"Brawn hat Ideen für seine Zukunft"

Mercedes Motorsportdirektor Toto Wolff (r.) bestreitet den Abschied von Ross Brawn (l.)
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Mercedes-Motorsportdirektor Toto Wolff bestreitet den feststehenden Abschied seines Teamchefs Ross Brawn. Auch nach den zuletzt unglücklichen Entscheidungen soll Brawn den Aufwärtstrend dieser Saison fortsetzen. Zudem räumt der Österreicher ein, dass sein Team in Korea falsch reagiert hat. Änderungen schließt er dennoch aus.

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SPOX: Herr Wolff, wenn ich Ihnen im Januar gesagt hätte, dass sie fünf Rennen vor dem Saisonende einen Punkt hinter Ferrari liegen und gute Chancen auf die Vizeweltmeisterschaft der Konstrukteure haben, wie hätten Sie reagiert?

Toto Wolff: Ungläubig. Ich versuche die Dinge tendenziell aus einem pessimistischen Blickpunkt zu betrachten. Gemessen an den Ergebnissen des Vorjahres hätte ich das zu diesem Zeitpunkt nicht als mögliche Situation gesehen.

SPOX: Neben der Geschwindigkeit hat sich das Team dieses Jahr auch im Punkt Verlässlichkeit verbessert. Es gab nur drei technisch bedingte Ausfälle im Vergleich zu sechs 2012.

Wolff: Das sind drei zu viel in diesem Jahr. Es dürfen keine Reliability-Probleme auftreten. Das muss der Anspruch von Mercedes in der Formel 1 sein: Eine Saison ohne ein DNF zu beenden, ohne einen technischen Ausfall zu haben.

SPOX: Zuletzt wirkten die Entscheidungen von außen allerdings unglücklich. In Singapur reagierte das Team etwa nicht schnell genug auf die Safety-Car-Phase und ließ beide Fahrer draußen, ohne die Reifen zu wechseln.

Wolff: Die Krux an der Sache ist, dass wir vor und während des Rennens Entscheidungen aufgrund der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit treffen müssen. Wir sind danach alle immer sehr viel schlauer. Das ist wie im Fußballstadion, wo die besten Trainer immer auf den Tribünen sitzen.

SPOX: Kimi Räikkönen und Fernando Alonso haben es aber gemacht und sind dadurch aufs Podest gerutscht, das Mercedes davor sicher schien. Niki Lauda sagte, dass so etwas nicht mehr vorkommen sollte. Sie werten es allerdings nicht als Fehler?

Wolff: Wir hatten nicht angenommen, dass man mit den Reifen so lange fahren kann. Kein einziges Team hat im Training eine so lange Simulation gemacht. Es hat diesen Erfahrungswert also schlichtweg nicht gegeben. Man muss sich auf Daten und Fakten verlassen und dann eine Prise Racing Spirit hineingeben, um flexibel zu bleiben.

SPOX: Und bei Hamilton in Korea? Er beklagte sich mehrmals, dass seine Slicks hinüber waren. Ist er den Stint zu schnell angegangen, war es ein schlechter Satz oder ein Rechenfehler?

Wolff: Der Reifen hat schneller abgebaut, als wir es berechnet hatten. Da müssen wir analysieren, warum wir das falsch eingeschätzt haben. Aber ihn früher reinzuholen hätte bedeutet, dass wir auf eine Dreistopp-Strategie hätten umschwenken müssen oder am Ende übers Kliff stürzen. Wir haben den Abstand so berechnet, dass er vor Räikkönen rauskommt.

SPOX: Dann krachte Rosberg der Flügel runter. Eine Reaktion gab es aber nicht. Hamilton hat auf Rosbergs Inlap hinter ihm rund sechs Sekunden verloren.

Wolff: Das war eine sehr leidvolle Erfahrung, weil ein technisches Problem dazu geführt hat, dass die Strategie beider Autos in Mitleidenschaft gezogen wurde. Zu dem Zeitpunkt hat Lewis' Reifen dramatisch abgebaut. In der Runde, in der er reinkommen sollte und Nico durch den gebrochenen Flügel rein musste, hat Lewis 1:50 Minuten gebraucht, Räikkönen 1:44. Im Nachhinein sind wir natürlich schlauer.

SPOX: Wie war das Gefühl, als die Funken flogen? Bekommen Sie da als Verantwortlicher Angst?

Wolff: Wenn ich sehe, dass wir beim Einen ein Haltbarkeitsproblem haben und beim Anderen die Strategie nicht aufgeht, dann ist das einfach unangenehm. Angst ist aber ein dehnbarer Begriff. Das wünsche ich niemandem, am allerwenigsten einem unserer Fahrer. Ein technischer Defekt bei einem Formel-1-Auto, das über 300 km/h auf der Geraden fährt - zum Glück ist das Ganze unfallfrei über die Bühne gegangen.

SPOX: Sie haben selbst 24-Stunden-Rennen gewonnen. Hilft Ihnen ihre eigene Erfahrung als Rennfahrer in ihrer aktuellen Position?

Wolff: Begrenzt. Man kann mir kein X für ein U vormachen. Ich verstehe die Basis, wie es im Motorsport abgeht. Das ist aber gleichzeitig die große Gefahr: Ich darf mich nicht verleiten lassen, mich zu sehr in technische oder sportliche Dinge einzumischen. Da nehme ich mich immer selbst bei der Nase: Meine Erfahrungen haben nicht auf dem Niveau der Formel 1 stattgefunden. Wenn man selbst nicht in diesem Auto gesessen ist oder als Ingenieur auf diesem Niveau gearbeitet hat, ist Feedback halbschlau.

SPOX: Mercedes stand zu Saisonbeginn zwar dauerhaft auf Pole, fiel im Rennen aber meist zurück. Wie schwer war es, die Motivation aufrechtzuerhalten?

Wolff: Die Motivation leidet darunter nicht. Ganz im Gegenteil. Ein Team kann nicht in jedes Mal auf Pole stehen und jedes Rennen gewinnen. Es geht darum, Bausteine aneinanderzufügen und wie Red Bull über Jahre hinweg ganz vorne zu sein. Das geschieht nicht von heute auf morgen.

Seite 2: Wolff spricht über Brawns Zukunft und lobt Rosbergs Qualitäten

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