Thomas Müller und sein starkes Startelf-Comeback beim FC Bayern: Im Einklang mit Raum und Zeit

Von Jonas Rütten
"Ich bin auch noch da!": Thomas Müller gab im Topspiel gegen Borussia Mönchengladbach sein Startelf-Comeback nach einem Monat in der Rolle des Reservisten und überzeugte.
© getty

Die Spielzeiten des FC Bayern München und die des Thomas Müller verliefen über weite Strecken synchron: Lief es bei Müller gut, lief es beim FC Bayern. So wie zu Beginn der Saison. Lief es beim Rekordmeister nicht, lief es auch bei Müller nicht. So wie im Herbst. Doch dann bekam das bajuwarisch-müller'sche Raum-Zeit-Kontinuum einen Riss, den Müller erst in Gladbach selbst kittete. Die Gelegenheit dazu bekam er jedoch notgedrungen.

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"Ich habe keins mehr." Thomas Müller enttäuschte die Fans des FC Bayern an diesem denkwürdigen Samstag im Gladbacher Borussia Park nur ein einziges Mal. Als diese nämlich beim Gang in die Katakomben sein Trikot forderten, hatte Müller schon sein letztes Hemd hergegeben und trug eine graue Trainingsjacke.

Das Bayern-Jersey mit der Nummer 25, es war nicht das unbegehrteste Accesoire, das man als Anhänger des Rekordmeisters nach dem 5:1-Kantersieg beim Champions-League-Kandidaten aus Mönchengladbach erbeuten konnte. Denn 86 Minuten lang war Müller einer der umtriebigsten Akteure in einer starken Münchner Mannschaft gewesen.

"Comebacker des Tages", nannte sich Müller nach der Partie und traf damit den Nagel auf den Kopf. Das Spiel am Niederrhein, es war sein Spiel. Er hatte ihm seinen Stempel aufgedrückt, zahlreiche gute Angriffe und Großchancen mit guten Pässen initiiert und selbst noch zum zwischenzeitlichen 2:0 getroffen.

Kovac: Thomas Müller? "Sowas brauchen wir beim FC Bayern"

Es war auch sein Spiel, weil es das Erste von Beginn an war, nachdem er vier Mal in Folge zunächst auf der Bank Platz nehmen musste. Eine Zeit, in der er, der doch eigentlich nach Spielen immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hat, schwieg. "Da kommt nichts Gescheites raus", hatte er noch vor einer Woche nach dem Heimsieg über Hertha BSC gesagt.

Gesprochen hatte Müller in dieser Zeit dennoch, allerdings "nur noch hinter den Kulissen", wie er selbst nach seinem starken Startelf-Comeback in Gladbach zugab. Was auch immer hinter den Kulissen an der Säbener Straße gesprochen wurde, es hatte gewirkt. Nicht nur bei Müller selbst, sondern auch bei der Mannschaft, deren Spiel gegen die Borussia "mit das Beste war, was wir in dieser Saison abgeliefert haben", wie Trainer Niko Kovac es formulierte.

Angesprochen auf Müllers starken Auftritt, hob jener Kovac besonders die verrichtete Arbeit des wiedergeborenen Raumdeuters, als den sich Müller einst selbst charakterisierte, hervor. "Defensiv hat er es richtig gut gemacht", sagte der 48-Järige und spielte damit auf die Tatsache an, dass Müller hinter Thiago die meisten Zweikämpfe aller Bayern-Spieler führte und außerdem die meisten Sprints aller 22 Akteure machte, die von Beginn an auf dem Platz standen.

Thomas Müller: Statistiken im Topspiel gegen Gladbach

StatistikWert
Ballaktionen53
Torschüsse2
Torschussvorlagen3
Zweikämpfe19
Zweikampfquote42,1 Prozent
Gelaufene Kilometer11,14 Kilometer
Sprints34
Passquote77,4 Prozent
Tore1

Personalsorgen beim FC Bayern werden zur Chance für Thomas Müller

"Sowas brauchen wir als FC Bayern", meinte Kovac, aber dass Kovac Müller ausgerechnet gegen Gladbach dringend gebraucht hatte, lag auch an der prekären Personallage beim Rekordmeister vor der Partie. Kingsley Coman (Muskelfaserriss), Franck Ribéry (Magen-Darm-Infekt) und Leon Goretzka (Sprunggelenksprobleme) waren allesamt nicht mit nach Mönchengladbach gereist. Arjen Robben fehlte ohnehin. Müllers Konkurrenten um einen Platz in der Startelf waren demnach Alphonso Davies und Woo-yeong Jeong, die vor einer Woche noch in der Regionalliga gegen die Reserve des FC Ingolstadt gespielt hatten.

Die Personalsorgen, die den FC Bayern im Verlauf der vergangenen Woche so sehr plagten, wurden also zum Glücksfall. Für Kovac und für Müller, der seit Wochen bei größerer Konkurrenz stets das Nachsehen hatte.

Dabei erhielt das bajuwarisch-müllersche Raum-Zeit-Kontinuum Risse.

Als der FC Bayern sich zu Beginn der Saison anschickte, durch die Liga zu pflügen, spielte auch Müller stark auf (vier Scorerpunkte in den ersten beiden Spieltagen). Als der Rekordmeister in die Krise rutschte, stand auch und besonders Müller in der Kritik. Doch im neuen Jahr, als die Münchner immer mehr Boden auf den BVB gut machten, galt Müller als "Verlierer des Aufschwungs".

Müller bereitet Gladbach Probleme: "Es müllert wieder"

Müller geriet aufs Abstellgleis. Sein selbst beschriebenes "Stärken-Schwächen-Profil"? Zumindest seine Stärken gingen im System von Kovac sowohl im 4-3-3 als auch im 4-2-3-1 immer öfter unter. Doch gegen Gladbach kam es anders. Müller war wieder der Raumdeuter. Nicht greifbar, überall da, um zu helfen, sowohl offensiv als auch defensiv. Mal Rechtsaußen, mal Zehner, mal hängende Spitze, mal neben oder sogar vor Robert Lewandowski.

Gerade mit jenem Lewandowski verstehe er sich "natürlich vorne ganz gut", sagte Müller am Samstagabend. Ein Mal wurde die gute Beziehung zwischen Müller und Lewandowski in Gladbach aber gestört. Müller hatte den Polen wieder einmal brillant in Szene gesetzt, doch der ließ wieder einmal eine Großchance liegen. Die Vierte im Spiel gegen Gladbach. Müller drehte sich ab, schimpfte lauthals, wedelte mit den Armen und haderte sichtlich mit der Chancenverwertung seines Teamkollegen.

Auch wegen solcher Szenen, in denen es aus Müller wie in besten Zeiten hinausbrodelte, stand fest: "Es müllert wieder." Das habe Niklas Süle ihm gesagt, fügte der Nationalspieler grinsend an. Zeit und Raum waren wieder im Einklang. Bayern gut drauf, Müller gut drauf und reichlich Räume in der schwachen Gladbacher Defensive, um sie zu deuten.

Thomas Müller beim FC Bayern unter Kovac wieder gefragt?

Wie wichtig ihm auch persönlich seine starke Leistung gewesen sei, wollte Müller nach dem Spiel in der Mixed Zone nur kryptisch beantworten. Aber natürlich wolle man sich "immer präsentieren und dem Trainer und den Leuten da draußen zeigen, dass man in die Startelf gehört".

Das hat er getan, aber eben notgedrungen, weil Kovac jene Alternativen fehlten, die zuletzt den Vorzug erhalten hatten. Im Achtelfinalrückspiel in der Champions League gegen den FC Liverpool wird Müller gesperrt fehlen. Gut möglich also, dass er schon in der kommenden Woche gegen den VfL Wolfsburg einer dieser Alternativen weichen muss, damit sich eine Startelf einspielen kann, die gegen die Reds auflaufen wird. Fakt ist aber auch, dass ein Müller in der Form auf der Bank verschenkt ist.

Das deutete er selbst an. Gut reingekommen sei er die letzten Male, als er eingewechselt wurde. "Aber das war dann eher fast als Verteidiger, weil wir da immer in Führung lagen", sagte Müller. Wie nachhaltig er sich für die kommenden Wochen empfohlen hat, war an diesem Samstagabend aber noch kein Thema. Dem Abend, an dem der "Comebacker" Thomas Müller geboren wurde und Zeit und Raum wieder im Einklang waren.

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