Löws nächste Evolutionsstufe: Vier gewinnt

Von Stefan Moser
Bundestrainer Joachim Löw und seine neueste "Errungenschaft": Das 4-1-4-1
© Getty
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Die Stärken

Seine volle Wirkung zeigten die vier offensiven Mittefeldspieler vor allem gegen das 4-4-2 der Österreicher. Immer wieder gelang es Deutschland, bei eigenem Ballbesitz Überzahl auf den Flügeln herzustellen.

Weil vor allem die beiden äußeren Mittelfeldspieler der Gäste taktisch und läuferisch überfordert waren, konnten sich Lahm, Podolski und Kroos auf links sowie Müller, Özil und Klose auf rechts immer wieder in klassischen Dreieckskombinationen frei spielen.

Mit dem aufgerückten Kroos suchte außerdem ein zusätzlicher Spieler immer wieder den Weg aus der Tiefe in den Strafraum. Schwierig zu verteidigen - und zusätzlicher Druck auf die gegnerische Viererkette.

Die Schwächen

a) Keine Überzahl in der Defensive: Das folgende Spiel gegen die Polen, die aggressiver, cleverer und mit fünf Mann im Mittelfeld agierten, bestätigte allerdings deutlich den Eindruck, dass mit der neuen Ausrichtung die Konteranfälligkeit stark zunimmt. Durch das Pressing und das hoch aufgerückte Mittelfeld lässt sich in der Abwehr zwangsläufig kaum mehr Überzahl herstellen, es kommt häufiger zu ungedoppelten Eins-gegen-Eins-Situationen.

Löws Idee, um das Risiko schneller Gegenangriffe einzudämmen: Auch bei eigenem Ballbesitz bleiben die defensiven Akteure nahe bei ihren Gegenspielern. Sie sollen die Bälle bei Kontern möglichst nur mit dem Rücken zum Tor annehmen können und dabei schnell unter Druck gesetzt werden.

Probleme entstehen aber sofort, sobald ein Gegner sich drehen und mit Tempo auf die Abwehr zulaufen kann; oder wenn ein defensiver Zweikampf verloren geht. Weil die Angreifer nicht gedoppelt sind, steht keine weitere Absicherung zur Verfügung. Ein gebundener Verteidiger muss aushelfen und seinen Gegenspieler damit frei lassen: Die Ordnung geht vollständig verloren. (Siehe Video)

b) Raum für Steilpässe: Außerdem bietet das neue System viel Platz im Rücken der aufgerückten Abwehr. Hat der Gegner im Mittelfeld genügend Zeit für gut getimte Zuspiele in den Lauf der Stürmer, kann nur noch die individuelle Antrittsschnelligkeit der Verteidiger den Konter verhindern. Eines der Argumente gegen Mertesacker.

c) Weniger Zugriff im Mittelfeld: Ein weiteres Problem, das gegen Polen sichtbar wurde: Gewinnt der Gegner im Mittelfeld den Ball, hat Deutschland weniger Spieler hinter dem Ball. Die offensive Viererreihe hat kaum mehr Zugriff. Logische Folge: Obwohl die Abwehrspieler eine gute Quote hatten, gewann Deutschland am Dienstag nur 43 defensive Zweikämpfe, gegen Österreich 51.

Im 4-2-3-1 gegen die Türkei waren es noch 64. Vor allem die vier Offensiven kamen weniger in die Zweikämpfe, aber auch Schweinsteiger führte durch die weiteren Wege weniger direkte Duelle. Seine 11 defensiven Zweikämpfe (7 gewonnen) gegen Österreich sind ziemlich genau halb so viele wie zuvor im 4-2-3-1.

Umso wichtiger also, dass die Spieleröffnung aus der Abwehr fehlerfrei und präzise funktioniert. Auch dabei hat Mertesacker traditionell größere Probleme als Badstuber oder Hummels. Gegen Polen brachte er als Spielmacher von hinten nur zehn Zuspiele ins offensive Mittelfeld.

Grundsätzlich zeigten beide Spiele, dass das neue System noch viel Detailarbeit benötigt. Im Augenblick eignet es sich vor allem gegen schwächere, defensive Gegner - aber nur für die erste Elf von Jogi Löw.

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