EM

Auf immer gebrochen!

Mesut Özil erzielte das zwischenzeitliche 1:0 für Deutschland
© getty

Die deutsche Nationalmannschaft steht nach dem Sieg im Elfmeterschießen über Italien im Halbfinale der EM in Frankreich. Die finale Geschichte des Spiels ist die zu erwartende - jedoch setzt sie sich so atypisch wie nur möglich zusammen. Im Endeffekt ist das Wie erst einmal egal.

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Der 2. Juli 2016, er hat einiges geändert. Dieser Fußballabend hatte schlussendlich eine epische Breite. Es gab so viele kleine Geschichten, die alle auf ihre Art zum großen Ganzen beitrugen - keine weniger als die andere. Alle gleichermaßen unlogisch. Und doch einfach nur emotional.

Als die Spieler in den Katakomben des Stade de Bordeaux knapp eine Stunde nach Spielschluss frisch geduscht durch die Mixed Zone trudelten und Interview-Wünsche erfüllten, kam der eigentliche Lärmpegel immer noch von etwa 30 Meter darüber.

"So geh'n die Deutschen, die Deutschen, die geh'n so!", war weiterhin klar und deutlich zu vernehmen. Der eine oder andere Spieler musste bei den immer wieder plötzlich hörbaren Gesängen durchaus auch mal schmunzeln. Oh, du historischer Samstag.

Malerische Platzierung im Gesamtkontext

Sollte Deutschland wirklich weiterkommen, so sagte man vor dem Spiel, werde sich die Presse direkt auf den geschichtsträchtigen Fakt stürzen, dass man erstmals Italien bei einem großen Turnier geschlagen habe. Wie richtig diese Leute doch lagen.

Doch es ist kein Mangel an Einfallsreichtum, keine vorgeschriebene Geschichte, die seit Jahrzehnten einfach nur darauf wartet, veröffentlicht werden. Nein, das EM-Viertelfinale am Samstag hat die jüngste Spielhistorie dieser beiden Nationen so malerisch im Gesamtkontext platziert, dass man es niemals hätte vorhersehen können.

Der unerwartetste Held von allen

Mit all seinen Wendungen und Überraschungen war der Abend so wundervoll wie schrecklich. "Das war ein dramatisches Spiel, bis zum Schluss", befand Joachim Löw und auch Mats Hummels pflichtete ihm bei: "Die gesamte Partie war immer eng, auch, wenn es nicht so viele Torchancen gab."

Angefangen bei der überraschenden Dreierkette, die Löw doch aufbot. Sie forderte ihren Tribut in Julian Draxler, der trotz seiner starken Partie gegen die Slowakei erst einmal wieder draußen blieb. Weiter über den Kapitän Bastian Schweinsteiger, der nach nicht einmal 16 Minuten aufs Feld musste, um den verletzten Sami Khedira zu ersetzen. Und dann bis zum Schluss draufblieb, was er schon ewig nicht mehr gewohnt ist.

Über Thomas Müller, dessen so wenig zu ihm passende EM-Story einfach weiterging wie bisher: Erfolglos. Bis hin zur wirklichen Heldensaga dieses Viertelfinals: Nicht etwa Özil, Müller oder Schweinsteiger sicherten vom Punkt den deutschen Sieg. Es waren die Youngster Draxler, Kimmich und final Hector, die mit der Verantwortung am besten umgingen. Vor allem Jonas Hector - der unerwartetste Held von allen.

"Eigentlich zwei Teams mit guten Nerven"

"Bei Teams, die eigentlich für gute Nerven im Elfmeterschießen bekannt sind, sieht man so etwas auch nicht sehr oft. Wir hatten das Glück auf unserer Seite, das muss man einfach sagen", befand Hummels, der auch diesen unvorhersehbaren Umstand gut einordnete.

Denn: Vor dem Elfmeterschießen am Samstag hatte Deutschland nur zwei seiner 28 Elfmeter bei Elfmeterschießen in großen Turnieren verschossen. Es war wieder so eine deutsche Tugend, die an diesem Abend ... anders kam. Gleich drei der erfahrensten deutschen Schützen verschossen.

Ein atypischer Abend

Am Gipfel des abendlichen Spannungsbogens stand sicherlich dieses Elfmeterschießen. Doch die 90 Minuten zuvor hatten ihn erst dahin geführt.

Das lag auch daran, dass die Italiener es wieder einmal schafften, aus wenig viel zu machen: "Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass die Italiener aus dem Spiel heraus ein Tor erzielen können", sagte Löw, der Recht behielt. Eine höchst untypische Aktion von Jerome Boateng bescherte den Südeuropäern den Elfmeter zum Ausgleich.

An eine Situation, in der der Bayern-Innenverteidiger in einem Zweikampf mal ähnlich unbeholfen hingegangen ist, kann man sich in der jüngeren Vergangenheit nicht erinnern. Man müsste lange zurückblicken. Atypisch. Wie der gesamte Abend eben.

Auf immer gebrochen!

Doch nun steht Deutschland am Donnerstag im Halbfinale, vermutlich gegen den Gastgeber. Nach dem Wie fragt in ein paar Tagen keiner mehr, sagt man so schön. Es ist viel Wahres dran.

Das Ergebnis stimmt. Das deutsche Spiel stimmte in vielen Facetten. Und Glück, Zufall und Unplanbarkeit waren am Samstag auf der verdienten Seite. Offensichtlich brauchte es all jene Gegebenheiten, um diesen EM-Tag für das DFB-Team so besonders zu machen.

Deutschland kann in wichtigen Spielen nicht gegen Italien gewinnen? Es ist ein Mythos, der in der Nacht zum Sonntag auf immer gebrochen wurde.

Deutschland - Italien: Die Statistik zum Spiel

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