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Taktik-Analyse zum Super Bowl: Die Offense der Buccaneers - Bradys größtes Meisterwerk?

SPOX bringt euch vor dem Super Bowl die Offense der Tampa Bay Buccaneers näher.
© getty

Tom Brady hat mit den Tampa Bay Buccaneers schon jetzt alle Erwartungen übertroffen: Der 43-Jährige wird in seiner ersten Saison in der Offense von Coach Bruce Arians im Super Bowl spielen. Dabei ist auffällig, wie sehr sich Brady an Arians angepasst hat - und nicht andersherum. Das Ergebnis ist eine hochexplosive Offense, die sich allerdings teilweise noch selbst im Weg steht.

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Als sich Tom Brady Anfang der Woche der virtuellen Medienschar stellte, war von vorneherein klar, dass eine Frage mit absoluter Sicherheit kommen würde: Wie lange will Brady, der am Sonntag mit seinen 43 Lenzen der älteste Super-Bowl-Spieler aller Zeiten sein wird, noch spielen?

"Auf jeden Fall" denke er darüber nach, antwortete Brady, auch mit 45 oder sogar darüber hinaus noch zu spielen. "Das ziehe ich in Erwägung", erklärte der künftige Hall of Famer - und man nimmt es ihm zweifellos ab.

Schon jetzt pusht Brady alle Limits bezüglich vermeintlicher Altersgrenzen. Während Ben Roethlisberger, Drew Brees, Philip Rivers, Eli Manning und Co. entweder bereits zurückgetreten sind oder kurz davor sein dürften, macht Brady nicht nur weiter - er spielt noch immer auf einem exzellenten Level.

Mehr noch: All das gelang ihm in dieser Saison in einer komplett neuen Offense unter Bruce Arians, die in vielerlei Hinsicht drastisch anders ist als alles, was Brady in New England kannte. Von der Terminologie über den Umgang mit Blitzes und Pressures bis hin zur grundsätzlichen Idee der Offense.

Viel mehr tiefe Pässe, weniger Option-Routes, weniger Matchups, die gezielt im Kurzpassspiel kreiert werden, weniger designtes Kurzpassspiel generell, weniger alleinige Kontrolle über die Offense. Dafür kompliziertere Würfe, mehr tiefe Dropbacks, mehr Plays, bei denen er den Ball länger halten muss - mehr Chancen, vom Pass-Rush einen Treffer zu kassieren.

Und es gab auch einige Abstimmungsprobleme. Brady hatte in der Mitte der Saison eine Phase, in der er 22 (!) tiefe Pässe in Folge nicht treffen konnte. Der Blitz bereitete Tampa teilweise auffällig große Schwierigkeiten. Und in einigen Fällen sprach Coach Bruce Arians ganz offen darüber, dass Brady Plays liegen und sich von der Defense aus dem Konzept bringen ließ.

Die gute Nachricht für Bucs-Fans: Während die meisten Quarterbacks erst im zweiten Jahr unter Bruce Arians den großen Sprung machen, konnte man bei Brady schon in der zweiten Saisonhälfte mehr und mehr diese Entwicklung feststellen.

Das Ergebnis ist eine Offense, die sehr viel von ihrem Quarterback verlangt - und Brady kann das immer besser umsetzen.

Super Bowl: Die Buccaneers-Offense - die Basics

  • In klassischem Bruce-Arians-Stil sind die Buccaneers primär eine 11-Personnel-Offense (ein Running Back, ein Tight End, drei Wide Receiver) - wenn auch nicht ganz so extrem wie die Chiefs. 63 Prozent der Offense-Snaps erfolgen aus 11-Personnel (Liga-Schnitt: 60 Prozent), weitere 22 Prozent aus 12-Personnel, also mit zwei Tight Ends und zwei Wide Receivern (Liga-Schnitt: 20 Prozent). Das ist der Kern der Offense.
  • Vereinzelt streut Arians auch 13-Personnel, also drei Tight Ends, ein, insbesondere, um daraus via Play Action vertikal zu attackieren. Auch 10-Personnel (kein Tight End, dafür vier Wide Receiver) sieht man immer wieder mal, daraus werfen die Bucs nahezu ausschließlich.
  • Besonders vertikal ist Tampa aber nicht aus 12-Personnel, sondern mit den drei Receivern aus dem Feld: Laut Sharp Football Stats werfen die Buccaneers aus 11-Personnel den Ball im Schnitt 9,4 Air Yards pro Pass und liegen damit eineinhalb Yards über dem Liga-Durchschnitt. Es ist auch der mit Abstand höchste Wert ligaweit aus 11-Personnel in dieser Saison.
  • Das passt zum generellen Makeup der Offense: Wenn der Ball geworfen wird, dann häufig tief. Laut Next Gen Stats verzeichnet Tom Brady in dieser Saison im Schnitt 9,3 Air Yards pro Passversuch. Kein Quarterback mit mindestens 150 Pässen kann Brady hier das Wasser reichen, einzig Drew Lock und Carson Wentz (beide je 9,1) kamen ansonsten auf mehr als 9,0 "Average Intended Air Yards".
  • Spannend ist, dass Brady den Ball häufig trotzdem sehr schnell loswird. In der Regular Season warf er den Ball im Schnitt 2,39 Sekunden nach dem Snap, der viertschnellste Wert ligaweit. Gleichzeitig haben nur drei Quarterbacks (Rodgers, Allen, Wilson) mehr Touchdowns spät im Down (mindestens 2,5 Sekunden nach dem Snap) geworfen als Brady (20).
  • Die Buccaneers sind nicht grundsätzlich Run-lastig bei Early Down. Bei First und Second Down in neutralen Spielsituationen wirft Tampa den Ball in 55 Prozent der Fälle - das ist der neunthöchste Wert ligaweit. Was allerdings auffällt, und in den Playoffs ging es wieder deutlich mehr in diese Richtung, ist das sture Festhalten an den Runs spezifisch bei First Down, die dann auch schematisch relativ simpel gehalten sind. Arians selbst sprach diese Woche darüber und ließ durchblicken, dass er auf einigen wenigen Run-Designs auch sein Play Action Passspiel maßgeblich aufbaut.
  • Die Frage wäre dann: Warum nutzen die Bucs dieses Mittel nicht wenigstens häufiger? Brady hatte in dieser Saison, inklusive Playoffs, laut PFF eine Play-Action-Quote von 20,4 Prozent. Unter Quarterbacks mit mindestens 300 Pässen haben nur Roethlisberger, Brees, Gardner Minshew und Andy Dalton prozentual noch weniger ihrer Pässe per Play Action geworfen.
  • Und das obwohl die Buccaneers durchaus erfolgreich damit sind: Bradys Durchschnitt pro Pass steigt um 3,2 Yards mit Play Action - einen größeren Sprung hatte in dieser Saison kein Quarterback. 13 Play-Action-Touchdowns in der Regular Season waren der fünftbeste Wert, Brady hatte als einziger Quarterback mehr als zehn Play-Action-Touchdowns mit weniger als 130 Play-Action-Pässen.
  • Geht es in die Red Zone, sind die Buccaneers auf einem ähnlichen Level wie die Chiefs: Tampa Bay verwertet 64,8 Prozent seiner Red-Zone-Trips in Touchdowns, ein leicht besserer Wert als KC (61,4). Geht es in diesen Bereich des Feldes, sind in erster Linie Mike Evans (24 Targets) und Rob Gronkowski (22) zu beachten. Kein anderer Bucs-Spieler hat mehr als sechs Red-Zone-Targets. Innerhalb der 10-Yard-Line muss der Blick auf Evans gehen: Er hat in diesem Bereich des Feldes in dieser Saison 15 Targets erhalten und davon zehn gefangen - alle für Touchdowns.

Die Buccaneers sollten in diesem Spiel genügend Matchups finden, auch wenn die Chiefs-Cornerbacks vielleicht etwas unterschätzt werden. L'Jarius Sneed etwa könnte Chris Godwin im Slot alles abverlangen, aber kann Bashaud Breeland nochmal Mike Evans abmelden? Und können die Bucs womöglich gerade die Linebacker häufiger in Coverage attackieren? Ganz zu schweigen von Antonio Brown - sofern er fit ist - gegen den Nummer-2-Outside-Corner Ward.

Tampa Bay sollte den Ball bewegen können, rein von der individuellen Qualität her. Und dennoch könnte insbesondere das Vorgehen der Bucs bei First Down diesen Super Bowl maßgeblich prägen.