Ein Wechsel nach München? Für Lena Oberdorf war das vor nicht allzu langer Zeit noch ausgeschlossen. Über den bekannten Bayern-Song der Toten Hosen ("Ich würde nie zum FC Bayern München gehen") hatte der Schalke-Fan Oberdorf vor der EM 2022 der Sport Bild gesagt: "Ja, klar, kenne ich! Ich kann mir auch nicht vorstellen, zu den Bayern zu gehen." Nun aber: der Sinneswandel.
Die Weltklasse-Abräumerin wechselt im Sommer für eine deutsche Rekordablöse von Pokalsieger VfL Wolfsburg zum FC Bayern - auf eigenen Wunsch. Oberdorf machte Gebrauch von einer Ausstiegsklausel in ihrem Vertrag, der eigentlich noch bis 2025 lief. In München erhält sie einen Vierjahresvertrag. Den aufsehenerregenden Wechsel gaben beide Klubs am Donnerstag bekannt.
"Ich habe gute Gespräche mit Cheftrainer Alexander Straus und Abteilungsleiterin Bianca Rech geführt, und die Vision des Vereins, was man in den nächsten Jahren erreichen möchte, hat mir sehr gut gefallen", begründete Oberdorf ihren Wechsel. In München habe man ihr "auch gezeigt, wo meine Potenziale liegen und was man noch aus mir rausholen kann. Ich denke, ich bin noch keine komplette Spielerin - da möchte ich aber hinkommen."
Vor allem im Angriff sieht Bayerns Trainer Alexander Straus, der von einem "großen Vertrag für den Verein" sprach, bei Oberdorf Luft nach oben. "Sie hat in der Offensive noch so viel zu bieten, sie kann eine Torjägerin sein", sagte der Norweger: "Und das haben wir mit ihr vor."
Die Ablöse soll laut Informationen der Wolfsburger Allgemeinen Zeitung und dem NDR bei 400.000 bis 450.000 Euro liegen. So viel Geld wurde noch nie für eine deutsche Fußballerin bezahlt. Auch mehrere internationale Topklubs wie Paris St. Germain oder Englands Meister FC Chelsea sollen um die 22-Jährige gebuhlt haben. Den Zuschlag erhielt aber der FC Bayern - und das ziemlich überraschend.
Hatte die Mittelfeldspielerin aus Gevelsberg im Ruhrgebiet doch stets auf ihre königsblauen Sympathien verwiesen. "Selbst wenn die Bayern gegen Dortmund gespielt haben, war ich eher für Dortmund. Das sagt alles, oder?", hatte Oberdorf in besagtem Interview erklärt, das ihr nun um die Ohren fliegt: "Ratte" oder "Einfach schwach" waren noch milde Kommentare zu ihrem Wechsel bei X.
Immerhin: Oberdorf erzählte auch schon mal, dass sie sich gerne mit dem Münchner Mittelfeldchef Joshua Kimmich austauschen würde. "Ich glaube, dass unsere Spielideen ganz gut zusammenpassen."
Der Abgang ihrer Leistungsträgerin ist für die Wolfsburgerinnen ein schwerer Schlag. Oberdorf gilt mit ihrer Übersicht und ihrer Zweikampfstärke schon seit ihrer Jugend als Riesentalent. Ab Sommer kämpft sie nun ausgerechnet für den größten Titelrivalen und gegen die Niedersachsen um die Bundesliga-Krone.
Für die kriselnde Bundesliga hat das aber auch Signalwirkung: Eine junge Hochkaräterin entscheidet sich inmitten der Diskussionen über die verlorene internationale Wettbewerbsfähigkeit für den Verbleib. Dass die Bayern durch den Oberdorf-Transfer in Deutschland zum klaren Meisterkandidaten aufsteigen, dürfte klar sein.
"Wir wollen auch im Frauenbereich groß sein, nicht nur bei den Männern", sagte Straus: "Da wollen wir hin."