau ab?

Frei: Er hatte sich in der Kirche neben mich gesetzt, weil er sich mit mir über einen Trainer unterhalten wollte, den ich gut kenne. Als dann im Laufe des Abends mehr getrunken und es lustig wurde, kam dann eben dieses Thema auf. Ich habe ihm gesagt, dass wenn sie sich bemühen und sie wirklich wollen, dass ich zurückkomme, dann wird es auch gelingen.

SPOX: Ihr Wechsel kam also in einer Bierlaune zustande?

Frei: Nein, eher Wein als Bier (lacht).

SPOX: Was hätten Sie denn gemacht, wenn Heusler Sie nie angesprochen hätte?

Frei: Dann wäre ich in Dortmund geblieben. Ganz sicher.

SPOX: In Deutschland hieß es immer, dass für Sie die Umstellung auf das laufintensive System von Jürgen Klopp ziemlich groß war. War dem so?

Frei: Die größte Umstellung zu Bert van Marwijk, Jürgen Röber und Thomas Doll war eigentlich die, dass wir immer mit zwei Stürmern gespielt haben. Klopp ließ dann zwei Flügel und nur eine Spitze auflaufen. Dass er mehr im läuferisch-konditionellen Bereich verlangen würde, wusste ich. Das war für mich kein Problem.

SPOX: Ihr großes Problem war vielmehr, dass Sie sich bei der Europameisterschaft 2008 verletzt hatten.

Frei: Genau, dadurch habe ich die ersten zwei Monate unter Klopp komplett gefehlt. Er hatte somit auf gewisse Weise fast keinen Draht zu mir, weil ich die Reha immer in der Schweiz absolviert habe und erst dann zurückkam, wenn ich auch ins Mannschaftstraining einsteigen konnte. Als ich wieder beim Team war, hatten wir eine super Beziehung. Ich habe zu ihm spaßeshalber immer gesagt: Laktatwerte schießen keine Tore (lacht). Das hat er dann auch akzeptiert.

SPOX: War Ihr Verhältnis zu Klopp wirklich immer so gut? Ex-Schiedsrichter Urs Meier sagte kürzlich, dass Klopp ihm verriet, Sie seien für ihn der größte Egoist, den er kennengerlernt habe.

Frei: Wenn dem so wäre, würde ich es als Kompliment auffassen. Ich weiß aber, dass Jürgen das nicht gesagt hat. Er hat mir das persönlich bestätigt. Wir haben regelmäßigen Kontakt und ein gutes Verhältnis, wenn auch nicht dasselbe wie zu Aki Watzke. Uns beide verbindet einfach noch ein wenig mehr, weil er schon zu Beginn meiner Dortmunder Zeit beim BVB arbeitete. Michael Zorc und er hatten sich damals sehr um mich bemüht, ich war ihr Transfer.

SPOX: Was war denn für Sie der emotionalste Moment in Ihrer Zeit beim BVB?

Frei: Alle Heimspiele. Ich habe mich auf jedes einzelne wie ein kleines Kind gefreut. Es gäbe natürlich einige Spiele wie die gegen Schalke, die man herausheben könnte. Das würde der Frage aber nicht gerecht. Es war mir jedes Mal eine Ehre, vor diesem Publikum spielen zu dürfen.

SPOX: Lassen Sie uns bitte noch einen kleinen Streifzug durch Ihre Nationalmannschaftskarriere machen. Bei der WM 2006 wurden Sie im Achtelfinale gegen die Ukraine in der 117. Minute kurz vor dem Elfmeterschießen ausgewechselt - als treffsicherster Schütze. Die Schweiz schied aus, ohne einen einzigen Elfmeter verwandelt zu haben.

Frei: Im ersten Moment hatte ich gar keine Gedanken. Im zweiten Moment dachte ich, dass das doch alles nicht wahr sein könne - da saß ich aber schon auf der Bank. Im dritten Moment waren alle konsterniert, weil sie gemerkt haben, dass sie einen Scheiß gemacht hatten. Ich weiß nicht, ob es das Reglement erlaubt, aber heute würde ich nicht mehr rausgehen. Ich würde mich weigern.

SPOX: Was war denn der Grund für Ihre Auswechslung?

Frei: Ich weiß es nicht. Ich mache das auch nicht am Trainer fest, unser Verhältnis war immer überragend. Wir hatten einen Staff mit fünf weiteren Personen, die hätten ja auch überlegen können nach dem Motto: Es riecht hier gerade verdammt nach Elfmeterschießen, wir sollten den Frei nicht auswechseln.

SPOX: Vier Jahre später wurden Sie bei einem Spiel gegen Wales vor "Ihrem" Publikum in Basel extrem ausgepfiffen. Rund ein halbes Jahr später haben Sie Ihren Rücktritt erklärt. Fehlt Ihnen in der grundsätzlichen Bewertung Ihrer Person auch ein wenig Respekt vor Ihren Leistungen für den Schweizer Fußball?

Frei: Seit dem Ende meiner Karriere spüre ich, dass selbst die ganz Doofen den Schalter umlegen konnten und einem Respekt entgegenbringen. Mein einziger Fehler war, dass ich nach dem Wales-Spiel nicht sofort aufgehört habe. Da habe ich auf meinen Kopf und nicht auf meinen Bauch gehört. Ansonsten beschäftige ich mich mit diesen Fragen nicht mehr. Ich habe andere Sorgen.

SPOX: Wie empfanden Sie damals als Spieler?

Frei: Es hat enorm geschmerzt. Ich bin mir sicher, dass es nicht möglich ist, eine solche Situation in Worten wiedergeben zu können.

Alexander Frei im Steckbrief