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NFL - Super Bowl LV: Was ein weiterer Ring für Tom Bradys Platz in der Geschichte bedeuten würde

Tom Brady steht zum zehnten Mal im Super Bowl, das erste Mal allerdings ohne die New England Patriots und Head Coach Bill Belichick.
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Tom Brady steht zum zehnten Mal im Super Bowl und greift mit den Tampa Bay Buccaneers nach seinem siebten Titel. Doch welche Bedeutung hätte ein weiterer Triumph in seiner ohnehin schon unglaublichen Karriere? Klar ist: Geschichte wird in jedem Fall geschrieben.

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"Es brauchte nur einen Mann", sagte Bruce Arians sichtlich euphorisiert nach seinem Triumph mit den Tampa Bay Buccaneers im NFC Championship Game über die Green Bay Packers.

Die Rede war freilich von Quarterback Tom Brady, der nach Ansicht seines Coaches den größten Unterschied zur Vorsaison für sein Team ausmacht.

Die Bucs legten einen beachtlichen Turnaround hin, steigerten sich von einer 7-9-Saison auf 11-5, gefolgt von drei Auswärtssiegen in den Playoffs und der ersten Super-Bowl-Teilnahme seit der Saison 2002. Brady war freilich nicht die einzige personelle Veränderung zur Vorsaison, aber sicherlich die mit dem größten Einfluss.

Für Arians ist es der erste Super-Bowl-Trip als Head Coach, für seinen QB bereits der zehnte. Kein anderer Spieler hat mehr als sechs, kein anderer Quarterback mehr als fünf. Nur eine Franchise schaffte es häufiger ins große Spiel - Bradys vorherige Station New England (11). Doch während die Patriots 2020 ihre erste "Losing Season" (7-9) seit Bradys Rookie-Saison 2000 (6-10) hinlegten, knüpfte Brady nahtlos an seine bisherigen Erfolge an.

Auf dem Papier mag dies nicht überraschen, schließlich ist der Quarterback der wichtigste Spieler auf dem Platz und Brady gepaart mit der geballten Feuerpower, die die Bucs-Offense seit ein paar Jahren schon stellt, fast schon ein Garant für Erfolg. Doch es stellte sich vor der Saison eben doch die Frage, wie das alles zusammenpassen würde.

Brady: Unerwartet deutliche Kritik von Coach Arians

Da wäre zunächst mal Arians selbst. Er dürfte so weit von der Persönlichkeit von Bradys vorherigem Coach, Bill Belichick, entfernt sein wie die Erde zum Jupiter. Das kann positiv sein, wie das überschwängliche Lob nach dem Sieg im Lambeau Field belegt. Es kann aber auch negativ daherkommen.

Bereits früh in der Saison warf Arians seinen QB regelrecht vor den Bus. Die Rede war davon, dass Brady "manchmal von Coverages verwirrt" wurde und daher "unpräzise Bälle" warf. Auch kritisierte Arians offen Bradys Passgenauigkeit bei tiefen Bällen: "Die Jungs sind meistens offen. Wir haben sie nur verfehlt."

Kritik, die Brady in New England von seinem eigenen Head Coach sicherlich nicht außerhalb des eigenen Filmrooms gehört hätte. Gleichzeitig aber war überschwängliches Lob auch eher selten. Und insgesamt scheint Brady die Zusammenarbeit mit Arians zu genießen: "Ich glaube, wir haben ein großartiges Verhältnis zueinander. Seit ich hier ankam, haben wir einen großartigen Dialog und ich begrüße die Eindrücke, die er mir schildert und die Art und Weise, wie er das Team coacht."

Gleichzeitig lobte Brady Arians' ganze Art: "Ich genieße es, ihn besser kennenzulernen und habe große Bewunderung für ihn als Coach und als Mensch, dafür, wie er außerhalb des Platzes ist und wie er dieses Team anführt."

Das allerdings soll seine Beziehung zu Belichick nicht in ein negatives Licht rücken. Am Montag erst sagte Brady: "Ich habe eine großartige Beziehung zu ihm. Ich bin einfach unglaublich dankbar dafür, was er mir als Coach in meinem Leben bedeutet hat. Er ist alles, was man sich als Spieler wünscht." Das allerdings deutete zumindest unterschwellig auch an, dass Brady die persönliche Ebene letztlich vielleicht etwas zu kurz kam.

Unterm Strich haben sich mit Arians und Brady zwei gesucht und gefunden. Brady suchte in dieser Phase seiner Karriere einen offenbar zugänglicheren und im Umgang angenehmeren Coach, während Arians einen Quarterback brauchte, der nicht nur großartige Pässe wirft, sondern auch das Team als Leader weiterbringt. Nach fast einer kompletten Saison dürften beide eben dies gefunden haben.

Brady: Was bedeutet Super Bowl LV für ihn?

Doch welche Bedeutung hat dieser Super Bowl überhaupt für Brady? Schon jetzt hat keine Franchise in der NFL mehr Super Bowls gewonnen als er - nur die Patriots und Steelers haben ebenfalls sechs Titel vorzuweisen. Ein siebter Titel würde sicherlich Bradys Gesamtwerk noch imposanter machen, denn welcher Sportler in irgendeinem Sport hat schon mehr Titel gewonnen als jedes Team seiner Liga?

Doch würde sich unterm Strich an seinem Gesamtbild historisch betrachtet viel ändern durch das kommende Spiel? Schon jetzt wird Brady allgemeinhin als GOAT, der "Greatest of all Time" angesehen, er hat seine Zeitgenossen in mehreren Dekaden deutlich überflügelt. Seien es Peyton Manning, Aaron Rodgers, Drew Brees oder ganz früher Kurt Warner. Genauso überbot er die Leistungen früherer Legenden wie Joe Montana, John Elway oder Dan Marino, der nicht mal einen einzigen Ring sein Eigen nennen kann.

Brady wird am Ende seiner Karriere - wann immer das sein mag - mit allen erdenklichen Pass-Rekorden in Regular und Postseason abtreten und beim ersten Anlauf in die Hall of Fame in Canton/Ohio aufgenommen werden. Was macht da schon ein Ring mehr oder weniger aus?

CBS-Super-Bowl-Co-Kommentator Tony Romo jedenfalls hat da eine Theorie: Der Ex-Cowboys-QB äußerte vor kurzem die These, dass Patrick Mahomes, Bradys Kontrahent in Super Bowl LV, nur dann eine Chance habe, irgendwann mal Bradys GOAT-Status anzugreifen, wenn er am kommenden Sonntag als Sieger vom Platz ginge.

Eine gewagte These, wenn man bedenkt, dass Brady in seiner 21. Saison spielt, dazu in seinen 19 Saisons als Starting QB - 2000 spielte er als Rookie nur ein Spiel, 2008 verpasste er 15 Spiele verletzt - in 53 Prozent der Fälle den Super Bowl erreichte. Mahomes hingegen spielt seine vierte Saison, seine dritte als Starter. Wer weiß, ob er es tatsächlich schafft, so lange so konstant gut zu sein.

Brady schreibt schon vor Super Bowl LV Geschichte

Nein, dieser Super Bowl beendet für Brady einfach nur ein weiteres Jahr auf sehr hohem Niveau, in dem er schon jetzt Geschichte geschrieben hat. Er ist erst der zweite Quarterback nach Craig Morton (Cowboys, Broncos), der in beiden Conferences den Super Bowl erreichte. Zudem ist Brady der vierte, der mit zwei verschiedenen Teams überhaupt so weit kam - nach Morton, Manning und Warner. Und nach Manning (Colts, Broncos) wäre er der zweite, der die Lombardi Trophy mit zwei Teams gewänne.

Doch vielmehr als ein Sieg über Mahomes treiben Brady vor allem zwei Dinge an: Zum einen der eigene Ehrgeiz, eine Saison mit einem Triumph zu beenden. Am Ende der Facebook-Watch-Doku "Tom Vs. Time" aus der Saison 2017 sagte Brady zu seiner Frau Gisele Bündchen, dass er erst zurücktreten wolle, wenn er "vielleicht noch einen Super Bowl" erreiche. Super Bowl LV wird sein dritter Super Bowl seit der damaligen Aufzeichnung sein.

Für Brady geht es schlicht darum, den ultimativen Erfolg zu erzielen - in jedem Jahr. Brady spielt seit geraumer Zeit nur noch dafür, Lombardis zu gewinnen. Nach der Pleite im AFC Championship Game gegen die Broncos 2015 ließ er in seinem Gym eine Countdown-Uhr installieren, die die Zeit bis zum nächsten Super Bowl herunterzählte, den er und New England dann auch gewannen - nach unfassbarem 25-Punkte-Rückstand noch dazu.

Zum anderen geht es für Brady wohl auch darum, die letzten Jahre seiner Karriere noch zu genießen, was ihm vielleicht zuvor nur bedingt gelang, weil er eventuell zu verbissen durch die Jahre ging. Und mit Belichick eben auch einen Coach hatte, der "Fünfe" nicht gerade seien ließ. Dieser Perfektionismus ist allerdings auch ein Aspekt, den Brady mit nach Florida brachte, denn auch so drückt er seinem neuen Team einen Stempel auf.

Arians betonte gerade in den vergangenen Wochen häufiger, dass Brady nicht nur als QB anführt, sondern gewissermaßen auch als Coach. Man lasse ihn während des Spiels auch mal Plays selbst auswählen, zudem helfe Brady im Training dabei, die Wide Receiver zu coachen. Aspekte, die früher besonders Peyton Manning nachgesagt wurden.

Brady: Noch lange nicht Schluss

Zudem, auch wenn das vielleicht nicht so ganz im Fokus der Medien stehen mag, dürfte Brady auch deshalb noch spielen, weil seine Kinder allmählich ein Alter erreichen, in dem sie bewusst miterleben können, was ihr Vater auf dem Feld leistet. Zwar war der Nachwuchs auch früher schon im Stadion, doch abgesehen von den Gastauftritten auf dem von Konfetti bedeckten Podium nach Super-Bowl-Triumphen sah man sie eher selten.

Nach dem NFC Championship Game in Green Bay jedoch ging Brady direkt zur Tribüne und die wartende TV-Crew darum, ihn zunächst zu seinem ältesten Sohn (13) zu lassen, der auf der Tribüne auf ihn wartete. Derartige Einblicke gewährte Brady sonst eher selten.

Und generell sah man mehr von Brady in Tampa als zuvor in New England. Im April geriet er in die Schlagzeilen, als er auf dem Weg zu Offensive Coordinator Byron Leftwich ins falsche Haus marschierte, ebenso wurde er aus einem örtlichen Park verwiesen, weil dieser wegen Corona geschlossen war. Im Mai dann nahm er an einem Celebrity-Golf-Match mit Phil Mickelson gegen Manning und Tiger Woods teil. Bei seinem besten Schlag des Tages riss er sich die Hose und sorgte für Lacher auf Social Media.

Vieles davon wäre in New England undenkbar gewesen. Dinge, die ihn zwar sympathischer darstellen, die jedoch so gar nicht ins Ideal von Belichick passen, der lieber keine Nebenkriegsschauplätze aufmacht und alle Dinge außerhalb des Footballs ausblendet.

Angesprochen auf seine 20 Jahre in New England sagte Brady nach dem Super-Bowl-Einzug: "Ich hatte unglaubliche 20 Jahre in New England. Ich würde nichts daran ändern wollen. Das war magisch, all die Beziehungen, die ich aufgebaut habe und die mich zu der Person und zu dem Spieler gemacht haben, der ich heute bin."

Und doch war es an der Zeit für einen Tapetenwechsel, der zu seiner persönlich besten Saison seit seiner bislang letzten MVP-Saison 2017 geführt hat. Eine weitere Lombardi Trophy wäre nun das i-Tüpfelchen auf Bradys erster Saison in der Fremde. Ein Ende derweil ist auch im Alter von 43 Jahren wohl noch länger nicht in Sicht.

Tom Brady steht zum zehnten Mal im Super Bowl, das erste Mal allerdings ohne die New England Patriots und Head Coach Bill Belichick.
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Tom Brady steht zum zehnten Mal im Super Bowl, das erste Mal allerdings ohne die New England Patriots und Head Coach Bill Belichick.

Brady: Statistiken seit 2016 für Patriots und Buccaneers

SaisonTeamSpielePassquote (Prozent)YardsTouchdownsInterceptionsQBR
2016Patriots1267,4355428279,4
2017Patriots1666,3457732870,6
2018Patriots1665,84355291168,4
2019Patriots1660,8405724855,7
2020Buccaneers1665,74633401272,5
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