Yannic Seidenberg im Interview vor dem CHL-Finale: "Wir wollen diese Krone unbedingt"

Yannic Seidenberg erzielte im Halbfinal-Rückspiel in Salzburg eines der entscheidenden Tore.
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Der EHC Red Bull München trifft im Finale der Champions Hockey League im Scandinavium zu Göteborg auf die Frölunda Indians (19 Uhr LIVE auf DAZN nur in Deutschland).

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Vor dem größten Spiel der Klubgeschichte hat SPOX mit Star-Verteidiger Yannic Seidenberg gesprochen. Über das CHL-Finale, aber auch über viel mehr.

Warum lösen Erfolge wie die Olympische Silbermedaille des DEB-Teams oder die Auftritte der Handballer bei der Heim-WM nur kurzfristig einen Hype aus? Warum muss sich im deutschen Eishockey immer noch viel ändern? Und wie war es jetzt eigentlich im Flieger neben Lindsey Vonn? Seidenberg im großen Talk.

Jetzt stehen Sie mit München im CHL-Finale. Ist das ein Zeichen für eine gute Entwicklung im deutschen Eishockey, oder doch eher ein Zeichen für überragende Arbeit, die in München geleistet wird?

Yannic Seidenberg: Wenn man es auf unsere jungen Spieler und ihre Ausbildung bezieht, ist es sicher insgesamt ein gutes Zeichen. Aber klar, in erster Linie ist es eine Bestätigung für die Arbeit in München. Wenn man wie wir dreimal in Folge Meister wird und im CHL-Finale steht, dann ist man eines der Top-Teams in Europa. Wir wollen diese Krone unbedingt. Wir haben den CHL-Triumph schon vor ein paar Jahren als Ziel ausgegeben, jetzt sind wir kurz davor, es zu schaffen.

Im Finale wartet nun aber eine denkbar schwierige Aufgabe. Es geht auswärts in einem Spiel gegen eine Mannschaft, die das Ding schon zweimal gewonnen hat und wohl der Favorit ist. Frölunda.

Seidenberg: Ich weiß nicht, ob Frölunda im Finale wirklich der Favorit ist, nur weil sie die CHL schon zweimal gewonnen haben und zuhause spielen. Sie haben sicher eine starke Mannschaft mit guten Ausländern, aber wir sind eine eingespielte Truppe, die weiß, wie man in solchen Spielen spielen muss. Wir haben die Qualität in der Mannschaft, um das Finale zu gewinnen. Ich bin zuversichtlich.

Auf dem Weg ins Finale gab es mit dem Overtime-Drama in Malmö und dann den Halbfinal-Duellen gegen Salzburg einige große Momente. Was war Ihr größtes Highlight?

Seidenberg: Das Bruder-Duell gegen Salzburg war schon sehr speziell. Schließlich wollten wir auch auf keinen Fall gegen Salzburg verlieren. In den beiden Spielen war extrem viel Tempo drin und die Stimmung in Salzburg mit den Fans, die ganz nah dran sind, war wirklich cool. Das hat riesigen Spaß gemacht. Jetzt fehlt uns nur noch der Titel zum Ende einer traumhaften CHL-Saison.

Yannic Seidenberg will mit dem EHC Red Bull München als erstes deutsches Team die CHL gewinnen.
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Yannic Seidenberg will mit dem EHC Red Bull München als erstes deutsches Team die CHL gewinnen.

Im Januar ist in Deutschland der Handball-Hype ausgebrochen. Wie sehr haben Sie sich an die Olympischen Spiele vor einem Jahr erinnert gefühlt, als für eine kurze Zeit gefühlt jeder über Eishockey gesprochen hat?

Seidenberg: Es hat mich tatsächlich etwas daran erinnert. Ich habe mitgefiebert und mir auch alle Spiele angeschaut, wenn ich Zeit hatte. Ich kenne Uwe Gensheimer aus meiner Zeit in Mannheim, ihm habe ich natürlich besonders die Daumen gedrückt. Es hat extrem Spaß gemacht zuzuschauen. Schade, dass es am Ende nicht zu Bronze oder sogar noch mehr gereicht hat, aber trotzdem haben wir wieder gesehen: Nicht nur der Fußball kann die Menschen mitreißen, auch andere Sportarten. Ich hatte den Eindruck, dass die Mannschaft ähnlich wie wir bei Olympia im Turnierverlauf gewachsen und immer näher zusammengerückt ist. Leider hat mich auch das Ende im Spiel um Platz drei ein wenig an unsere bittere Schlussphase im Finale gegen Russland erinnert. Ärgerlich. Aber so ist der Sport.

Wie immer wird nach einer solchen Begeisterung jetzt über einen Boom gesprochen. So wie es im Eishockey nach der Silbermedaille war, so wie es im Tennis nach Grand-Slam-Siegen von Angelique Kerber war. Aber seien wir ehrlich: Ändern tut sich nie etwas. Warum ist es aus Ihrer Sicht so schwer mit der Nachhaltigkeit?

Seidenberg: Das ist eine schwierige Frage, die sich die Medien vielleicht auch selbst stellen müssten. Im Eishockey war ein Schub erkennbar, was Anmeldungen im Nachwuchs angeht, das ist gut und ganz wichtig. Fakt ist aber auch, dass der kleine Hype recht schnell wieder vorbei ist und im Fernsehen lieber Highlights aus der vierten oder fünften Liga im Fußball gezeigt werden. Wir hatten dank der Silbermedaille ein paar schöne Auftritte, wie im Sportstudio oder bei Menschen 2018 bei Markus Lanz, das waren schöne Erlebnisse, aber nach relativ kurzer Zeit sind wir in den Medien schon wieder nicht mehr so vorgekommen.

Vielleicht ist Deutschland einfach auch eine Event-Nation.

Seidenberg: Mir kommt es schon so vor, dass wir eine Event-Nation sind. Wenn eine Nationalmannschaft ein bisschen Erfolg hat, dann springen alle drauf und machen auf Fan, aber sobald das Turnier vorbei ist, wissen viele nicht mehr, was abgeht.

Das Schlimmste während der Handball-WM waren wohl die Vergleiche mit dem Fußball...

Seidenberg: Die Vergleiche langweilen mich. Ich bin jemand, der sich alles mit Begeisterung anschaut. Jede Sportart hat ihre eigene Charakteristik und ihre Berechtigung, da brauchen wir keine Vergleiche zu ziehen.

Die Handballer haben alleine aufgrund Ihrer sympathischen Art und Weise auf jeden Fall als Vorbilder überzeugt. Wie wichtig und bewusst ist Ihnen die Vorbildfunktion?

Seidenberg: Ich weiß, wie wichtig es ist, ein gutes Vorbild zu sein, weil ich als Kind selbst mit meinem Vater in Schwenningen im Eisstadion stand und genau beobachtet habe, wie sich die Spieler verhalten. Manchmal ist es einem als Spieler mitten im Spiel nicht bewusst, aber die Kinder schauen auf einen, das ist ganz klar. Für mich und mein Leben war der Sport generell unglaublich wichtig. Ich hatte gar keine Zeit, auf blöde Gedanken zu kommen und in der Stadt rumzuhängen, weil ich immer mit Sport beschäftigt war.

Während der WM ist auch eine große Diskussion um ein Interview von Stefan Kretzschmar entstanden, in dem er ansprach, wie schwierig es heutzutage für Sportler ist, ihre Meinung zu sagen, weil sie immer mit heftigen negativen Reaktionen rechnen müssen, wenn es nicht gerade die Mehrheitsmeinung ist. Haben Sie schon mal Ihre Meinung nicht gesagt, um Stress zu vermeiden?

Seidenberg: Absolut. Ich sage nicht immer, was ich denke. Einfach, weil ich lieber meine Ruhe habe, statt 40 weitere Interviews darüber geben zu müssen, oder am Ende noch unter Umständen eine Geldstrafe zu bekommen. Manchmal würde ich gerne etwas rauslassen, aber mache es lieber nicht. Das ärgert einen dann, aber wenn man eine Nacht darüber geschlafen hat, ist man froh, es nicht getan zu haben, weil es den ganzen Trubel doch nicht wert wäre.

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