Formel 1 - Hockenheim vor dem Aus: Die karierte Flagge hängt auf Halbmast

Die Formel 1 gastiert 2019 wohl zum vorerst letzten Mal in Hockenheim.
© getty

Am vergangenen Wochenende fand der Große Preis von Deutschland wohl zum vorerst letzten Mal statt. Das wahrscheinliche Aus für das Formel-1-Rennen in Hockenheim, das am Sonntag die Zuschauer mal wieder begeisterte, kommt wenig überraschend. Es wäre aber für Fans und Insider, mit denen SPOX gesprochen hat, umso bedauernswerter. Die genauen Gründe sind vielschichtig, im Mittelpunkt steht jedoch immer eins: das liebe Geld.

Cookie-Einstellungen

Streifte man am vergangenen Wochenende über die gut gefüllten Campingplätze rund um den Hockenheimring, waren die Ferrari-Flaggen allgegenwärtig: Immer wieder sah man Fanklubs von Sebastian Vettel, vor allem aber Michael-Schumacher-Schriftzüge und entsprechende Konterfeis. Auch viele Jahre nach seinem Karriereende dominierte der Rekordweltmeister das Lager der eingefleischten Formel-1-Fans hierzulande.

Doch egal, ob Vettel-, Schumacher- oder Max-Verstappen-Fan (ja, die Camping-Nation Niederlande hat ihre Wohnwagen natürlich ebenfalls angekarrt): Die Stimmung bei allen war ausgelassen. Man sang, man trank, man grölte, man grillte, man lachte. Man freute sich über das zuweilen tropenartige Wetter, den gemeinsamen Kurzurlaub - und, na klar, auf das Formel-1-Rennen am Sonntag.

Bei aller Vorfreude schwang jedoch auch ein bisschen Wehmut mit. Das - mal wieder sensationelle - Rennen könnte nämlich das vorerst letzte gewesen sein, das die Zuschauer live vor Ort in Deutschland sehen durften. Denn der Deutschland-GP steht vor dem Aus. Wieder einmal.

Schon vor einem Jahr gingen die Veranstalter eigentlich davon aus, die Tore für die Königsklasse schließen zu müssen. Doch der für 2019 geplante Grand Prix in Miami platzte, sodass Hockenheim eine zweite Chance bekam. Damit diese auch genutzt werden konnte, sprang Mercedes als Titelsponsor ein und half so, die hohe Antrittsgebühr zu stemmen.

hockenheim
© spox

Formel 1 zu teuer für Hockenheim

Ein solches Szenario wird es Stand jetzt nicht nochmal geben. Weil nach Aussage von Liberty-Media-Chef Chase Carey davon auszugehen ist, dass nächste Saison wieder 21 Rennen im Kalender stehen, werden zwei Orte aus diesem Jahr gestrichen. Mit Vietnams Hauptstadt Hanoi und der Traditionsstrecke im niederländischen Zandvoort haben die F1-Verantwortlichen schließlich schon zwei neue Grands Prix klargemacht. Hockenheim steht somit auf der Streichliste - genau wie Monza und Mexiko City.

Das lange vermutete Aus von Barcelona kommt laut der katalanischen Zeitung ARA hingegen nicht. Und auch Monza scheint bessere Überlebenschancen als Hockenheim zu haben. Das Problem, das die Mannen um Jorn Teske, ab 1. September neuer Geschäftsführer der Hockenheimring-GmbH, haben: Die Formel 1 will und braucht Geld. Viel Geld.

Durch die Investitionen, die Liberty Media seit der Übernahme 2016 getätigt hat, macht man Verlust, von fast 100 Millionen Euro im vergangenen Jahr ist die Rede. Entsprechend werden von den Rennveranstaltern hohe Antrittsgagen verlangt, die sich dem Vernehmen nach bis auf 50 Millionen Euro belaufen.

Summen, die für die Betreiber aus Abu Dhabi, Russland und China zum Beispiel keine Hürde darstellen. Doch für Hockenheim? Unmöglich, dauerhaft so viel Geld aufzutreiben. Weil die "Schumimania" schon lange vorbei ist und die Zuschauerzahlen somit maximal im guten Bereich liegen, können die Ticketeinnahmen die Kosten, die hier zumindest bei 20 bis 30 Millionen Euro liegen sollen, nicht ausgleichen.

mercedes
© getty

Hockenheimring wartet vergeblich auf externe Hilfe

Außerdem bekommt die Hockenheimring-GmbH keine Hilfe aus der Politik. Ein solches Schicksal müssen sich sonst nur der England- und der Österreich-GP teilen, wobei letzterer auf dem Red-Bull-Ring ausgetragen wird. Wer hier reinbuttert, erklärt sich von selbst.

"Ich bedauere nach wie vor, dass kein Mensch in der Region bereit ist, etwas für die Formel 1 zu tun. Weder die öffentliche Hand noch Unterstützer aus der Wirtschaft", klagte Noch-Geschäftsführer Georg Seiler gegenüber dem SID.

Und Vettel meinte: "Ich kenne die Leute hier am Hockenheimring sehr gut, sie verdienen kein Geld mit der Formel 1, aber ihre Leidenschaft und ihr Einsatz sind bemerkenswert. In Deutschland gibt es keine Unterstützung aus der Politik, so wie es in anderen Ländern ist. Stattdessen fahren wir da, wo Millionen bezahlt werden, aber keiner auf den Tribünen sitzt."

Tilke würde Unterstützung begrüßen

Formel-1-Streckenarchitekt Hermann Tilke wollte im Rahmen des Deutschland-GP gegenüber SPOX nicht von einer "Pflicht der anderen Parteien" sprechen, würde eine Unterstützung aber begrüßen: "Es wäre schön, wenn das passieren würde. Die Strecke hier ist toll - man hat das enge Motodrom, das für Fahrer und Fans großartig ist und auf der anderen Seite die weiten Straßen, auf denen man überholen kann. Wir haben hier viele spannende Rennen gesehen."

2019 wohl mit einem begeisterndem Regen-Chaos zum letzten Mal, denn zu wenig Interesse bei gleichzeitig zu hohen Kosten - das ist eine folgenschwere Mischung, die laut Seiler zu Schulden in Höhe von rund 23 Millionen Euro geführt hat. Eine Zukunft in der Formel 1 ist unter diesen Bedingungen kaum vorstellbar.

Bernd Mayländer: "Will mir das gar nicht vorstellen"

"Wenn es so sein sollte, dass es hier nicht mehr weitergeht, wäre das für den deutschen Motorsport sehr, sehr traurig", zeigte sich auch Bernd Mayländer im Gespräch mit SPOX bedrückt. Der langjährige Safety-Car-Fahrer blickte wehmütig über das Fahrerlager und ergänzte: "Ich will mir noch gar nicht vorstellen, keine Deutschlandflagge auf dem Kalender zu sehen."

Um Hockenheim nicht jährlich zu belasten, sprach sich Mayländer für eine Rotation mit dem Nürburgring aus, welche von 2008 bis 2014 Teil des Kalenders war: "Das war die optimale Lösung."

Der Nürburgring steht finanziell allerdings nicht besser da. Somit ist ein solches Szenario so gut wie ausgeschlossen. Realistischer ist da laut Seiler schon eine andere Idee: Man könne sich im Zwei- oder Drei-Jahresturnus mit anderen europäischen Traditionsstrecken abwechseln. Das würde Geld sparen und gleichzeitig den Erhalt der Rennen zumindest teilweise sichern.

So oder so: Die Hockenheim-Betreiber haben ihren Kampf trotz der schlechten Bedingungen noch nicht aufgegeben. "Die Gespräche werden weitergehen", kündigte Jörn Teske vom Hockenheimring an: "Ich glaube nicht, dass wir das Ende der Formel 1 in Hockenheim erleben werden." Worte, die nach derzeitigem Stand wie ein Klammern am letzten Strohhalm klingen, trotzdem aber Hoffnung machen - auch den zahlreichen Fans auf den Campingplätzen rund um den Ring.

safety-car
© getty

Deutschland-GP: Die Sieger der letzten fünf Jahre

JahrSiegerTeam
2018Lewis HamiltonMercedes
2017*--
2016Lewis HamiltonMercedes
2015*--
2014Nico RosbergMercedes

*kein Rennen in Deutschland

Artikel und Videos zum Thema