"Wir bleiben bei der Apfelschorle"

Von Für SPOX in Mailand: Haruka Gruber
Schalkes Raul feiert seinen Treffer zum 3:2 bei Inter Mailand
© Imago

Schalkes magische Nacht im Viertelfinale der Champions League bei Inter Mailand: Das unfassbare 5:2 beim besten Team Europas widerspricht jeder Logik. Matthias Sammer ist hellauf begeistert, die Schalker selbst aber können es nicht fassen und mahnen zur Vorsicht.

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In der Mixed Zone, wenn nach dem Abpfiff die Spieler aus der Kabine kommen und auf dem Weg zum Mannschaftsbus sind, geschehen die merkwürdigsten Dinge.

Je nach Stimmung und Ausgang einer Partie umarmen Profis vor überbordender Freude schon mal Journalisten und geben High Fives, bei Misslaunigkeit bestrafen sie die Berichterstatter mit Ignoranz und inhaltlosen Äußerungen. Das Verhältnis zwischen Sportler und Journalist ist komplex - und ist nun um eine Sonderbarkeit reicher.

Mit einem 5:2-Erfolg im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinals bei Titelverteidiger Inter Mailand sorgte der FC Schalke 04 für die wohl größte Sensation in der deutschen Europapokal-Geschichte. So pathetisch es klingen mag: Es war denkwürdig und einzigartig.

Ein Abend, über den auch in 10, 20 Jahren noch geredet werden wird. Entsprechend gelöst werden die Schalker vor die Medien treten, so zumindest die Erwartung. Doch was folgte, war ein seltsames Beieinandersein.

Spieler vom 5:2 überfordert

Als ob nichts geschehen wäre, trotteten die Spieler im Giuseppe-Meazza-Stadion an den Journalisten vorbei. Einige blieben stehen und sagten Allgemeinplätze wie "Wir sind überglücklich" oder "Wir freuen uns heute noch ein bisschen", andere mussten regelrecht dazu animiert werden, nicht allzu ernst dreinzublicken.

"Die Spieler haben alle noch nicht begriffen, was gerade passiert ist und welche Tragweite der Sieg hat", sagte ein S04-Offizieller.

Schalke demütigt Inter

5:2.

Ein Ergebnis, das jeder Logik widerspricht. Ein Ergebnis, für das gängige Superlative nicht reichen.

Deutschen Klubs gelangen in der Vergangenheit außergewöhnliche Siege: das später annullierte 7:1 von Mönchengladbach gegen Inter (1971), Kaiserslauterns 5:0 gegen Real Madrid (1982), Uerdingens 7:3 gegen Dresden (1986), Bremens 6:2 gegen Spartak Moskau (1987) und 5:0 gegen Dynamo Berlin (1988), Karlsruhes 7:0 gegen Valencia (1993), zuletzt Bayerns 4:1 bei Juventus Turin im Dezember 2009.

Und doch sprengt das 5:2 die Vorstellungskraft, weil sich das Erlebte in nicht gekannten Dimensionen bewegt. Noch nie hat eine deutsche Mannschaft den amtierenden Champions-League- und Weltpokalsieger derart demontiert - und das auswärts.

Noch nie wurde der italienische Meister und Pokalsieger von einem Gegner so gedemütigt, der selbst ohne Ausfälle ein oder zwei Klassen schlechter besetzt ist.

Mehr erschöpft als begeistert

Ralf Rangnick mahnt zur Vorsicht "Wir müssen diesen Abend erst einmal einordnen und verdauen", sagte der Trainer mehr erschöpft denn begeistert. Der Fokus müsse schon ab Donnerstag auf das nächste Bundesliga-Spiel gegen den VfL Wolfsburg liegen und richtig freuen könne man sich ohnehin erst, wenn das Rückspiel gegen Inter am kommenden Mittwoch gelaufen sei.

Ähnlich sachlich kommentierte Raul, obwohl er vor dem Anpfiff die Chancen auf ein Schalker Weiterkommen auf nur 20 Prozent beziffert hatte und er gemeinsam mit Ersatz-Sturmpartner Edu eine herausragende Vorstellung bot: "Das war ein ganz wichtiger, aber noch nicht der definitive Schritt. Wir sind noch nicht weiter."

Selbst das Anstoßen mit Bier oder Sekt wäre verfrüht. "Wir bleiben bei Apfelschorle", sagte Torwart Manuel Neuer, "wir sind noch nicht durch, wir müssen im Rückspiel wieder eine konzentrierte Leistung zeigen".

Sammer verspürt Genugtuung

Mit wesentlich mehr Hingabe wurde das 5:2 hingegen von den Außenstehenden gefeiert. "Schalke erschafft ein großes Märchen des Fußballs", schrieb die "Süddeutsche Zeitung". Die "Bild" titelte: "Europa staunt über Schalkes Euro-Riesen" und die "FAZ" sprach von einer "Magischen Nacht".

Für das bemerkenswerteste Zitat jedoch zeichnete DFB-Sportdirektor und "SKY"-Experte Matthias Sammer verantwortlich, nachdem Bundestrainer Jogi Löw vor dem Spiel den weiterhin bestehenden Rückstand der Bundesliga-Klubs auf die europäische Spitze anmahnte. Inter hatte in den Runden zuvor den FC Bayern und Werder Bremen ausgeschaltet.

"Ich spüre eine Genugtuung und eine tiefe Zufriedenheit. Das ist nicht nur extrem gut für Schalke 04, sondern auch für unseren Fußball", sagte Sammer. " Ich freue mich sehr, wir haben zumindest eine Mannschaft im Halbfinale der Champions League." Dass das Rückspiel noch aussteht, überging Sammer beflissentlich. Nach einem 5:2 sei ihm das aber verziehen.

Inter - Schalke: Daten & Fakten zum Spiel

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