Formel 1 - Sebastian Vettel und Lewis Hamilton beim Deutschland-GP: Himmel und Hölle

Für Sebastian Vettel der erste Ausfall in der laufenden Formel-1-Saison.
© getty

Sebastian Vettel hätte beim Großen Preis von Deutschland fast seinen Hockenheim-Fluch beendet, gab den Erfolg mit einem Crash aber nicht nur leichtfertig aus der Hand, sondern brachte Lewis Hamilton auch noch auf die Siegerstraße. Ein Formel-1-Rennen, das für die beiden WM-Rivalen nicht hätte ungleicher verlaufen können.

Cookie-Einstellungen

Als Sebastian Vettel plötzlich mit seiner Nase in der Bande steckte, schlug er wütend mit den Fäusten gegen das Ferrari-Lenkrad. "Verdammte Scheiße! Verdammte Scheiße! Entschuldigung, Jungs", funkte der gestrandete Lokalmatador mit gebrochener Stimme an sein Team. Der Traum vom ersten Sieg auf in Hockenheim - ausgeträumt. Innerhalb von Sekundenbruchteilen.

Der seit einigen Runden andauernde Regen machte die Strecke schwierig zu befahren. An manchen Stellen war es so trocken, dass sich Intermediate-Reifen in Windeseile verbrannten. An anderen Ecken war es wiederum so rutschig, dass die Piloten mit ihren Boliden kaum Grip hatten.

Genau in eine solche Ecke traf Vettel ein, als er als Führender in die Sachs-Kurve abbog und sein Heck ausbrach. Ein kurzer Schwenker mit dem Steuerrad und schon war der Weg ins Kies und damit das Aus beim Heim-GP nicht mehr zu verhindern. "Ein kleiner Fehler mit großer Auswirkung", wusste der Heppenheimer später. Das Bittere für ihn: Der Hockenheimring weist genau zwei Kiesgruben auf - eine nach Turn zehn und eben eine an der schicksalhaften Sachs-Kurve.

Nico Rosberg kritisiert Sebastian Vettel: "Darf nicht passieren"

"Das ist schwierig zu verstehen", wunderte sich RTL-Experte Nico Rosberg im Nachgang über den Ausritt: "Er hatte keinen Druck von hinten und hätte etwas Tempo herausnehmen können. Da darf so etwas nicht passieren, vor allem nicht an der Stelle, wo man immer etwas vorsichtig sein sollte."

Tatsächlich muss man sich fragen, warum Vettel mit derart viel Risiko durchs Motodrom fuhr. Timo Glock, ebenfalls am RTL-Mikrofon aktiv, hatte eine Erklärung: "Die Runde zuvor war trockener. Dann steht da ein bisschen mehr Wasser und schon fängt man an zu rutschen." Außerdem legte WM-Rivale Lewis Hamilton auf seinen Ultrasoft-Reifen zu. Als es feucht wurde, war der Mercedes-Pilot der schnellste Mann im Feld und als Vierter durchaus noch eine Gefahr. Ein Fakt, den Vettel über Funk sicherlich gesagt bekommen hat, vermutete Glock.

Ferrari mit fragwürdiger Strategie

Dass Hamilton überhaupt im Aufmerksamkeitsbereich der Ferraristi war, lag an einer rasanten Aufholjagd des Engländers, die ihn innerhalb von 14 Runden von Startplatz 14 auf den fünften Rang brachte. Und an einem taktischen Fehler der Scuderia selbst.

Vettel verlor nämlich nach seinem Reifenwechsel viel und vor allem unnötige Zeit hinter Kimi Räikkönen. Der Finne war deutlich früher an die Box abgebogen, knallte anschließend eine Bestzeit nach der nächsten auf die Anzeigetafeln und kam so am eigentlichen Nummer-1-Fahrer vorbei. Anstatt Vettel nun aber sofort wieder vorbeizulassen, blieb er in Front.

"Es ist albern, wenn ich weiter hinter Kimi bleibe", beschwerte sich Vettel wiederholt bei seinem Team: "Ich zerstöre meine Reifen und vergeude Zeit. Ich verliere alles, was ich im ersten Stint herausgefahren habe. Seht ihr nicht meine Reifentemperaturen? Worauf wartet ihr denn noch?"

Tatsächlich war Räikkönen mit seinen älteren Gummis deutlich langsamer. Erst als sich Ferrari nach 13 Umläufen schließlich für eine Teamorder entschied und Vettel vorbeischleuste, konnte dieser wieder sein wahres Tempo zeigen - bis zum besagten Eintritt in die baden-württembergische Kies-Hölle.

Lewis Hamilton und Mercedes trumpfen auf

Wie Teamtaktik besser geht, zeigte (und man neigt zu sagen: ausgerechnet) Widersacher Mercedes. Nachdem sich Hamilton im Anschluss an die Safety-Car-Phase einmal gegen Valtteri Bottas wehren musste, gab es die klare Anweisung an das Silber-Duo: "Haltet eure Positionen!" Ohne neuerliche Manöver fuhren Hamilton und Bottas ihre Rennen zu Ende und schenkten ihrem Arbeitgeber so einen doppelten Heimsieg.

Dass sich Hamilton überhaupt auf einmal in Führung liegend sah, verdankte er übrigens - und ja, man will wieder sagen: ausgerechnet - Vettel. Die durch den Crash verursachte Safety-Car-Phase brachte den amtierenden Champion nämlich nicht nur an seine Vorderleute heran, sondern gleich vorbei.

Entscheidend dafür: Hamilton war wenige Runden zuvor erst an die Box gekommen und verzichtete somit im Gegensatz zu Bottas und Räikkönen auf einen zweiten Reifenwechsel.

Die Weiterfahrt, die den Sieg einläutete, hätte Hamilton allerdings auch gleichzeitig fast eine Strafe eingehandelt. Denn: Er war auf dem Weg in die Box, dann schwankte Renningenieur Peter Bonnington aber so lange zwischen "Bleib draußen!" und "Komm rein!", dass sich Hamilton schließlich dafür entschied, die Boxeneinfahrt zu verlassen und - nicht ganz regelkonform - über die Wiese wieder zurück auf die Strecke zu fahren.

Lewis Hamilton entgeht Strafe

Weil die Situation unübersichtlich war, während des Safety Cars geschah und Hamilton mit seinem Manöver niemanden gefährdete, entschied die Rennleitung nach einer Anhörung jedoch gegen eine Strafe und sprach lediglich eine Verwarnung aus. Somit durfte der nun 66-fache GP-Sieger weiter jubeln - über den Sieg und die Zurückeroberung der WM-Führung.

Vettel hatte den Hockenheimring, der nur 46 Kilometer von seinem Geburtsort entfernt liegt, zu diesem Zeitpunkt schon verlassen. "Was für ein schwarzer Tag, vielleicht einer der dunkelsten in seiner ganzen Karriere", fühlte Rosberg mit seinem Landsmann mit.

Der allerdings hatte seinen Humor nach dem Besuch am Kommandostand immerhin schnell wieder gefunden und fasste seinen Crash im ORF zynisch zusammen: "Im Sandkasten war ich früher gerne, heute nicht mehr."

Formel 1 - WM-Stand nach dem Deutschland GP

FahrerTeamPunktestand
Lewis HamiltonMercedes188
Sebastian VettelFerrari171
Kimi RäikkönenFerrari131
Valtteri BottasMercedes122
Daniel RicciardoRed Bull106
Artikel und Videos zum Thema