"Beim BVB war Sammer kamerascheu"

Von Johannes Heiming
Uwe Neuhaus (r.) an der Seite von Matthias Sammer (M.) und Udo Lattek
© imago

Dynamo Dresden ist zurück in der 2. Liga! Souverän hat sich die SGD in dieser Saison den Aufstieg gesichert. Trainer Uwe Neuhaus spricht im Interview über seine bewegte Zeit bei Borussia Dortmund, Neuhaus-raus-Rufe und erklärt, was ihn an der Trennung von Union Berlin noch heute ärgert.

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SPOX: Herr Neuhaus, 1993 begann Ihre Trainer-Karriere bei der SG Wattenscheid 09, anschließend trainierten Sie noch den VfB Hüls in der Oberliga. 1998 folgte der große Sprung in die Bundesliga zu Borussia Dortmund, wo Sie Assistenztrainer von Michael Skibbe wurden. Wie kam's?

Uwe Neuhaus: Ich lernte Michael Skibbe beim Fußballlehrer-Lehrgang kennen und wir waren uns sofort sympathisch. Er war ja damals bereits beim BVB angestellt, deshalb meinte ich zu ihm, er solle mir Bescheid sagen, wenn in Dortmund im Amateur- oder Jugendbereich etwas frei würde.

SPOX: Und wann kam dann der Anruf?

Neuhaus: Am Montag nach dem letzten Saisonspiel mit Hüls. Wir hatten gerade den Klassenerhalt gefeiert, ich war noch nicht hellwach. Bei diesem Gespräch waren auch Präsident Gerd Niebaum und Manager Michael Meier dabei, weshalb mir klar war, dass es nicht um einen unbedeutenden Job gehen konnte. Das Angebot, als Co-Trainer einzusteigen, war für mich damals etwas sehr Besonderes. Ich sagte sofort zu - ohne über Zahlen geredet zu haben.

SPOX: Wie war es für Sie, plötzlich mit gestandenen Spielern im deutschen Oberhaus zu arbeiten?

Neuhaus: Ich glaube, dass ich mich ganz gut geschlagen habe. (lacht) Wir hatten einen Kader von über 30 Spielern, viele davon feierten bereits große Erfolge. Es gab an jedem Wochenende mehr unzufriedene als zufriedene Spieler. Das war ein richtiges Haifischbecken, in dem man sich bewegt hat. Doch weder Michael noch ich hatten ein Autoritätsproblem, auch wenn es natürlich schwieriger ist, Spieler von seinen Ansichten zu überzeugen, wenn man sich noch keinen Namen gemacht hat. Die vorherigen Trainer hießen schließlich Ottmar Hitzfeld und Nevio Scala.

SPOX: Im Februar 2000 musste Skibbe gehen, Sie blieben Co-Trainer unter Bernd Krauss.

Neuhaus: Ich hätte auch mit ihm gemeinsam aufhören können, aber das wäre verrückt gewesen. Es war ein Privileg, in einem solchen Verein arbeiten zu dürfen.

SPOX: Nach dem kurzen Krauss-Intermezzo kam das Duo Udo Lattek und Matthias Sammer, um den BVB zum Klassenerhalt zu führen. Gab es mal die Überlegung, Sie zum Chefcoach zu machen?

Neuhaus: Nein, darüber wurde nie gesprochen. Es war damals in Borussias sportlich prekärer Situation schon mutig genug, Michael Skibbe als Trainer zu installieren. Das war eine andere Zeit als heute, junge Konzepttrainer standen nicht besonders hoch im Kurs. Ich wäre als Cheftrainer ein zu großes Risiko für den Verein gewesen. Zugetraut hätte ich mir das allerdings. Hätte der Klub aber jedem neuen Trainer gesagt, dass ich in jedem Fall der Co-Trainer bleibe, dann wäre ich heute immer noch beim BVB. (lacht)

SPOX: Sammer wurde weniger später jüngster Meistertrainer der Bundesliga-Geschichte und hat bis heute eine steile Karriere hingelegt. Wie haben Sie ihn damals erlebt?

Neuhaus: In Dortmund war er recht kamerascheu. Er hat lieber zu wenig gesagt als zu viel. Das hat sich mittlerweile doch sehr verändert. (lacht) Ich persönlich habe sehr viel von ihm lernen können, obwohl er deutlich jünger war als ich. Ich hatte aber nicht diesen Erfahrungsschatz, den er durch seine Spielerkarriere mitbrachte. Er war ein Mahner, besonders im Erfolgsfall. Er meinte immer, im Erfolg würde man die größten Fehler machen - und damit hat er zu 100 Prozent Recht. Die Zeit mit ihm hat mich geprägt.

SPOX: Als Bert van Marwijk im Juli 2004 nach Dortmund wechselte, übernahmen Sie zunächst die BVB-Amateure, gingen dann aber im April 2005 zu Rot-Weiß Essen. RWE befand sich damals in einer schwierigen Situation, der Abstieg aus der 2. Liga war vier Spieltage vor Schluss kaum mehr zu vermeiden. Wieso haben Sie sich das angetan?

Neuhaus: Ich wohnte zu diesem Zeitpunkt fast 20 Jahre lang in Essen und war dort von 1984 bis 1988 auch als Spieler tätig. Der Verein hatte Potential, es war Herausforderung und Chance. Deshalb habe ich ohne langes Überlegen zugesagt. Nach dem Abstieg haben wir die Mannschaft extrem umgekrempelt, drei Spieler blieben und 19 kamen. Am Ende stand der Wiederaufstieg.

SPOX: Ende 2005 waren Sie dann aber auf einmal der große Buhmann in Essen.

Neuhaus: Ich kann mir bis heute nicht erklären, woher die Anfeindungen kamen. Das war für mich eine wirklich schwierige Zeit. Ich kann mich an ein Spiel gegen die zweite Mannschaft des HSV erinnern. Als Spitzenreiter lagen wir mit 2:0 in Führung. Dann kassierten wir nach einem Abwehrfehler ein Gegentor und 19.000 Zuschauer riefen auf einmal "Neuhaus raus!". Das war skurril. Das Ende der Zusammenarbeit in der Folgesaison war dann aus Sicht des Vereins die richtige Entscheidung. Ich war leider die absolute Reizfigur.

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