Aleksander Ceferin jubelte über ein Fußballfest vor Zuschauern, Fritz Keller und Co. feierten den Zuschlag für München als wichtiges Signal - und doch scheint in der EM-Frage noch lange nicht alles klar. Gleich mit der Bestätigung durch das Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union (UEFA) ploppten bezüglich des deutschen EM-Standorts schon wieder neue Rätsel auf. Denn in der Zuschauerfrage herrscht zwischen der UEFA und den deutschen EM-Machern offenbar immer noch keine Einigkeit.
Während die UEFA unmissverständlich von mindestens 14.500 Zuschauern bei den vier Spielen in München spricht, lassen sich der DFB und die lokalen Behörden eine Hintertür offen. Er freue sich "über die Bestätigung der UEFA und auf tolle Spiele bei der UEFA EURO 2020 in München - vielleicht sogar vor Publikum, wenn es die pandemische Entwicklung zulässt", sagte DFB-Präsident Keller.
Dieses "Vielleicht" impliziert, dass Geisterspiele weiter nicht vom Tisch sind - ein krasser Widerspruch zur Darstellung der UEFA. Denn deren Präsident Ceferin freut sich darüber, "dass wir die Zuschauer bei allen Spielen zu einem Fest des Nationalmannschaftsfußballs auf dem ganzen Kontinent begrüßen können". Anscheinend wurden Zusagen der bayrischen Landesregierung unterschiedlich gedeutet.
Denn die hat zwar 14.500 Fans bei den Spielen in der Allianz Arena prinzipiell zugestimmt - aber sich eben eine Korrektur nach unten ausdrücklich offen gelassen. Eine Anpassung "würde notwendig werden, falls die öffentliche Gesundheit aufgrund einer sehr nachteiligen Entwicklung" der Pandemie gefährdet sei, hieß es in einer vom DFB veröffentlichen Mitteilung - nicht das eigentlich von der UEFA geforderte klare Bekenntnis zu Zuschauern, sondern maximal eine "Zuschauergarantie light".
Bierhoff: München "ein gutes Signal"
Dem Exekutivkomitee um Karl-Heinz Rummenigge und Rainer Koch reichte das aber offenbar, Joachim Löws letzte EM-Mission kann jedenfalls im eigenen Land Fahrt aufnehmen. Die Vorrundenspiele der deutschen Nationalmannschaft gegen Weltmeister Frankreich (15. Juni), Titelverteidiger Portugal (19. Juni) und Ungarn (23. Juni) sind allesamt in München angesetzt, außerdem findet in der bayerischen Landeshauptstadt ein Viertelfinale (2. Juli) statt.
Auch für die Planungen der Nationalmannschaft sei die Bestätigung von München "natürlich ein gutes Signal", sagte Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff. München konnte die UEFA als einziger der drei verbliebenen Wackelkandidaten überzeugen. Bilbao wurde durch Sevilla ersetzt, St. Petersburg und London übernehmen zusätzlich die Spiele von Dublin. Damit steigt die erste paneuropäische EM (11. Juni bis 11. Juli) in elf Ländern.
Der DFB war mit "großer Zuversicht" in den Tag der Entscheidung gegangen, obwohl die eigentlich unmissverständlich von Ceferin geforderte Zuschauergarantie fehlte. Am Montag war die Entscheidung deshalb noch verschoben worden. Jeder der zwölf Ausrichter müsse garantieren, "dass Fans zu den Spielen dürften", hatte der UEFA-Chef Mitte März gesagt: "Die Option, dass irgendein Spiel der EM ohne Fans ausgetragen wird, ist vom Tisch." Es ist ein offenes Geheimnis, dass so die Einnahmen aus dem Ticketverkauf gerettet werden sollen.
Worst-Case Szenario kann kurzfristig umgesetzt werden
Doch der DFB plante in enger Abstimmung mit der bayerischen Landesregierung und der Stadt München stets mit drei Szenarien. Als "realistisches" Leitszenario sehen die EM-Macher dabei zwar das Modell mit einer Auslastung von gut 20 Prozent und rund 14.500 Zuschauern, doch als Rettungsanker für eine negative Pandemie-Entwicklung ist eben auch ein Szenario mit null bis 7000 Zuschauer eingeplant.
Sofern die bayerische Infektionsschutzverordnung es erfordere, könne dieses Worst-Case Szenario auch kurzfristig umgesetzt werden, teilte die Stadt zuletzt mit. Genau diese Denkweise war der UEFA aber eigentlich ein Dorn im Auge. Bilbao und Dublin wurde eine derartige Herangehensweise zum Verhängnis, beide wurden offenbar gegen ihren Willen verbannt.
Die UEFA habe dies "einseitig" entschieden, teilte die baskische Regionalregierung mit. Beide wollen nun wohl auf Entschädigungszahlungen drängen, München und der DFB müssen darüber nicht nachdenken. Denn ihren größten Mitgliedsverband wollte die Europäische Fußball-Union dann doch im Boot behalten und rang sich etwas verspätet zu einer Kompromisslösung durch - doch in der Zuschauerfrage scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen.