"Viele legen mir die Aufgabe als Risiko aus"

Valerien Ismael folgte in Wolfsburg als Cheftrainer auf Dieter Hecking
© getty

Valerien Ismael folgte interimsweise als Trainer des VfL Wolfsburg auf Dieter Hecking, ehe er zum Cheftrainer ernannt wurde. Im Interview spricht der Wölfe-Coach über das Risiko seiner Aufgabe, den vorgefundenen Scherbenhaufen und Julian Draxlers Wechselabsichten. Außerdem kann er die öffentliche Kritik am VfL nachvollziehen.

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SPOX: Herr Ismael, kam Ihnen die Länderspielpause gelegen oder wären Sie nach dem 3:0-Sieg in Freiburg gerne im Rhythmus geblieben?

Valerien Ismael: Natürlich wären wir alle gerne im Rhythmus geblieben. Die Pause gibt uns aber die Möglichkeit, nach sehr turbulenten Wochen wieder zur Ruhe zu kommen. Das ist in so einer Phase auch mal wichtig - für die Spieler, für mich, für den ganzen Verein.

SPOX: Wie groß war für Sie denn die Umstellung, wieder im Profi-Bereich zu arbeiten?

Ismael: Rein sportlich gar nicht so groß. Ich kenne den Verein und die Abläufe, tägliche Trainingsarbeit ist auch nichts Neues. Insgesamt bin ich trotz der Unvorhersehbarkeit der Aufgabe gut reingekommen.

SPOX: Und außersportlich?

Ismael: Der Druck ist ein ganz anderer. Ich trage nun eine deutlich größere Verantwortung für den Verein. Dessen ist man sich sofort bewusst, wenn man plötzlich in der Bundesliga arbeitet.

SPOX: Waren Sie überhaupt schon bereit, diesen großen Schritt zu gehen oder hätte der ruhig noch etwas auf sich warten lassen können?

Ismael: Es ist nicht so, als hätte ich mich monatelang auf diese Aufgabe vorbereitet. Das ging jetzt alles sehr schnell. Es ist aber nicht das erste Mal, dass ich als Trainer in den Profi-Bereich rücke.

SPOX: Haben Sie Ihre Lehren aus der damaligen Zeit beim 1. FC Nürnberg gezogen?

Ismael: Damals ist vieles zusammengekommen. Der Verein befand sich in einem Umbruch, der Zeit braucht. Aber die hat man im Fussball nicht. Aber es war eine wichtige Erfahrung für mich, von der ich sicherlich auch jetzt profitieren kann.

SPOX: Empfinden Sie den Trainerposten also auch als Risiko, sollte sich nicht der gewünschte Erfolg einstellen?

Ismael: Es gibt in der Öffentlichkeit sicher viele, die mir diese Aufgabe als Risiko auslegen, und wenige, die sie als Chance begreifen. Ich sehe es vor allem aber auch als Möglichkeit, mit dem gesamten Team wieder Schritte nach vorne zu machen. Nach den ersten Wochen habe ich das Gefühl, dass wir bereits einige Dinge angestoßen haben, um die Mannschaft wieder in die richtige Richtung zu lenken.

SPOX: Sie haben gesagt, als Sie die Mannschaft übernahmen, brauchte das Team erst einmal viel Vertrauen und Lösungen.

Ismael: Die Mannschaft war sehr verunsichert, was der Situation geschuldet war. Wenn der Erfolg ausbleibt, nagt das am Selbstvertrauen - selbst bei Spielern, die über große internationale Erfahrung verfügen. Wir haben in den letzten Wochen viele Einzelgespräche geführt und versucht, den Spielern das Vertrauen in die eigene Leistung zurückzugeben.

SPOX: Fehlte in den vergangenen Monaten also ein klares Konzept?

Ismael: So drastisch würde ich das nicht formulieren. Es gab zu Beginn der Saison auch Spiele, die richtig gut waren. Der erste Sieg in Augsburg zum Beispiel. Oder das Spiel in Hoffenheim: Das hätte der VfL gemäß dem Spielverlauf eigentlich gewinnen müssen. Hätte man da drei Punkte geholt, wäre man heute vielleicht in einer ganz anderen Situation. Der Fußball ist abhängig von einzelnen Momenten. Mal geht es in die eine Richtung, mal in die andere. Da braucht es manchmal auch das Quäntchen Glück.

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SPOX: Von außen war aber nicht immer eine Spielphilosophie zu erkennen. Sehen Sie das anders?

Ismael: Ich möchte mich lieber auf das konzentrieren, was wir jetzt machen. Wer die erste Stunde gegen Leverkusen oder das Spiel in Freiburg gesehen hat, weiß, was von mir verlangt wird. Wir wollen aggressiv und aktiv sein, aber immer aus der Kompaktheit heraus. Das Spielerische kommt automatisch wieder, wenn die Ergebnisse stimmen und sich die Mannschaft wieder mehr zutraut. Momentan geht es aber nur darum, dass wir die Punkte einfahren.

SPOX: Wird Ihre Spielidee beim VfL eigentlich durchgängig von den Profis bis hin zu den Jugendmannschaften gelehrt?

Ismael: Beim VfL Wolfsburg gibt es ein Leitbild, wie wir auftreten möchten. Das gilt vor allem für den Bereich der Profis bis hin zur U17. Darin ist unsere Philosophie verankert. Dennoch haben die einzelnen Trainer bei der Art ihrer Umsetzung ein Stück weit freie Hand. Der Austausch zwischen den Mannschaften ist beim VfL immer sehr gut.

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