München droht das EURO-Aus - doch die Bayern wollen kämpfen. "Ein Rückzug Münchens war und ist kein Thema", antworteten die Organisatoren der Stadt am Mittwochnachmittag schroff auf die neueste Ansage der Europäischen Fußball-Union (UEFA). Deren Präsident Aleksander Ceferin hatte zuvor in Gutsherrenmanier den Druck auf die EM-Ausrichterstädte durch die Forderung einer Zuschauer-Garantie erhöht.
"Jeder Ausrichter muss garantieren, dass Fans zu den Spielen dürfen", sagte Ceferin: "Die Option, dass irgendein Spiel der EM ohne Fans ausgetragen wird, ist vom Tisch." Nach SID-Informationen müssen sich die zwölf Ausrichterstädte bis zum 7. April bei der UEFA hinsichtlich der Zuschauerfrage erklären. Die Entscheidung über das Format der Endrunde (11. Juni bis 11. Juli), die erstmals als paneuropäisches Turnier ausgetragen werden soll, wird wohl frühestens beim UEFA-Kongress am 20. April fallen.
"Die ideale Variante ist, in allen zwölf Ländern zu spielen. Aber es ist möglich, dass das Turnier in zehn oder elf Ländern gespielt wird, wenn einige Länder die Bedingungen nicht erfüllen", sagte Ceferin über die EM, die am 17. März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben worden war. München, Amsterdam, Baku, Bilbao, Budapest, Bukarest, Dublin, Glasgow, Kopenhagen, Rom, St. Petersburg und London sind die geplanten Gastgeber.
Zuletzt wurde immer wieder darüber spekuliert, welche Städte gestrichen werden könnten. Dabei ging es meist um Baku, Dublin, Bilbao und Glasgow. Zudem halten sich die Gerüchte, wonach ein Großteil der Partien in Großbritannien stattfinden soll. Diese Vermutung ist naheliegend, weil auf der Insel die Impfungen schon weit fortgeschritten sind - was Zuschauer in den Stadien ermöglichen könnte.
"Keine Stadt würde automatisch ausscheiden, wenn sie mit einem Szenario hinter verschlossenen Türen käme. Aber wir müssten trotzdem abwägen, ob es Sinn machen würde, ohne Fans zu spielen oder ob solche Spiele an andere Orte verlegt werden sollten", hieß es in einem UEFA-Statement am Mittwoch.
München: Auflage der UEFA würde "Extrawurst" gleichkommen
Nach den UEFA-Plänen sollen in München die Gruppenspiele der deutschen Nationalmannschaft gegen Frankreich (15. Juni), Portugal (19. Juni) und Ungarn (23. Juni) sowie ein Viertelfinale ausgetragen werden. Entsprechend irritiert von den Ceferin-Aussagen zeigte sich Oberbürgermeister Dieter Reiter.
"Es ist zum jetzigen Zeitpunkt schlicht nicht möglich, eine Aussage darüber zu treffen, ob es das Infektionsgeschehen der Corona-Pandemie zulässt, im Juni Zuschauer zuzulassen oder nicht. Klar ist aber, dass Veranstaltungen dieser Art mit Zuschauern nach den aktuellen Vorschriften nicht erlaubt sind", sagte der SPD-Politiker: "Ich würde mir gerade in diesen Zeiten wünschen, dass die Verantwortlichen der UEFA hier den direkten Austausch mit den Gastgeber-Städten suchen, um gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten."
Um die Auflage der UEFA zu erfüllen, bräuchte es eine Sonderreglung vonseiten der Politik. Ob eine solche "Extrawurst" Akzeptanz in der Bevölkerung finden würde, darf angesichts steigender Fallzahlen und weitaus drängenderer Probleme bezweifelt werden. Was Dagmar Freitag von den UEFA-Bedingungen hält, machte die Sportausschuss-Vorsitzende des Bundestags unmissverständlich deutlich.
"Die Forderung der UEFA ist angesichts der pandemiebedingten Herausforderungen, denen sich auch die zwölf Austragungsländer nach wie vor stellen müssen, ignorant und verantwortungslos, gleichwohl aber für mich alles andere als überraschend", sagte Freitag dem SID: "Sie dokumentiert nur einmal mehr die dort herrschende Hybris und zeigt erneut, wie weit sich die Parallelwelt des Fußballs von der aktuellen Lebenswirklichkeit unserer Gesellschaften entfernt hat."
Angesichts des Zeitdrucks müsste das Thema wohl schon bei den Bund-Länder-Beratungen am Montag erörtert werden - der Punkt "Veranstaltungen" steht immerhin auf der Agenda. Dennoch erscheint eine Endrunde auf dem gesamten Kontinent mit Zuschauern undenkbar, da das Reisen von allen Experten als Treiber der Pandemie angesehen wird. Die derzeit geltenden Restriktionen in vielen Ländern würden Grenzüberschreitungen von Fans sowieso weitestgehend unmöglich machen.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sagte dem SID, dass er weiter an allen Szenarien arbeite. "Wir möchten gerne im Sinne der Fans die Vision erfüllen, dass auch Zuschauer - unter den dann geltenden Bestimmungen - die Spiele der EURO 2020 in München besuchen können", hieß es in einer Stellungnahme. Ob dies machbar ist, ließ der Verband offen. In den weiterführenden Gesprächen soll erörtert werden, "ob und wie die Umsetzung dieser Ziele gelingen kann."
Um was es der UEFA bei ihren Plänen geht, ist ein offenes Geheimnis. Der Verband hatte vor der Pandemie mit rund zwei Milliarden Euro Einnahmen durch die EM gerechnet. Der Ticketverkauf macht bei dieser Kalkulation fast ein Viertel der Erlöse aus.