FC Bayern München: Fragen und Antworten zur drohenden Haftstrafe von Lucas Hernandez

Von Nino Duit und Ulli Ludwig
Lucas Hernandez
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Lucas Hernandez vom FC Bayern München muss sich am 19. Oktober vor der spanischen Justiz verantworten. Wie ist die Sachlage? Und muss der 25-jährige Franzose tatsächlich in Haft? Fragen und Antworten.

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Wie ist die Sachlage bei Lucas Hernandez?

Laut eines SPOX und Goal vorliegenden Gerichtsbeschlusses des Madrider Strafgerichts 32 vom 14. September 2021 liegt bei Lucas Hernandez ein "Verstoß gegen ein Urteil oder eine einstweilige Verfügung" vor. Deshalb müsse Hernandez "um 11 Uhr am 19. Oktober 2021 vor diesem Gericht erscheinen, damit er sich innerhalb von zehn Tagen freiwillig in eine Justizvollzugsanstalt seiner Wahl begibt". Die Haftstrafe soll sechs Monate betragen.

Bei besagtem Urteil, gegen das Hernandez verstoßen haben soll, handelt es sich vermutlich um ein Kontakt- und Annäherungsverbot (Artikel 48 Penal Code) gegenüber seiner damaligen Freundin und heutigen Frau Amelia de la Ossa Lorente. Dieses Verbot war im Februar 2017 in Folge einer handgreiflichen Auseinandersetzung auf offener Straße zwischen den beiden verhängt worden.

Nachdem sich Hernandez und de la Ossa Lorente, die mittlerweile einen gemeinsamen drei Jahre alten Sohn haben, versöhnt hatten, reisten sie für ihre Hochzeit in die USA. Bei ihrer Rückkehr am 13. Juni 2017 wurde das Paar aber am Madrider Flughafen abgefangen. Probleme bekam jedoch nur Hernandez, weil seiner Frau das Urteil mit dem sechsmonatigen Kontaktverbot zu diesem Zeitpunkt offenbar noch nicht offiziell zugestellt worden war.

Beim darauffolgenden Prozess im Dezember 2019 wurde Hernandez mit einer sechsmonatigen Haftstrafe belegt. Auch, weil er den Spruch eines Richters "bei vollem Bewusstsein" mit "absolutem Hohn" quittiert habe, wie die Süddeutsche Zeitung aus dem entsprechendem Urteil zitiert.

Was passierte bei der Auseinandersetzung 2017?

Hernandez soll nachts alkoholisiert nach Hause gekommen und vor der Haustüre auf seine damalige Freundin Amelia de la Ossa Lorente getroffen sein, woraufhin es zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen sei.

De la Ossa Lorente habe Hernandez' Handy sehen wollen. Als dieser sich weigerte, soll sie ihn mit einem Schlüssel am Hals und im Gesicht verletzt haben. Daraufhin habe er sie gepackt und dabei am Rücken, am Kiefer und an der Lippe verletzt.

Anschließend wurden beide festgenommen und zu einem sechs Monate gültigen wechselseitigen Kontaktverbot von mindestens 500 Metern sowie je 31 Tagen Sozialarbeit verurteilt.

Lucas Hernandez und Amelia de la Ossa Lorente nach seinem Wechsel 2019 zum FC Bayern München.
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Lucas Hernandez und Amelia de la Ossa Lorente nach seinem Wechsel 2019 zum FC Bayern München.

Muss Lucas Hernandez tatsächlich in Haft?

Hernandez' Anwälte versuchen einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge, die Haft- in eine Geldstrafe umzuwandeln. Ein erster entsprechender Antrag sei aber abgewiesen worden. Auf jeden Fall muss Hernandez am Dienstag in Madrid vor Gericht erscheinen. Ansonsten würde er international zur Fahndung ausgeschrieben werden. Sehr wahrscheinlich sei, dass die Anwälte von Hernandez dann erneut Einspruch einlegen werden, um die drohende Haft so lange wie möglich aufzuschieben. Das letzte Wort hätte dann das Landgericht Madrid, die nächsthöhere Instanz.

Eine Haftstrafe auf Bewährung kommt bei Hernandez nicht in Frage, weil er von der spanischen Justiz bereits zuvor wegen eines anderen Falls von häuslicher Gewalt rechtskräftig verurteilt worden war. Er gilt somit als Wiederholungstäter.

In Deutschland wäre Hernandez der Ärger mit der Justiz übrigens eher erspart geblieben. "Nach deutschem Recht würde das nicht passieren. Da wäre eine Strafbarkeit nicht gegeben, weil das Opfer eingewilligt hat, sich mit dem Täter wieder zu treffen", erklärte die in Dresden tätige Rechtsanwältin Dörte Lorenz im Gespräch mit SPOX und Goal. Sie ist seit 2006 Fachanwältin für Familienrecht und seit 2016 auch Fachanwältin für Sozialrecht. "Hierzulande würde der Verstoß gegen den Gewaltbeschluss oftmals nur gegen Strafantrag verfolgt."

Heißt: In Deutschland wäre Hernandez nur dann verfolgt worden, wenn seine Frau de la Ossa Lorente den Verstoß gegen das Kontaktverbot gemeldet hätte. In Spanien ist die Rechtslage anders, damit geschädigte Personen nicht unter Druck zu einer Versöhnung gedrängt werden.

Was bedeutet das für den FC Bayern München?

Sowohl die Auseinandersetzung mit de la Ossa Lorente im Februar 2017 als auch die Festnahme am Flughafen ein halbes Jahr später war medial thematisiert worden. Die Verantwortungsträger des FC Bayern München mussten über die Probleme also Bescheid gewusst haben, als sie Hernandez 2019 für die bis heute gültige Rekordsumme von 80 Millionen Euro verpflichtet haben.

Trotzdem sei man im Klub dem Vernehmen nach über die Entwicklungen in der Causa überrascht, obwohl auch über die Verurteilung zu sechs Monaten Haft wenige Wochen nach dem Wechsel berichtet worden war. Eine offizielle Stellungnahme wollte ein Klubsprecher gegenüber SPOX und Goal nicht abgeben.

Der FC Bayern reist am kommenden Dienstag, dem Tag der Gerichtsvorladung, zum Champions-League-Spiel gegen Benfica nach Lissabon. Theoretisch könnte Hernandez über den Umweg Madrid nachreisen und beim Spiel zum Einsatz kommen. Vor der dann beginnenden Zehntagefrist bis zu einem möglichen Haftantritt stehen noch die Spiele in der Bundesliga gegen die TSG Hoffenheim (23.10.) und im DFB-Pokal bei Borussia Mönchengladbach (27.10.) an.

Hernandez war während seiner ersten beiden Jahre beim FC Bayern wegen wiederkehrender Verletzungsproblemen und starker Konkurrenz nur vereinzelt zum Zug gekommen. Nachdem er den Beginn dieser Saison wegen eines Meniskusrisses verpasst hatte, erkämpfte er sich zuletzt einen Stammplatz in der Innenverteidigung. Mit Frankreich gewann er am Sonntag die Nations League, am Dienstag war er nach München zurückgekehrt.

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