Kommentar - Julian Nagelsmann: Das Ein-Mann-Bollwerk beim FC Bayern

Von Stefan Rommel
Julian Nagelsmann kauften die Bayern im Sommer 2021 für 25 Millionen Euro aus dessen Vertrag in Leipzig.
© getty

Kein Gejammer, kein Gezeter - stattdessen klare und direkte Ansagen: Julian Nagelsmann bleibt seiner erstaunlich offenen Art treu und damit weiter ein Vorbild für einige andere Entscheidungsträger beim FC Bayern. Ein Kommentar.

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Schon mal von Romario Rösch gehört? Von Kaito Mizuta oder Timothe Rupil? Oder Ben Bobzien? Mit dem Quartett, sowie Oldie Stephan Fürstner und Regionalligaspieler Niklas Tauer im Kader beziehungsweise sogar in der Startelf, musste Mainz 05 die erste Partie dieser Saison gegen RB Leipzig angehen.

Insgesamt 14 Corona-Fälle suchten die Mainzer im August heim, in einer Zeit also, als das Virus mit allen seinen Folgen weit weg schien. Eine komplette Mannschaft fehlte Trainer Bo Svensson damals, großes Wehklagen war aus Mainz deshalb aber nicht zu hören. Mainz siegte übrigens auch mit einer 1B-Mannnschaft gegen den Favoriten.

Vielleicht konnte sich Julian Nagelsmann daran erinnern, vielleicht war er einfach nur gut vorbereitet. Jedenfalls bemühte er sich am Donnerstag um eine ähnlich geräuschlose Kulisse in einer selbst für den FC Bayern schwierigen Zeit.

Zehn Spieler fehlen dem Cheftrainer beim Rückrundenauftakt gegen Borussia Mönchengladbach wegen Corona und es wäre für Nagelsmann ein Leichtes gewesen, bereits vor der Partie nach Ausreden zu suchen oder sich jetzt schon mit einigen vagen Andeutungen ein paar Brücken zu bauen, sollte seine Mannschaft am Freitagabend gegen Gladbach stolpern.

Nagelsmann: "Das kann man schon mal aushalten"

Stattdessen verwies Nagelsmann darauf, dass seine Mannschaft ja auch neun Punkte Vorsprung auf Verfolger Dortmund habe und immer noch genug (offensive) Qualität besäße, um ein Bundesligaspiel gegen einen zuletzt böse durchgerüttelten Gegner zu gewinnen - wenngleich auf der Bank ein paar unbekannte Gesichter Platz nehmen dürften.

Lucas Copado, Taylor Booth, Jamie Lawrence, Paul Wanner, Arjon Ibrahimovic, Bright Arrey-Mbi und Routinier Nico Feldhahn sind Kandidaten für den Spieltagskader, einige der Teenager mussten die Bayern extra einfliegen lassen. 16-, 17-jährige Burschen haben die Münchener am Freitag mitunter auf der Bank, das ist tatsächlich ungewöhnlich. Aber eben auch kein Grund, nun in voreiligem Gehorsam oder weil die Spieler ein paar Flugkilometer zu absolvieren hatten, die schützende Hand über die Nachwuchskräfte zu halten. Im Gegenteil.

"Das kann man erwarten von zwei 16-Jährigen, die bei den Profis trainieren dürfen", sagte Nagelsmann. "Man muss nicht alle immer in Watte packen, das kann man schon mal aushalten. Die werden heute überall hingefahren und hingeflogen. Ich musste mir als Jugendlicher noch selbst ein Monatsticket kaufen - das kennen die heute gar nicht mehr: Ein Monatsticket."

Keine weiteren Probleme dank Nagelsmann

Das ist schon recht direkt und geradeaus, genauso wie Nagelsmann auch alle anderen Fragen beantwortete: Jene nach der möglichen Spielverlegung, ob er denn Rachegelüste verspüre nach der Pokal-Demütigung gegen Gladbach oder der nach Leon Goretzkas Gesundheitszustand. Nagelsmann referierte über die Probleme, die der Nationalspieler immer noch mit sich herumschleift und dass Goretzka noch länger ausfallen könnte.

Die meisten Trainer der Liga bleiben in einer solchen Fragerunde eher zurückhaltend, schwammig oder blocken bei Fragen zur Gesundheit der Spieler komplett ab. Die Bayern haben da aktuell einen Trainer sitzen, der wenig bis gar nicht taktiert und das tut dem Klub speziell in seiner aktuellen Lage sehr gut. Denn momentan haben die Bayern genau eine Sache, mit der sie wuchern können: Dass es sportlich hervorragend läuft und Mannschaft wie Trainer zusätzliche Probleme in diesem Bereich erst gar nicht zulassen.

Nagelsmann ein Vorbild für andere im Klub

Drumherum passiert schon genug und das Bild des Klubs in der öffentlichen Wahrnehmung hat sich auch trotz der kurzen Weihnachtspause nicht positiv gewandelt. Die leidigen Themen Corona, Impfungen, Katar, der Rassismus-Skandal und die kolportierten Mindestlohn-Vergehen am Campus sind ja immer noch da. Zu einigen - und aus Trainersicht definitiv zu vielen - äußert sich Nagelsmann ebenso regelmäßig wie geduldig.

Nun war die Veranstaltung am Donnerstag als Spieltagspressekonferenz deklariert und auf einer solchen spricht in der Regel der Cheftrainer zum Volke und sonst niemand. Den anderen Mitstreitern beim FC Bayern kann man also nicht vorwerfen, dort nicht auch aufgetaucht zu sein.

Aber vielleicht schaut und hört der eine oder andere ja mal genau hin, auf welche Art und Weise Nagelsmann selbst unangenehme oder komplexe Sachverhalte versucht zu erläutern. Seine Vorgesetzten spielen in der Beziehung nicht in derselben Liga.

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