Toppmöller: "Bayern hat die geilere Mannschaft"

Von Interview: Thomas Gaber
Klaus Toppmöller (l.) zog 2002 mit Leverkusen über ManUtd (2:2/1:1) ins Champions-League-Finale ein
© Getty

Klaus Toppmöller warf Manchester United 2002 mit Bayer Leverkusen aus der Champions League. Ein Gespräch über den besten Michael Ballack aller Zeiten, Erfolgsstrategien im Old Trafford und entscheidende Fehler von Sir Alex Ferguson.

Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Toppmöller, der FC Bayern kämpft gegen Manchester United (20.30 Uhr im LIVE-TICKER, auf Sat.1 und SKY) um den Einzug ins Champions-League-Halbfinale. 2002 blieb United letztmals gegen eine deutsche Mannschaft auf der Strecke. Gegen Leverkusen - mit Ihnen als Trainer.

Klaus Toppmöller: Wir haben damals in Manchester ein überragendes Spiel gemacht und hätten gewinnen müssen (Endstand: 2:2, Anm. d. Red.). Es war glaube ich das erste Mal, dass eine Auswärtsmannschaft im Old Trafford mit 'standing ovations' bejubelt wurde. Im Rückspiel (1:1) hatten wir viel Glück, sind aber insgesamt verdient weiter gekommen. Wir haben ja nicht nur Manchester ausgeschaltet, sondern auch Arsenal und Liverpool. Unser 4:2-Sieg gegen Liverpool war eines der besten Spiele der Champions League überhaupt.

SPOX: Aber Manchester war doch noch ein anderes Kaliber mit Fabien Barthez, Roy Keane, Juan Sebastian Veron und Ruud van Nistelrooy, um nur einige zu nennen.

Toppmöller: Aber wir hatten auch eine Top-Mannschaft! Michael Ballack war nie besser als in dieser Saison, das war seine beste. Ich habe Bernd Schneider kürzlich das Fax zu seinem Abschiedsspiel zurückgeschickt. Da kamen wieder Erinnerungen hoch - wie stark der damals war! Lucio, Ze Roberto, Diego Placente - alles Riesen-Fußballer. Ich verstehe bis heute nicht, warum die Bayern damals nur Ze Roberto geholt haben und Placente nicht gleich dazu. Ze Roberto/Placente war das Traumpaar in Europa auf der linken Seite. Ich habe den Jungs vor den Duellen mit Manchester eingeimpft, dass sie sich vor niemandem verstecken brauchen.

SPOX: Ihr Traum fand dann im Finale gegen Real Madrid ein jähes Ende.

Toppmöller: Wir waren aber auch im Finale die klar bessere Mannschaft. Ein paar Wochen später hat Real das Supercup-Finale gegen Feyenoord Rotterdam 3:1 gewonnen. Real war so überlegen, das war fast schon lächerlich. Das war wie Bundesliga gegen A-Klasse. Da macht man sich Gedanken, wie weit wir mit Leverkusen gekommen sind und wie gut wir gegen Real ausgesehen haben.

SPOX: Trotzdem sagten Sie vor kurzem, dass Sie sich heute noch für die Finalniederlage gegen Real rechtfertigen müssen. Wie meinten Sie das?

Toppmöller: Vor der Saison 2001/2002 hat uns Udo Lattek auf Platz 7 der Bundesliga getippt. Alle anderen befragten Experten hatten uns noch weniger zugetraut. Wir sind Zweiter geworden, standen im Champions-League- und im DFB-Pokal-Finale. Das war ein Riesenerfolg, wurde aber als Niederlage für den Verein gewertet - unfassbar!

SPOX: War Michael Ballack wirklich nie besser als 2002?

Toppmöller: Nein. Das 2:2 in Manchester war eines seiner besten Spiele überhaupt. Er hat taktisch perfekt gespielt. Leider hat er bis heute keinen ganz großen Titel gewonnen. Ballacks Berater Michael Becker, der ein guter Freund von mir ist, hat vor seinem Wechsel zu Chelsea gesagt: 'Ballack gewinnt mit Chelsea zwei Mal die Champions League und wird drei Mal englischer Meister.' Danach sieht es nun aber nicht aus. Dass er beim 0:1 gegen Inter Mailand so früh ausgewechselt wurde, war sehr enttäuschend für Ballack.

SPOX: Inter, Barcelona, Manchester, Bayern - wer gewinnt die Champions League?

Toppmöller: Gute Frage. Es gibt keine Garantie, aber der FC Barcelona ist mit Abstand die beste Mannschaft. Da passt einfach alles. Barca hat technische perfekte Fußballer, die den Gegner erdrücken können und dazu auch noch kompakt stehen.

SPOX: Welchen Eindruck haben die Bayern gegen Manchester hinterlassen?

Toppmöller: Die Bayern haben völlig verdient 2:1 gewonnen. Von United war ich enttäuscht. Und ich habe Fergusons Auswechslungen nicht verstanden.

SPOX: Inwiefern?

Toppmöller: Er lässt von Anfang an ein System mit drei Offensiven spielen und nimmt trotz 1:0-Führung zwei defensive Mittelfeldspieler raus und bringt mit Luis Valencia und Dimitar Berbatow zwei offensive Leute. Das begreife ich nicht. Was wollte Ferguson erreichen? Das Duell mit Bayern schon im Hinspiel endgültig entscheiden? Er hat doch 1:0 geführt. Wäre es dabei geblieben, wäre Manchester schon so gut wie im Halbfinale. Das war sehr ungewöhnlich für Ferguson. Er hat sich vercoacht.

SPOX: Sie haben 2002 vor den Duellen mit Manchester sehr von Ferguson geschwärmt.

Toppmöller: Er ist der beste Trainer der Weltgeschichte. Ich habe höchsten Respekt vor ihm. Es ist beeindruckend, was er in Manchester seit 1986 auf die Beine gestellt hat. Wir sind befreundet und schreiben uns ab und zu.

SPOX: Ferguson wollte schon ein paar Mal aufhören. Kann er nicht von seiner Leidenschaft lassen?

Toppmöller: Nein. Ferguson lebt Fußball, so wie Otto Rehhagel oder ich. Man lebt mit Fußball, man stirbt mit Fußball. Ich habe mir mal nachts um 3 Uhr Australien gegen Iran gesehen und anschließend Mehdi Mahdavikia nach Bochum geholt. Hinter ihm waren viele Vereine her, aber ich war schneller.

SPOX: Was trauen Sie den Bayern am Mittwoch in Manchester zu?

Toppmöller: Alles. Wenn Arjen Robben und Franck Ribery fit sind, haben die Bayern die geilere Mannschaft. Manchester ist auch ohne Wayne Rooney stark genug, zuhause 1:0 zu gewinnen. Aber dieses Tor müssen sie erst mal machen.

SPOX: Würden Sie im Old Trafford mit Robben, Ribery und zwei Stürmern spielen?

Toppmöller: Absolut. Wenn Ribery und Robben über außen in die Spitze drücken, wird es für jeden Gegner gefährlich. Dazu kommt Ivica Olic - ein super Spieler. Wenn Klose und Gomez wie im Hinspiel auf der Bank sitzen, muss die Konkurrenz im Sturm schon fast übermächtig sein.

SPOX: Hat man im Old Trafford nur eine Chance, wenn man voll dagegenhält wie Leverkusen 2002?

Toppmöller: Ich glaube nicht, dass Manchester vorhat, die Bayern gleich am Anfang zu überrennen. Sie haben 90 Minuten Zeit, das 1:0 zu erzielen. Und sie wissen natürlich um die Gefahr, die von Robben und Ribery ausgeht. Es wird kein Spiel mit offenem Visier.

SPOX: Haben Sie Louis van Gaal zugetraut, dass er in seiner ersten Saison im April noch drei Titel holen kann?

Toppmöller: Die Bayern müssen mit ihrem Potential deutscher Meister werden. Ich habe eher erwartet, dass sie zu diesem Zeitpunkt schon 15 Punkte Vorsprung haben.

SPOX: Wann sehen wir Sie wieder auf der Trainerbank?

Toppmöller: Ich habe lange mit Nigeria verhandelt. Ich war mit Lars Lagerbäck in der Endausscheidung. Der Verband hat sich dann für Lagerbäck entschieden.

SPOX: Schade eigentlich.

Toppmöller: Absolut, ich war schon sehr weit. Die Verhandlungen begannen im November letzten Jahres. Bei der WM dabei zu sein, wäre ein Highlight gewesen. Ich habe mir alle Spiele des Afrika-Cups angeschaut und war bestens informiert. Leider hat es nicht geklappt. Aber ich habe noch genügend andere Angebote.

SPOX: Aus Deutschland?

Toppmöller: Ja, zudem aus Griechenland und der Türkei. Aber das richtige Angebot war noch nicht dabei. Es war kein Verein dabei, bei dem ich das Gefühl hatte, es geht sportlich richtig bergauf.

Klaus Toppmöller im Steckbrief