Sepp Blatter ist schon wieder auf dem Rückzug. Nachdem der FIFA-Boss in einem Interview mehr oder weniger direkt behauptet hatte, dass Deutschland sich die Weltmeisterschaft 2006 gekauft habe, ruderte er jetzt mit teils wirren Aussagen zurück.
"Man kann immer einen Vorwand finden, um die Rechtmäßigkeit eines Entscheides zu bezweifeln. Man findet bei WM-Vergaben immer einen Grund, um irgendwelche Verschwörungstheorien zu spinnen. Ich glaube nicht an Verschwörungstheorien, sondern nur an Fakten. Solange keine konkreten Beweise vorliegen, dass bei irgendeiner WM-Vergabe etwas schief gelaufen ist, muss und soll man an der Rechtmäßigkeit der Wahl festhalten. Dies gilt für Deutschland ebenso wie für alle anderen Länder. Das ist die Kernaussage meiner Botschaft", schrieb Blatter in einem Offenen Brief in der "Bild"-Zeitung (Dienstag-Ausgabe) und wies damit den Vorwurf der Denunziation zurück.
"Blatter ist schwer angeschossen"
Angriff, Rückzug - und was kommt als nächstes? Der ehemalige Funktionär und langjährige Mediendirektor der FIFA, Guido Tognoni, sieht in Blatters Äußerungen indes reine Taktik.
"Sepp Blatter steckt im Moment wieder einmal in einem Überlebenskampf. Er ist natürlich schwer angeschossen. Immer wenn er ein bisschen bedrängt ist, dann schlägt er um sich", sagte Tognoni am Montag im ARD-"Morgenmagazin".
Dabei hatte gerade dieser Tognoni die von Blatter erhobenen Vorwürfe einer gekauften WM 2006 bereits vergangenes Jahr selbst formuliert. "Die Bundesregierung hat für das Gewinnen der Stimme eines saudiarabischen Delegierten kurzfristig das Waffenembargo aufgehoben", sagte Tognoni damals auf einem Kongress in Düsseldorf.
Eine Behauptung, die schon damals von deutscher Seite empört zurückgewiesen worden waren.
Blatter "kein seriöser Geschäftspartner mehr"
Für Sylvia Schenk, Vorstandsmitglied von Transparency International, ist Blatter dieses Mal zu weit gegangen. Durch seine Äußerungen hinsichtlich der Schmiergeldaffäre sei Blatter "kein seriöser Geschäftspartner mehr", sagte Schenk der Onlineausgabe der Tageszeitung "Die Welt" am Montagabend.
Blatter könne "einen Reformprozess, der dringend notwendig ist, nicht glaubwürdig anschieben." Seine Andeutungen bezüglich der WM-Vergabe 2006 seien als Ablenkungsmanöver zu werten: "Er meint damit, jegliche Aufklärung verhindern und von den eigenen Fehlern ablenken zu können. Das darf nicht funktionieren."
Warum enthielt sich Charles Dempsey?
Doch Blatter weiß und wusste um die Gerüchte, die rund um die Vergabe der Weltmeisterschaft an Deutschland im Jahr 2000 entstanden waren, und greift diese nun gleichsam genüsslich wie unaufgefordert auf.
Die "Süddeutsche Zeitung" durchleuchtete am Montag die zumindest fragwürdigen Umstände der Stimmenthaltung des damaligen FIFA-Wahlmanns Charles Dempsey aus Neuseeland, die als Schlüssel für den Sieg der deutschen Bewerbung gegen die von Blatter favorisierten Südafrikaner galt.
Dempsey hatte bei der Abstimmung des 24-köpfigen Exekutivkomitees der FIFA im Juli 2000 den Raum verlassen, am Ende siegte Deutschland mit zwölf zu elf Stimmen. Bei einem Patt hätte Blatters Stimme entschieden - und der war damals bekanntermaßen schon für Südafrika. Jahrelang hatte der 76 Jahre alte gelernte Volkswirt zu diesem Thema nichts gesagt. Bis Sonntag.
Außerordentliche FIFA-Sitzung
Jetzt also die Rolle rückwärts. Blatter will partout von Problemen in seinem eigenen Haus ablenken und seine Machenschaften mit der Äußerung über Verschwörungstheorien in ein gutes Licht stellen.
Die Probleme könnten Blatter aber schneller einholen, als ihm lieb ist. Am Dienstag findet in Zürich eine außerordentliche Sitzung der FIFA statt; dort sollen unter anderem die neuen Ethik-Regeln verabschiedet werden. Zudem kommen die oft kritisierten WM-Vergaben an Brasilien 2014, Russland 2018 und vor allem Katar 2022 auf dem Prüfstand.
Sepp Blatter im Steckbrief