Ein erster Schritt aus Rosbergs Schatten

Valtteri Bottas hat nun einen Formel-1-Sieg auf seinem Konto
© getty

Valtteri Bottas hat beim Großen Preis von Russland das erste Formel-1-Rennen seiner Karriere gewonnen. Mit dem Sieg hat der Mercedes-Pilot ein großes Ausrufezeichen gesetzt und seine Chefs zufrieden gestimmt. Doch wenn er sein Standing als Nachfolger von Nico Rosberg langfristig verbessern will, darf das nur der Anfang gewesen sein.

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Drei Jahre lang begleitete der "Krieg der Sterne" die Formel 1. Während Lewis Hamilton im Mercedes-internen Kampf immer als der talentiertere Fahrer galt, war Nico Rosberg als akribischer Arbeiter angesehen. Als jemand, der jedes noch so kleine Detail analysierte und den Ingenieuren mit seinem technischen Wissen perfektes Feedback geben konnte.

"Nico hat eine fast wissenschaftliche, datengesteuerte Herangehensweise", lobte Motorsportchef Toto Wolff Rosbergs Arbeit noch vergangene Saison. Immer wieder wurde gemunkelt, dass Hamilton die Rosberg'schen Setups über die Rennwochenenden hinweg übernommen hätte, um sich so den Vorteil seines ärgsten Rivalen zu seinem zu machen.

Diese Möglichkeit hat der Brite nach dem Rücktritt des amtierenden Champions nicht mehr. Als Hamilton dann am Freitag und Samstag in Russland mit seinem Auto nicht auf einen grünen Zweig kam und das Qualifying vermasselte, wurden schnell Stimmen laut, dass ihm die Setup-Arbeit eines Rosbergs fehle. Neu-Teamkollege Bottas könne da nicht weiterhelfen. Nachteil Hamilton. Nachteil Mercedes?

Wohl kaum. Denn was der Finne zumindest an diesem Wochenende zeigte, muss dem Weltmeister-Team gefallen haben. Im Qualifying holte er mit dem im Vergleich zu Ferrari leicht unterlegenen Mercedes Startplatz drei - mit nicht einmal einem Zehntel Rückstand auf Polesitter Sebastian Vettel und einem Vorsprung von fast einer halben Sekunde auf Hamilton.

"Scheiße, die Erleichterung war riesengroß"

Im Rennen glänzte Bottas dann von Beginn an. Dank eines perfekten Starts schoss er noch vor der ersten Kurve an den beiden Ferraris von Kimi Räikkönen und Vettel vorbei und ging in Führung. Anschließend dominierte er das Rennen, bis es darum ging, im Kampf um den Sieg die Nerven zu behalten. Bottas tat das bis auf einen Verbremser und durfte so nach einem denkbar spannenden Finish zum ersten Mal in seiner Formel-1-Karriere den Siegerpokal in die Höhe stemmen.

"Es hat über 80 Rennen gedauert, doch das Warten hat sich gelohnt. Ich bin überzeugt, dass ich aus diesem Sieg viel Selbstvertrauen ziehen werde", freute sich der 27-Jährige anschließend: "Ich wusste, dass ich dieses Ergebnis erreichen konnte. Ich habe immer an meine Fähigkeiten geglaubt. Aber dieser Erfolg bestätigt das nun ein für alle Mal."

Der Sieg ist nach den kritikreichen Rennen der letzten Wochen sicher Balsam für die Seele des ehemaligen Williams-Piloten. In China drehte er sich wie ein Anfänger beim Reifenaufwärmen hinter dem Safety Car, in Bahrain konnte er trotz Pole Position das Tempo von Hamilton, Vettel und Co. nicht mitgehen und musste sich nach einer Teamorder hinten anstellen.

Befreiung auf allen Seiten

"Normalerweise", führte Bottas aus, sei er "nicht sehr emotional. Aber als ich die finnische Nationalhymne gehört habe, war das schon etwas ganz Besonderes für mich. Es ist alles noch ganz surreal. Das ist hoffentlich der erste von noch vielen weiteren Siegen".

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Befreiung machte sich auch im Mercedes-Lager breit. "Scheiße, die Erleichterung war wirklich riesengroß. Es war alles so eng - und dann noch der Überrundungsverkehr", atmete Wolff auf, um dann seinen Schützling zu loben: "Vor allem die Pace, die er am Anfang hatte. Er ist auf und davon gefahren und hat am Ende Nerven aus Stahl gebraucht, um dem Druck eines vierfachen Champions standzuhalten. Wenn wir sehen, wo wir am Freitag waren, dann ist es super, heute zu gewinnen."

Bottas hat auf dem Sochi Autodrom unter Beweis gestellt, dass er zur Stelle sein kann, wenn es drauf ankommt. Dann, wenn Hamilton schwächelt. Dann, wenn es darum geht, Ferrari den Sieg streitig zu machen. "Der Erfolg heute zeigt mir, dass die Entscheidung, die wir im Winter mit ihm getroffen haben, die absolut richtige war", spielte Wolff bei BBC Sport auf Bottas' Verpflichtung als Rosbergs Nachfolger an.

Vertragsverlängerung kein Thema

Doch eines dürfte allen Beteiligten auch bewusst sein: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Und ein fliegender Finne ist Bottas erst, wenn er seinen zweifelsfrei vorhandenen Speed dauerhaft auf den Asphalt bringt. Bisher hat der Mann mit der 77 daher nur einen ersten Schritt raus aus dem Schatten seines weltmeisterlichen Vorgängers gemacht. Ob noch mehr gelingt, muss die Zukunft zeigen.

Entsprechend zurückhaltend gaben sich die Mercedes-Verantwortlichen auch beim Thema Vertragsverlängerung, das BBC-Experte Eddie Jordan noch auf dem Siegerpodest zu Gespräch brachte. "Es gibt überhaupt keine Diskussionen über das kommende Jahr", stellte Aufsichtsratsvorsitzender Niki Lauda klar. Und Wolff fügte bei Sky hinzu: "Ich habe zwar ein Herz, aber eben auch ein Hirn und muss darüber rational nachdenken. Wir sind so früh in der Saison, da haben wir noch richtig Hausaufgaben zu machen."

Denn, darüber sind sich mittlerweile alle einig: Ferrari ist mit Mercedes mindestens auf Augenhöhe. Um den vierten Konstrukteurstitel in Folge einzufahren, benötigen die Silberpfeile zwei Fahrer auf Top-Niveau. Sollte Bottas seine Pflicht erfüllen, dann werden auch die Vergleiche zu Rosberg Geschichte sein. Und die Fahrer-WM rückt plötzlich wieder in Reichweite - denn genau die hat er im Fokus: "Mein Ziel ist klar: Ich will Weltmeister werden und werde dafür weiter pushen."

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