"Ich hatte in Berlin sehr schöne zwei Jahre gehabt. Hertha ist sehr wichtig für mich und ich werde diese Zeit nie vergessen", sagte Favre. Keine Gedanken verschwendet Favre jedoch an den 2:1-Sieg in der Hinrunde: "Der Pokal ist etwas anderes als die Meisterschaft."
Der Schweizer wird nicht müde, seine erste Amtszeit in Deutschland zu loben. Auch wenn sie unschön endete. Mit einer Pressekonferenz, auf der Favre ungewohnt deutliche Worte fand und mit der Hertha abrechnete. Doch Favre hat das abgehakt, hat gelernt aus der bisweilen schwierigen Zeit in der Hauptstadt mit den stets zu hohen Erwartungen und dem traditionell scharf schießenden Blätterwald.
"Jeder macht mal Fehler", sagte Favre nur. In Mönchengladbach, der kleinen Großstadt am Niederrhein, eingekeilt zwischen Düsseldorfer Dekadenz und Kölner Karneval, hat der Schweizer ein Umfeld gefunden, das zu ihm passt.
Ritterschlag von Günter Netzer
Denn in Gladbach, wo die sportliche Entwicklung selten mit der Erwartungshaltung Schritt halten konnte, sind sie ein wenig demütig geworden nach Jahren der Entbehrungen. Der letzte Titel liegt 17 Jahre zurück, fast genauso lange warten sie auf den Einzug in den Europapokal.
Dass mit Favre innerhalb von nicht einmal zwölf Monaten der Erfolg in den Borussia-Park zurückkehrte, ist allerdings kein Zufall. Und dass man inzwischen sogar regelmäßig das fast schon abgegriffene Wort "Fohlen" in den Mund nehmen kann, ist auch Favres Verdienst.
Vieles auf dem Spielfeld erinnert wieder an glorreiche Zeiten. Bei Marco Reus ist es "wie auf der Playstation" (Favre), Patrick Herrmann und Marc-Andre ter Stegen stehen für die Philosophie des Klubs. Und den Ritterschlag erhielt Favre dann auch jüngst von Günter Netzer, Mitbegründer der Fohlen-Ära in den 60er- und 70er-Jahren.
"Lucien Favre hat Borussia mit strukturellen Änderungen, mit Ordnung auf dem Platz und seinem Spielsystem in den Griff gekriegt, die Spieler haben 100 Prozent mitgezogen", sagte Netzer im Interview bei Sport1.
Favre der Perfektionist
Der Schweizer selbst geht mit Lob zumindest nach außen sparsam um. Anfangs sprach er pausenlos von einer schweren Saison, in der man um jeden Punkt kämpfen müsse. Nach ansehnlichen Auftritten redet Favre schon mal von einer "Katastrophe", einem "schwierigen Spiel" oder von "zu vielen Fehlern".
Das 0:0 in Wolfsburg sah mancher schon als Rückschlag im Titelkampf. "Sind Sie verrückt?", fragte Favre mit großen Augen. Doch der Großteil ist Kalkül, Favre ist Perfektionist, will seine Spieler besser machen, ist auf der immer währenden Suche nach dem perfekten Spiel. Akribisch bereitet er jede einzelne Trainingseinheit vor, schaut, wie er noch mehr aus seiner Mannschaft herauskitzeln kann.
Mike Hanke beorderte er aus dem Sturmzentrum hinter die Spitzen, wo sich der 29-Jährige inzwischen effektiver einbringt als zu Zeiten als reiner Torjäger. Juan Arango hat die Laufarbeit entdeckt, den Defensivverbund trimmte Favre zur besten Abwehr der europäischen Topligen.
Favre schaut "von Spiel zu Spiel"
Favre formte eine Mannschaft mit zahlreichen Namenlosen zu einem kreativen Kollektiv, in dem die Summe der individuellen Stärken ein Team ergibt, das reif zu sein scheint für höhere Aufgaben. Doch Favre schaut "von Spiel zu Spiel".
Eine Floskel, die der komplette Verein inzwischen verinnerlicht hat, die aber offenbar die Erfolgsformel ist. Deshalb wird der Schweizer auch noch nicht von einer möglichen dritten Rückkehr nach Berlin sprechen. Denn am 12. Mai findet dort traditionell das Pokalfinale statt.
Die Viertelfinal-Spiele im Überblick