Es liegt am Schaltjahr 2012, dass sich der Februar noch einen Tag zusätzlich gönnt und den Termin der deutschen Nationalmannschaft gegen Frankreich noch für sich beansprucht.
Drückt man ein Auge zu, fällt das erste Länderspiel des Jahres aber genau auf jenen Tag, der vor sechs Jahren Jürgen Klinsmann - und damit auch unweigerlich dessen damaligen Co-Trainer Joachim Löw - beinahe den Job gekostet hätte.
Erinnerungen an das 1:4 von Florenz
Deutschland verlor das erste Testspiel des Jahres in Florenz mit 1:4, genauer muss man sagen, dass Italien eine mit einer zaghaften Erwartungshaltung bedachte deutsche Mannschaft regelrecht in den Boden des Stadio Artemio Franchi stampfte.
Die Hysterie im Land des WM-Gastgebers nahm danach fulminante Ausmaße an, selbst die sonst sachliche "Süddeutsche Zeitung" hinterfragte auf Seite 3 den Sinn von Klinsmanns Konzept und ob die anstehende Weltmeisterschaft nicht in einem völligen Fiasko enden würde.
Joachim Löw wurde am Montag mit der Nacht von Florenz einmal mehr konfrontiert und gefragt, ob sich die Situation damals mit der jetzt vergleichen ließe. Löw dachte einen Moment nach, und dann antwortete der Co-Trainer in ihm: "Obwohl es damals einen unheimlichen Wirbel gab, empfand ich es als positiv zu sehen, wo genau unsere Schwächen lagen und wir den Hebel ansetzen mussten."
Löw soll damals ja der Magistrat der taktischen Ausrichtung gewesen sein, der dem Emotionaltrainer Klinsmann mit seinem Wissen den Rücken freigehalten hat. Den Test am Mittwoch gegen Frankreich (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) verortete der Cheftrainer Löw dann in die Kategorie "Bonusspiel".
DFB-PK: Wiese und Klose spielen
"Werden uns nicht daran messen"
"Wir werden natürlich einige wichtige Erkenntnisse erhalten", sagte er, "aber wir werden uns nicht daran messen! Wir haben seit Herbst 2010 eine ganze Reihe guter Qualifikations- und Testspielergebnisse erzielt. Ich glaube deshalb nicht, dass meine Mannschaft von einem Spiel oder dem Tagesgeschäft abhängig ist."
Zwar ist die Partie im Bremer Weserstadion neben der ersten des EM-Jahres auch die letzte vor der Benennung des EM-Kaders, es fehlen mit Philipp Lahm, Lukas Podolski, Bastian Schweinsteiger, Per Mertesacker und Mario Götze gleich fünf Leistungsträger und die Voraussetzungen für das Spiel - zwölf von 20 Spielern waren noch am Sonntag in ihren Ligen im Einsatz, das anberaumte Training am Montag musste deswegen einer Regenerationseinheit weichen - sind nicht die besten.
Und trotzdem geht Löw die Aufgabe gegen "einen der EM-Favoriten", wie er die Franzosen einschätzt, in aller Ruhe an. "Wir haben uns seit der WM ohne große Formschwankungen entwickelt. Gegen Frankreich schließen wir diese Phase jetzt ab."
Fleißiges Treiben hinter den Kulissen
Dann endet für Löws Mannschaft das Kapitel Qualifikation und Weiterentwicklung, jene Ziele, die er vor dem ersten Pflichtspiel im September 2010 gegen Belgien formuliert hatte. Und es beginnt zumindest für ihn schon die konzentrierte Vorbereitung auf die Europameisterschaft im Sommer in Polen und der Ukraine.
Löw geht die Planungen auf das Turnier noch in einem Workshop mit seinem Trainerteam durch, definiert dann die Fixpunkte für die Regenerationswoche auf Sardinien (11. Bis 18. Mai) und dem "eigentlichen" Trainingslager in Südfrankreich (18. Bis 31. Mai).
Hinter den Kulissen scoutet das "Team Köln" bereits seit Wochen die deutschen Gruppengegner. An der Sporthochschule läuft die EM im Prinzip schon seit Anfang Dezember.
Und Urs Siegenthaler? "Der fliegt am Mittwoch nach Warschau und schaut sich dort unseren ersten Gegner Portugal gegen die Polen an", wie Co-Trainer Hansi Flick erzählte. "Urs ist rund um die Uhr dabei, Informationen für uns zu sammeln." Zusammen- und gebündelt vorgetragen werden diese dann beim Treffen der sportlichen Führung in ein paar Wochen.
Noch Chancen für einige Nachzügler
Bis dahin sammelt der Bundestrainer persönlich noch etliche Eindrücke, von der Form einiger Sorgenkinder etwa, wie Cacau, Christian Träsch oder Andre Schürrle, die in ihren Vereinen keine besonders erfolgreiche Zeit erleben.
Oder den zart hoffenden Spielern wie Mike Hanke oder Marko Marin, denen Löw versicherte, dass "die Tür noch nicht ganz geschlossen" sei.
Deshalb soll der Test gegen Frankreich auch rigoros als solcher genutzt werden. Nicht nur für die neuen, alten Auswärtstrikots in Grün, die gegen die Grande Nation ihre Wiederauferstehung feiern.
Mit Mats Hummels und Holger Badstuber nominiert Löw die beiden spielstärksten Verteidiger für das Abwehrzentrum, die die Idee, künftig noch offensiver aus dem defensiven Mittelfeld herausspielen zu wollen, mit ihrem Geschick in der Spieleröffnung unterstützen sollen.
Mehr Offensivdrang aus dem defensiven Mittelfeld
Löws Idee dabei wird sein, dass der klassische Abräumer vor der Abwehr mehr oder weniger verschwindet und beide Sechser nicht statisch auf ihrer Position kleben.
Beide sollen sowohl defensiv als auch offensiv gestalten, da trifft es sich gut, dass Löw in Sami Khedira und Toni Kroos zwei dafür geeignete Spieler gegen die Franzosen aufbieten kann.
Es wird gegen die Franzosen mit die spannendste Frage sein, wie diese noch einen Tick offensivere Ausrichtung dem Praxistest standhält.
Und ob Tim Wiese, der in seinem Stadion 90 Minuten im Tor stehen darf, seinem Selbstverständnis als "klare Nummer zwei" hinter Manuel Neuer auch Taten folgen lässt.
Die EM im Überblick