Dauerwarteschleife zum Meilenstein

Von Dominik Geißler
Hülkenberg hat in dieser Saison bisher sechs WM-Punkte gesammelt
© getty

Nico Hülkenberg steht beim Großen Preis von Russland (alle Sessions im LIVETICKER) vor seinem 100. Grand Prix als Einsatzfahrer. Seit jeher gilt der Deutsche als hochtalentiert, doch der Sprung zu einem Topteam ist ihm - trotz aller Spekulationen - bislang verwehrt geblieben. In dieser Saison muss er liefern, sonst könnte seine Formel-1-Karriere für immer unvollendet bleiben.

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"Es war ein langer und lustloser Nachmittag für mich. Es war ein hartes Wochenende, aber das Training und unsere Geschwindigkeit auf Longruns waren gut und darauf müssen wir aufbauen", resümierte Nico Hülkenberg den Saisonauftakt 2010 mit gemischten Gefühlen.

Gerade hatte der junge Williams-Pilot sein Debüt in der Formel 1 gegeben. Am Ende des Großen Preises von Bahrain hieß es für ihn Platz 14. Keine Punkte, dafür umso mehr Enttäuschung.

Seit diesem Tag im März vor sechs Jahren ist viel Zeit vergangen. Dazwischen liegen eine Pole Position, mehrere Teamwechsel, die einjährige Rückstufung zum Testfahrer bei Force India, 43 Führungsrunden, 296 WM-Zähler - und 99 Grands Prix.

"Ich kann gar nicht glauben, dass es mein 100. Rennwochenende in der Formel 1 wird", wundert sich Hülkenberg und fragt ungläubig: "Wo ist nur die Zeit geblieben?" Der gelernte Speditionskaufmann ist erst der 66. Fahrer der Formel-1-Geschichte, der in diesen elitären Kreis aufgenommen wird.

Hulk im Wartestand

Wenn Hülkenberg am Freitag in Russland in seinen Force India steigt, erreicht er damit also einen echten Meilenstein. Doch: Es ist ein Meilenstein, dem die letzte Krönung fehlt.

Seit Jahren gilt Hülkenberg als hochtalentierter Fahrer. Er ist stark im Qualifying, ein überragender Starter und ein Meister im Verteidigen seiner Position im Rennen. Doch auf einem Podium stand er nach seinen 97 Starts nie. Und: Ein Wechsel in ein Topteam blieb bislang aus - auch wenn er in der Vergangenheit mehrfach mit Ferrari in Verbindung gebracht wurde.

2013 soll Hülkenberg sogar schon einen Vertrag mit der Scuderia ausgehandelt haben, ehe ihm der damalige Teamchef Stefano Domenicali per SMS absagte und Kimi Räikkönen den Vorzug gab.

Der Vertrag des Finnen läuft zum Saisonende aus. 2017 wäre damit die nächste Chance auf ein rotes Cockpit. Allerdings stehen mit Romain Grosjean, der bei Haas in engem Kontakt zu Ferrari steht, Youngster Max Verstappen und Daniel Ricciardo auch andere Piloten auf der Kandidatenliste.

Zudem soll Insidern zufolge das Interesse aus Maranello an Hülkenberg schon einmal größer gewesen sein. Hülkenberg hängt der Ruf an, immer dann Pech zu haben, wenn er die Chance auf den großen Erfolg hat. 100 Grands Prix ohne Besuch des Podests - aktueller Rekordhalter ist Adrian Sutil mit 128 GP-Starts ohne Fahrt unter die ersten Drei.

Der GP2-Meister von 2009 muss also aufpassen, nicht als ewiges Talent zu enden, das sich zu lange im Wartestand befunden und eine ganz große Karriere dadurch verpasst hat. Denn sein Ziel ist eindeutig, wie er im CNN-Interview verriet: "Ich hatte von Anfang an das Verlangen und den Wunsch in mir, einmal Formel-1-Weltmeister zu werden - das hat mich bis heute nicht verlassen."

Schwacher Saisonstart

Von einem Titel kann er im Moment aber selbstverständlich nur träumen. Der Saisonstart lief für Force India nicht nach Plan. Nur beim Auftakt in Australien fuhr Hülkenberg in die Punkte, in Bahrain und in China ging er jeweils leer aus.

"Die vergangenen zwei Rennen waren aus unterschiedlichen Gründen eine Enttäuschung", stellte er fest: "Wir konnten nicht unser ganzen Potenzial zeigen." Teamkollege Sergio Perez, der in Sotschi ebenfalls seinen 100. Grand Prix bestreiten wird, steht nach drei Saisonrennen sogar ganz ohne Zähler da.

In China machte das Safety Car dem Duo einen Strich durch die Rechnung. In Bahrain mussten beide Fahrer wegen Beschädigungen am Auto früh in die Box, ein gutes Ergebnis rückte dadurch in unerreichbare Ferne. In Australien verhinderte der zwischenzeitliche Rennabbruch ein besseres Resultat.

Dass der eigentliche Speed des VJM09 gut ist, glaubt auch Sportchef Otmar Szafnauer: "Das Auto ist schnell genug, denn beide Piloten schaffen es im Qualiyfing in die Top 10. Jetzt müssen wir ein problemloses Rennen absolvieren und dann werden wir Punkte holen."

Russland als gutes Omen

Nach der besten Saison der Teamgeschichte, die Force India auf dem fünften Platz der Konstrukteurswertung beendete, und den starken Testfahrten im Februar galt Force India sogar als Geheimtipp.

Dass sich das bislang nicht bewahrheitet hat, mag an den unglücklichen Rennverläufen gelegen haben. Doch scheint das Team von Vijay Mallya, der nach einem gegen ihn erlassenen Haftbefehl vorläufig untergetaucht ist, auch eine Stärke der letzten Jahre verloren zu haben: das Reifenmanagement.

Ging der Wagen von Hülkenberg und Perez in der Vergangenheit sorgsam mit den Gummis um, bauen sie in diesem Jahr schneller ab. Besonders weichere Mischungen gelten im indischen Lager als problematisch.

Doch entmutigen lässt man sich beim ehemaligen Jordan-Team nicht. "Vor einem Jahr hatten wir zu diesem Zeitpunkt nur einen Zähler mehr", weiß Mallya. In Spanien soll das erste große Upgrade-Paket mit einem neuen Frontflügel kommen. In Russland kehrt man zudem an eine Strecke zurück, die dem Auto in der Vergangenheit lag.

Im Vorjahr raste "Checo" hier sensationell aufs Podium. "Klar kommst du da mit bester Stimmung zurück", sagte der 26-Jährige und prophezeit: "Das Streckenlayout sollte uns liegen." Der glatte Belag auf dem Olympia-Kurs gilt darüber hinaus als äußerst reifenschonend. Allerdings sollte Hülkenberg im Gegensatz zum Rennen 2015 die erste Kurve überstehen, um mitspielen zu können.

Die letzte Chance?

Bei ihrem Jubiläumsrennen haben Hülkenberg und Perez damit gute Chancen, zurück in die Spur zu finden und Punkte zu sammeln. "Dieses Jahr soll für mich persönlich mein bestes Jahr in der Formel 1 werden. Ein Podium muss her. Ich glaube, das hat jetzt lange genug gedauert ohne Podium hier zu sein", hatte Hülkenberg schon vor dem Saisonauftakt verkündet.

Gerade für den Deutschen wäre das von enormer Bedeutung. Mit 28 Jahren und bald 100 GP-Teilnahmen gehört er schließlich schon lange nicht mehr zu den Jungen im Formel-1-Zirkus, der nächste Schritt auf der Karriereleiter muss bald folgen.

Seine vielleicht einzige Chance: 2016 konstant Leistung bringen und den Stallgefährten voll im Griff haben. Nur dann hat der "Hülkinator" wohl noch die Möglichkeit auf einen Wechsel zu einem Topteam und damit auf eine Vollendung seiner Formel-1-Karriere.

Gelingt das nicht, könnte Hülkenberg seinen Fokus auf etwas anderes richten: Le Mans. Dort triumphierte er bereits 2015 im Porsche. Auch 2016 wollte er eigentlich beim legendären 24-Stunden-Rennen starten, der zugepackte Rennkalender der Formel 1 mit dem neu eingeführten Rennen in Baku verhinderte die Titelverteidigung jedoch. Für die Zukunft wäre Le Mans aber sicher eine heiße Alternative. Und der nächste Meilenstein wartet dort bestimmt.

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