Kommentar zum Abschied von Uli Hoeneß beim FC Bayern: Aus der Zeit gefallen

Uli Hoeneß erlebte bei der Jahreshauptversammlung einen emotionalen Abschied.
© getty

Uli Hoeneß wird bei seinem Abschied als Präsident des FC Bayern noch einmal gefeiert. Doch sein letzter Auftritt zeigt auch, dass es dringend Zeit war zu gehen. Ein Kommentar.

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"Das war's, ich habe fertig", sagte Uli Hoeneß am Ende seiner letzten Rede als Präsident des FC Bayern. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass er ab sofort das Privatleben auf seinem Anwesen in Bad Wiessee genießt.

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Vielmehr gab der 67-Jährige noch weit nach Mitternacht auf einer Pressekonferenz zu verstehen, dass er nun viel mehr Freiheiten für Klartext habe, weil er sich keine präsidiale Zurückhaltung mehr auferlegen müsse. Spontane Wutreden wie kürzlich im Doppelpass könnten also wieder häufiger werden. Ob das seinem Image förderlich ist oder Hoeneß damit eher weiter sein eigenes Denkmal zerstört, ist die andere Frage.

Uli Hoeneß: Nicht mehr auf der Höhe der Zeit

Denn die zweite Ära als Bayern-Präsident nach der Haft wegen Steuerhinterziehung ab 2016 hat gezeigt, wie sehr der einstige Pionier und Trendsetter aus der Zeit gefallen ist. Das wurde besonders deutlich, als er in seiner Abschiedsrede am Freitagabend über seine Anfänge als Manager vor 40 Jahren sprach. Die Wende vom hoch verschuldeten Klub zum wirtschaftlich und sportlich glänzend dastehenden Vorzeigeverein gelang auch deshalb, weil Hoeneß sich bei Reisen in die USA und zu internationalen Topklubs wie Manchester United schlau machte, wie man Marketing, Merchandising sowie Medien- und Fanarbeit perfektioniert.

Diese Innovationsfähigkeit hat der FCB-Boss bei der größten Veränderung der jüngeren Geschichte, der Digitalisierung, fast komplett vermissen lassen. Dass sich Hoeneß nach mehr als zwei Jahrzehnten noch immer wehrt, "ins alberne Internet" zu schauen und mit dieser Verweigerungshaltung in seiner herausgehobenen Position längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist, ist bezeichnend für sein Rollenverständnis. Der FC Bayern war zuletzt nicht wegen, sondern trotz seines Präsidenten erfolgreich, weil vom Aufsichtsrat über den Vorstand bis zu den einzelnen Abteilungen die Chancen der neuen Zeiten erkannt und konsequent genutzt wurden.

Hoeneß begriff und begreift sich dagegen als Patriarch, der weiß, was gut für das selbst ernannte Familienunternehmen FC Bayern ist. Der große Unterschied gegenüber den ersten Jahrzehnten in der Führung des Rekordmeisters: Trotz seiner konfrontativen und sehr direkten Art lag der Bauchmensch meist richtig, etwa bei den Diskussionen um den Kokain-Skandal von Christoph Daum.

Uli Hoeneß und sein Problem mit der "Majestätsbeleidigung"

Zuletzt aber wurde der Kreis derjenigen, die sich nach Hoeneß' Auftritten Kopf schüttelnd abwendeten, immer größer. Die Wortmeldungen gegen ihn bei der Jahreshauptversammlung 2018, die maßgeblich zu seinem Rückzug beitrugen, waren teilweise sicherlich heftig und auch polemisch. Aber viele Vorwürfe, vor allem der Umgang mit Kritikern wie Paul Breitner oder die fragwürdigen Geschäftsverbindungen nach Katar, sind nachvollziehbar und im Rahmen einer Aussprache eines eingetragenen Vereins absolut zulässig.

Doch wie schwer sich der alternde Hoeneß mit dieser Art von "Majestätsbeleidigung" tut, zeigte auch die diesjährige Versammlung. Bis zu den Wortmeldungen sei es ein sehr schöner Abend gewesen, meinte der frisch ernannte Ehrenpräsident mit Blick auf die mehrstündigen Huldigungen seiner Amtszeit. Dann aber sei wie immer "unter dem Deckmantel der Demokratie" das Chaos ausgebrochen.

Nach Vorwürfen unter anderem an der Beförderung von Hasan Salihamidzic zum Sportvorstand und dem Verhalten von Karl-Heinz Rummenigge gegenüber Niko Kovac verstieg sich Hoeneß sogar zu der These, die Anhänger müssten sich doch nur beim Vorstand an der Säbener Straße melden, dann würden sie auf alle Fragen Antworten bekommen. Da sie aber stattdessen bei der Jahreshauptversammlung ihr verbrieftes Recht auf freie Meinung nutzten, ging es ihnen mit ihren "hanebüchenen Vorwürfen" nur "um eine Bühne, sich zu produzieren". Die aus Hoeneß' Sicht logische Schlussfolgerung: Diese angeblich "40, 50 Krakeeler" sollten aus dem Verein austreten, "wenn es ihnen nicht passt. Dann haben wir wieder Ruhe".

Uli Hoeneß: Gerade noch rechtzeitig den Abtritt auf großer Bühne geschafft

So blieb der letzte Eindruck eines Mannes, der gerade noch rechtzeitig den Abtritt auf der großen Bühne geschafft hat und daher noch einmal völlig zu Recht für seine enormen Verdienste um den Verein und auch den deutschen Fußball bejubelt wurde. Natürlich ist der Abschied eine Zäsur und hinterlässt eine große Lücke, aber er trifft den Rekordmeister nicht unvorbereitet.

Hoeneß kann zudem in dem guten Gewissen gehen, dass er die Weichen beim FC Bayern im Sinne seines Vermächtnisses gestellt hat: Außer Rummenigge, der spätestens in zwei Jahren abtritt, ist nahezu der komplette Vorstand vom Patriarchen ausgewählt worden, inklusive des am Freitag begeistert gefeierten künftigen Vorsitzenden Oliver Kahn. Gleiches gilt für seinen guten Freund, den neuen Präsidenten und Aufsichtsratsboss Herbert Hainer.

Somit könnte sich Hoeneß als weiser Mann vom Tegernsee endgültig aus dem Tagesgeschäft zurückziehen. Seine verbliebenen Fans hoffen aber auf das Gegenteil. Und nicht nur seine Kritiker, sondern auch viele, die es gut mit ihm meinen, befürchten genau das.

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