Ist Vettels Angriffslust begründet?

Sebastian Vettel plant in Monaco von Startplatz 3 aus den Kampf um den Sieg
© getty

Die Vorzeichen für den Großen Preis von Monaco (So., 14 Uhr im LIVE-TICKER) sind eindeutig: Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton ist der eindeutige Favorit auf den prestigeträchtigen Sieg im Fürstentum. Das Ungewöhnliche: Nicht sein Mercedes-Teamkollege Nico Rosberg stellt sich als härtester Herausforderer dar, sondern Sebastian Vettel. Der Ferrari-Pilot hat allerdings bei Trockenheit nur eine Chance.

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Der Champion ist gewarnt. "Noch nicht mal die Hälfte des Jobs ist erledigt", sagte Hamilton, nachdem er im zehnten Anlauf erstmals in Monte Carlo auf die Pole Position gefahren war: "Es wird mental und physisch eine Herausforderung."

78 Runden lang muss der Weltmeister am Sonntag fehlerfrei überstehen, den D-Zug anführen ohne die Leitplanken zu hart zu berühren. 130 Mal pro Umlauf wird das Lenkrad gedreht, nur zehn Sekunden pro Runde steht es fast still auf Geradeausfahrt.

Dass dafür Disziplin, Ruhe und ein wenig Gelassenheit vonnöten sind, weiß vor allem Nico Rosberg als Sieger der letzten beiden Rennen im Fürstentum. "Ich bin sehr froh, Lewis' Meinung zu hören", bekannte Hamiltons Teamkollege deshalb: "Ich werde natürlich versuchen den Druck hochzuhalten. Das muss ich morgen machen - und ich werde es tun."

Hamilton bewahrt trotz Mercedes-Patzer die Ruhe

Doch das Wort Sieg sprach der Vizeweltmeister nicht aus. Zu abgebrüht absolvierte Hamilton das Qualifying. "Er hat einen Gremlin abgeschüttelt. Es war eine verdiente Pole Position", stellte auch Motorsportdirektor Wolff freudig über die neuerliche Bestmarke von 17 ersten Startplätzen in Folge fest - nur Williams kam 1992/1993 mit 24 auf noch mehr.

Selbst ein Fehler seiner Mechaniker, die vergaßen den Frontflügel steiler einzustellen, brachte Hamilton nicht aus der Ruhe. Er funkte scheinbar tiefentspannt: "Lasst uns einfach noch einmal von vorne anfangen."

Während der Engländer sich nicht aus dem Rhythmus bringen ließ, leistete sich Rosberg gleich zwei Verbremser und ließ bei der Pressekonferenz nach dem Qualifying die Schultern hängen. Wohl, weil auch er die Statistik kennt: Zehn der letzten elf Monte-Carlo-Sieger starteten von der Pole Position.

Hamilton war im Jahr 2008 der letzte Fahrer der von weiter hinten ins Rennen ging. Er startete im chaotischen Regenrennen von Platz 3. Dort steht in diesem Jahr Vettel. Ausgerechnet der Heppenheimer versprüht mehr Siegambitionen als sein vor ihm startender Landsmann im Silberpfeil.

Vettel: "Könnte langweilige Bustour werden"

"Bis jetzt hat noch keiner Punkte erzielt, also ist morgen alles möglich. Wir wissen, dass es Monaco ist. Wir wissen, dass Überholmanöver schwierig sind", so der 27-Jährige: "Der Start wird wichtig. Ich starte auf der inneren Seite, das gibt mir die Möglichkeit die Mercedes zu splitten und dann sehen wir was passiert. Sonst könnte bis zum ersten Stopp wieder eine ziemlich langweilige Bustour durch Monte Carlo werden."

Vettel führte ausgerechnet Hamiltons Sieg im Jahr 2008 als Beispiel für ein aufregendes Rennen an: "Ich kenne die Wettervorhersage für morgen nicht. Aber wer weiß? Hier ist alles möglich." Die Meteorologen sind da etwas verhaltener. Bei 20 bis 30 Prozent liegt die Regenwahrscheinlichkeit ihrer Einschätzung nach.

Wieso verlor Ferrari so viel Zeit?

So bleibt wohl nur der Kampf auf der Strecke, bei dem Ferrari einen deutlichen Nachteil hat. "Für uns war es zu kühl. Deshalb konnten wir nicht das Maximum aus den Reifen herausholen. Bei höheren Temperaturen wären wir näher dran gewesen", erklärte Vettel seinen Rückstand von fast acht Zehnteln im Qualifying. Hätte Daniel Ricciardo nicht das falsche Motormapping gehabt, der Red Bull hätte Platz 3 übernehmen können.

Zwar stimmt es, dass die Asphalttemperaturen vom Abschluss- bis zum Zeitentraining um knapp acht Grad Celsius fielen. Dass der Schnellste aber plötzlich eine ganze Sekunde verliert? "Wir haben unsere Leistung vom dritten Training bestätigt. Demnach muss Ferrari einen Schritt zurück gemacht haben. Ob das nur an den tieferen Temperaturen hängt, ist zu bezweifeln", hieß es aus dem Hamilton-Lager.

"Wir sind nicht da, wo wir stehen wollen. Wir müssen uns verbessern, wenn es so kühl ist", sagte auch Vettel. Sein Problem: Am Ferrari brauchen selbst die superweichen Slicks viel zu lange, bis die Betriebstemperatur erreicht ist. Ein Boxenstopp ist für alle Teams als optimale Strategie festgeschrieben.

Wie Vettel die Mercedes abfangen könnte

Durch Reifen sparen und weniger stoppen führt also kein Weg nach vorne. Die einzig mögliche Strategie für den Angriff auf den Sieg: Ein Überholmanöver direkt beim Start mit einem Under- oder Overcut und schnellen Runden bei freier Strecke vor oder nach dem Reifenwechsel - ein fast aussichtsloses Vorhaben.

In Monaco deutet alles darauf hin, dass Mercedes den fünften Sieg im sechsten Saisonrennen feiern wird. "Wenn wir starke Starts zeigen, können wir das Rennen von der Pole Position und aus der ersten Reihe kontrollieren. Dafür müssen wir aber hellwach sein", kündigte Motorsportdirektor Toto Wolff selbstbewusst an.

Sein Landsmann Niki Lauda ging sogar noch einen Schritt weiter: "Wenn technisch alles in Ordnung ist, der Start normal verläuft und die Boxenstopps gut funktionieren, dann kann eigentlich nichts passieren." Eigentlich.

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