Jedes Jahr ein Bonus

Von Benedikt Treuer
Fülle in der Breite: Mainz hat die Abgänge von Geis und Okazaki durch Quantität wettgemacht
© getty

Vor dem Start der 53. Bundesliga-Saison stellt SPOX die 18 Klubs vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: 1. FSV Mainz 05.

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Mainz 05 ist aus der Bundesliga nicht mehr wegzudenken. Jürgen Klopp und Thomas Tuchel formten den Verein in Zusammenarbeit mit Manager Christian Heidel zu einem etablierten Erstligisten, der nach wie vor mit seiner frechen, unbekümmerten Spielweise zu gefallen weiß.

In der vergangenen Saison sollte mit der Verpflichtung von Kasper Hjulmand der nächste Entwicklungsschritt folgen. Die Hoffnung war da, dass es die Nullfünfer tatsächlich auch einmal in die Hauptrunde eines europäischen Wettbewerbs schaffen. Doch wieder scheiterte der FSV in der Quali.

Nicht nur das: Auch in der Liga war Mainz weit weg von dem Fußball, den man sich in Rheinhessen vorstellt bzw. der einfach zu Mainz 05 gehört: Emotion, Leidenschaft und Tempo gingen unter Hjulmand verloren. Es zeigte sich: Wer die Mainzer Mentalität nicht schon in sich trägt, bevor er beim FSV anheuert, hat es ganz schwer, diese unter Druck noch zu erlernen.

Ob "In unserem Herz ein Doppelrad", wie der Slogan der Mainzer Ultras lautet, oder "Mainz bleibt Mainz, wie's singt und lacht", wie der Volksmund sagt: Die Botschaft ist klar - die Identifikation muss stimmen. Das gilt für Spieler genauso wie für den Trainer.

Aus diesem Grund griffen Heidel und Strutz wieder zu Trick 17: Martin Schmidt, wie Tuchel und Klopp ein Mann aus den eigenen Reihen, wurde zum Cheftrainer der Profis befördert. Seitdem ist der Trend zum alten Euphoriefußball wieder erkennbar.

Zur neuen Saison hat Schmidt nun erstmals die Chance, die komplette Vorbereitung mit dem Team zu absolvieren. Wie immer haben Mainz aber wichtige Leistungsträger verlassen - und wie immer stellt sich die Frage: Wie soll der FSV diese Abgänge auffangen?

Das ist neu:

Mit Johannes Geis, Shinji Okazaki und Nicolce Noveski haben drei feste Größen der vergangenen Saison den Klub verlassen. Auch Jonas Hofmann, der zum BVB zurückgekehrt ist, wird den Mainzern fehlen. Von einem Umbruch zu sprechen, wäre aber falsch bzw. würde der mittlerweile Normalität gewordenen Entwicklung des Vereins nicht gerecht werden. Denn Mainz steckt immer im Umbruch - was den Kader betrifft, nicht die Philosophie.

"Wir müssen nicht in Utopien verfallen. Wir werden immer ein Verein sein, der darauf angewiesen ist, junge, talentierte Spieler aus- und weiterzubilden und diese ins Schaufenster zu stellen, um dadurch Transfererlöse zu erzielen. Alles andere ist Illusion und wäre eine völlig falsche Einstellung", stellte 05-Präsident Harald Strutz unlängst im SPOX-Interview klar.

Enstprechend hat der FSV vergleichsweise wenig der erzielten Erlöse wieder in neue Spieler investiert. Der Mainzer Königstransfer des Sommers ist aber sicherlich Fabian Frei. Etwa fünf Millionen Euro Ablöse hat der 26-Jährige vom FC Basel die Rheinhessen gekostet. Der Schweizer Nationalspieler bringt zwar ähnliche Fertigkeiten wie Geis mit, ist technisch sicherlich aber nicht ganz so beschlagen wie sein Vorgänger.

Zudem stockten die Mainzer die klamme Offensive durch die Transfers von Yoshinori Muto, Florian Niederlechner (mit 15 Treffern drittbester Zweitliga-Torschütze der letzten Saison) und Maximilian Beister quantitativ auf. Inwiefern sie sich auch qualitativ als echte Verstärkungen erweisen, ist selbst für die FSV-Verantwortlichen aktuell noch eine große Wundertüte.

Die Youngsters der Vorbereitung: Ich bin dabei, du bist dabei

Vor allem der 23-jährige Muto, der vom FC Tokio kam, bewies in den Tests, dass er zu den Top-Kandidaten für die Nachfolge von Jonas Hofmann gehört. Mutos Schnelligkeit und Technik machen ihn sowohl zu einer Alternative für die Außenbahnen als auch für den Sturm.

Zudem wurden in Danny Latza, Leon Balogun und Henrique Sereno weitere Spieler mit Potenzial verpflichtet. Während Balogun, der aus Darmstadt kam, und Sereno schon Alternativen für die erste Elf darstellen, muss Latza erst noch ranklotzen.

Die Taktik:

Grundsätzlich wird Martin Schmidt wieder auf das bewährte 4-2-3-1 vertrauen. Das Mainzer Herzstück ist das Zentrum. Das Grundgerüst mit Karius im Tor, der Innenverteidigung Bungert/Bell, den Sechsern Frei/Baumgartlinger und dem kreativen Malli als hängende Spitze steht. Um diese Achse herum ist bei den Nullfünfern aber viel möglich.

Angefangen auf den defensiven Außenbahnen: Brosinski hat sich aufgrund vergangener Verdienste und einer überzeugenden Vorbereitung seinen Platz in der Viererkette erst einmal gesichert. Neuzugang Balogun muss sich zunächst hinten anstellen, wobei er in den Tests bewies, dass er auch eine gute Alternative zu den Innenverteidigern ist.

Links hinten wird Schmidt wohl am häufigsten rotieren. Je nach Gegner und taktischer Ausrichtung können der offensivere Bengtsson oder der tiefer verteidigende Joo-Ho Park eingesetzt werden.

Besonders spannend wird auch die Besetzung der offensiven Außenbahnen und des Sturmzentrums. Aufgrund der Kaderzusammenstellung ist ein System mit zwei echten Stürmern eher nicht denkbar. Vielmehr wird Schmidt auf durchsetzungsfähige Außenspieler und einen Stoßstürmer setzen.

Links und rechts haben Jairo, der seinen Platz eigentlich sicher hat, und Clemens die Nase vorn. Beister muss sich erst noch finden, wird auf den Flügeln oder in der Sturmspitze im Laufe der Vorrunde aber sicherlich eine Option. Zu Beginn hat Niederlechner als Sturmtank beste Chancen auf Einsätze. Sobald de Blasis nach seiner Verletzung aber wieder fit ist, wird er wohl die erste Wahl sein. Auch Muto hat in der Vorbereitung gezeigt, dass er den Ball in der Spitze behaupten und gut verteilen kann.

Der Spieler im Fokus:

Yunus Malli. Schon in der vergangenen Saison - gerade zum Ende hin - gehörte der deutsche U21-Nationalspieler zu den wichtigsten Offensiv-Kräften. Während Ja-Cheol Koo immer noch nicht vollends überzeugte und Formschwankungen unterlag, nutzte der quirlige Youngster seine Chance und trug mit sechs Saisontoren und vier Vorlagen maßgeblich zum Klassenerhalt bei.

"Es war in jedem Fall mein erfolgreichstes Jahr. Ich bin bei Mainz zum Stammspieler gereift, habe mich in der Rückrunde nochmal gesteigert. Es war ein rundum gelungenes Jahr und diesen Schwung will ich in die neue Saison mitnehmen. Ich muss in meinen Leistungen noch konstanter werden", bilanzierte Malli gegenüber SPOX.

Gelingt ihm das, wird er - gerade nach dem Abgang von Geis - noch mehr zum Fixpunkt im Mainzer Angriffsspiel reifen. Mallis Kreativität und Übersicht werden gefragt sein. Gut möglich, dass er im nächsten Sommer der nächste Leistungsträger ist, über dessen Nachfolge man beim FSV diskutieren muss. Immerhin: Malli hat seinen Vertrag in Mainz gerade erst bis 2018 verlängert.

Die Prognose:

"Wir werden in den nächsten Jahren immer darum kämpfen, weiter in der Bundesliga zu spielen. Viele nehmen das gar nicht mehr richtig wahr, weil sie sich schon daran gewöhnt haben", sagte Strutz gegenüber SPOX. Viel treffender hätte er die Ansprüche des Vereins nicht formulieren können.

Denn auch wenn sich der FSV mittlerweile in der Bundesliga etabliert hat, empfindet man es in Mainz jedes Jahr aufs Neue als Bonus, weiter in der obersten Spielklasse zu kicken. Entsprechend wäre eine Platzierung im gesicherten Mittelfeld auch in dieser Saison wieder ein Erfolg.

Die Abgänge der Leistungsträger wiegen wie immer schwer. In Mainz werden sich um Malli aber wieder neue Führungsspieler hervortun, die dem FSV letztlich wieder den Klassenerhalt bescheren. Ein Sprung in die obere Tabellenhälfte ist unwahrscheinlich. Gelingt es Schmidt jedoch, den Zusammenhalt der letzten Jahre mit etwas mehr Offensivdrang zu impfen, ist durchaus auch ein 9. Platz drin.

"Mit Mainz 05 wollen wir mitten in den Herzen unserer Fans und unserer Stadt landen", definierte Schmidt die Zielsetzung im kicker. Das wird dem FSV auch in diesem Jahr gelingen.

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