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Top 10: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 16 in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke bringt euch auf Stand - mit seinen Top-10-Takeaways zu Woche 16 in der NFL.
© getty

Die Regular Season steht kurz vor dem Abschluss, Entscheidungen fallen, Teams werden eliminiert: Was hat Woche 16 gelehrt? Dass die Rams und Seahawks noch immer klar erkennbare Probleme haben. Dass es für Pittsburgh etwas Hoffnung gibt. Dass die Chiefs mit dem Feuer spielen. Wie geht es weiter in Arizona? Und gehen die Dolphins zu harsch mit Tua Tagovailoa um? SPOX-Redakteur Adrian Franke bringt Euch am Montag auf Stand mit seinen zehn wichtigsten Punkten und Einschätzungen zum vergangenen NFL-Sonntag, alle Recaps vom Sonntag gibt es hier.

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Top 10 - die Takeaways zu Week 16 in der NFL

1. Die Dolphins: Playoffs um jeden Preis?

Schon zum zweiten Mal in seiner Rookie-Saison wurde Tua Tagovailoa am Samstag gegen die Raiders gebenched. Das erste Mal war gegen Denver, und einige Parallelen fielen auf: Er hielt den Ball sehr lange, er hatte sichtbare Probleme mit dem Tempo im Play und er wagte es kaum einmal, vertikal zu attackieren. Tagovailoa war schlecht, und das gegen eine zumeist äußerst wacklige Raiders-Defense.

Wie Ryan Fitzpatrick dann das Spiel für Miami rettete, war ein absoluter Wahnsinn und unterstreicht nur noch einmal, was für ein spektakulärer und unterhaltsamer Quarterback Fitzpatrick sein kann. Es unterstreicht aber auch, wie groß doch noch der Unterschied zwischen ihm und Tagovailoa ist. Fitzpatrick lässt die Offensive Line besser aussehen, weil der Ball schneller raus ist, er erkennt Coverages und Blitzer, die Tua überraschen, und er gibt seinen Receivern auch Downfield eine Chance.

Zu diesem Zeitpunkt würde man sich wünschen, dass die Lücke zwischen beiden nicht mehr ganz so groß ist, und dennoch ist es der erwartbare Rahmen. Tagovailoa ist noch jung, er wird lernen, er wird mit der Zeit besser mit dem Tempo zurechtkommen. Wird er ein Franchise-Quarterback? Komplett offen. Allzu viel hat er bislang nicht gezeigt, gerade im Vergleich mit den Rookie-Kollegen Burrow und Herbert.

Flores' Umgang mit seinem hoch gepickten Rookie-Quarterback ist in jedem Fall ungewöhnlich. Im Moment funktioniert er, weil die Defense exzellent ist und weil Miami auf Playoff-Kurs ist; weil Fitzpatrick der perfekte "Komplementär-Quarterback" dafür ist. Es funktioniert für das Team. Jetzt.

Miami: Brian Flores und das kritische Quarterback-Timing

Aber was macht es mit Tagovailoas Entwicklung? Wäre es für ihn nicht hilfreich, diese Spiele auch zu Ende zu spielen? Und was macht es mit der Dynamik im Team, sollte man - was die offensive Seite des Balls angeht - vor allem dank Fitzpatrick die Playoffs erreichen? Was, wenn der Rookie dann das Playoff-Spiel wegwirft - oder Fitzpatrick sie auch in der Postseason zum Sieg führt? Wie schnell kommen Rufe nach Fitzpatrick, falls Tua nächste Woche wieder wackelt? Oder dann eben in den Playoffs?

Oder, sofern die Dolphins den Routinier halten, nächstes Jahr?

Tua wird jetzt nicht plötzlich einen großen Sprung machen, und er hat genug auf Tape gepackt, um damit für die kommende Saison arbeiten zu können. Wäre es dann nicht jetzt sogar sinnvoller, den Rest der Saison mit Fitzpatrick zu spielen und dann das Zepter sauber an Tua zu übergeben, statt ihn jetzt nochmals nach drei schlechten Vierteln raus zu nehmen? An diesem Punkt der Saison sehe ich den Mehrwert für Tua nicht, ob er noch ein Spiel spielt oder nicht macht nicht den großen Unterschied, und mit Fitzpatrick hat Miami definitiv bessere Chancen auf Siege.

Ein Football-Team gerade mit Blick auf die Quarterback-Position kann ein sehr fragiles Gesamtwerk sein, und was jetzt richtig für das Team ist, könnte mittel- und langfristig eine Büchse der Pandora öffnen. Flores muss es schaffen, im richtigen Moment die Fitzmagic-Stützräder von seinem Tua-Fahrrad abzuschrauben und dem Youngster den Lenker in die Hand geben.

Es ist ein ungewöhnlicher Ansatz, der sich jetzt auszahlt. Doch Flores' ganz klar auf die Playoff-Teilnahme in diesem Jahr ausgerichtete Marschroute könnte für ihn und für Tagovailoa kommende Saison dann noch ganz anderweitig ein Thema werden.

2. Die Aufholjagd der Steelers macht Hoffnung

Vor zwei Wochen, nach der Niederlage gegen Buffalo, hatte ich die Alarmstufe Dunkelgelb für die Steelers ausgerufen - die Farbe war im Laufe der ersten Hälfte gegen die Colts ins dunkle Rot übergegangen. Das lag einmal mehr an einer komplett dysfunktionalen Offense, die gegen die Colts abermals ihr hässlichstes Gesicht zeigte. Zumindest für eine Hälfte

Es fing an mit dem ersten Drive - ein Three-and-Out mit drei Incompletions, alle kurz, alle in enge Fenster -, der eine Art Vorschau auf das gesamte Spiel werden sollte. Immer wieder waren es die gleichen Probleme: Roethlisberger wollte den Ball blitzartig loswerden und übersah dabei auch mal offene Receiver und versuchte, Würfe in engste Fenster zu erzwingen.

Mehrfach hatte er dabei auch Interception-Glück, mehrfach war er ungenau und zu spät und brachte nicht ansatzweise genug Power hinter den Wurf. Das erlaubte es Verteidigern regelmäßig, noch Lücken zu schließen, wie etwa auch bei dem Fourth-Down-Pass direkt vor der Colts-Endzone im dritten Viertel. Und dass Pittsburgh kein Run Game hat, ist ebenfalls keine neue Erkenntnis, und auch das ist eine Kombination aus mehreren Dingen: Schwachstellen in der Offensive Line, schlechte Running Backs und ein Run Game, das komplett unabhängig von den Passing-Designs läuft.

Das ist insgesamt ein übergreifender Punkt: Der Offense fehlt jegliche Kohärenz. Die Passing Plays laufen in Isolation ab, und hier und da wird eben mal ein Run eingestreut. Um so konstant zu gewinnen, fehlt jedoch klar die individuelle Elite-Qualität; in der Offensive Line, bei den Receivern, aber auch auf Quarterback. So, wie Big Ben seit einigen Wochen schon spielt, wird man sich in Pittsburgh damit auseinandersetzen müssen, dass Roetshlisberger jetzt vielleicht doch ganz schnell von der sprichwörtlichen Klippe fällt.

Vor den Playoffs: Hoffnung für die Steelers?

Eine Lektion daraus ist einmal mehr, dass eine Elite-Defense gepaart mit einer mittelmäßigen Offense ein sehr fragiles Gebilde ist. Die Defense kann schnell ein paar Prozentpunkte verlieren, und wenn die Offense das nicht ausgleichen kann, entsteht schnell ein Schneeballeffekt. Bei den Steelers wurde dieser Schneeball noch viel größer, weil aus einer mittelmäßigen Offense eine schlechte Offense wurde. Seit mehr als einem Monat gehörte die Steelers-Offense zur Halbzeit dieses Spiels ins untere Liga-Viertel.

Dass sie es doch auch anders können, und dass Roethlisberger doch noch Qualität in seinem Arm hat, sah man dann bei der spektakulären Aufholjagd. Pittsburgh, ein wenig zu seinem Glück gezwungen, warf den Ball endlich tief - und plötzlich war das Feld offen und es entstanden Räume, derer sie sich so häufig in den letzten Wochen selbst beraubt hatten.

Parallel spielte die eigene Defensive Line eine exzellente zweite Hälfte und meldete, gemeinsam mit einigen Fehlern von Philip Rivers, die Colts-Offense ab. Und so steht ein Sieg, der Pittsburgh die Division-Krone beschert, und den Steelers eben auch zeigt, wozu dieses Teams in der Lage sein kann. Ein wenig Hoffnung.

Bleibt abzuwarten, was Pittsburgh davon in den Playoffs zeigt. Die Defense wird dort das Team nicht tragen können.

3. Neues Gefühl, neue Perspektive für die Jets

Wir haben dieses Jahr die Jets viel kritisiert, und viel darüber gesprochen, wie desolat dieses Team gecoacht war. Für einen kurzen Moment muss man dann jetzt auch einmal den Hut ziehen, weil Adam Gase es tatsächlich geschafft hat, dass dieses Team hart spielt. Eine Woche nach dem komplett leblosen Auftritt beim 3:40 in Seattle spielten die Jets ihr bestes Saisonspiel und sorgten mit dem Sieg bei den Rams für die größte Überraschung dieser Saison, nur um dann diese Woche direkt das zweite Playoff-Team in Folge zu ärgern, mit dem Sieg über die Browns.

In einer schon lange verlorenen Saison, in der man seit Wochen das Gespött der Liga war und gerade gnadenlos von den Seahawks zerlegt worden war, kann ein Team auch komplett den Kopf in den Sand stecken.

Die Jets wären nicht das erste Team in dieser Hinsicht gewesen, und es spricht für Gase, dass das abgewendet wurde und das genaue Gegenteil eintrat. Auch wenn die Browns bedingt durch die Receiver-Ausfälle - Mayfield warf den Ball 53 Mal und kein Receiver hatte mehr als 60 Yards - natürlich mit einem Handicap antraten; vor fünf Wochen hätten die Jets gegen dieses Team vermutlich trotzdem verloren.

Glückwünsche sind dementsprechend auch angebracht nach Jacksonville, wo die Jaguars jetzt den Nummer-1-Pick in der Tasche haben und die Fans sich vermutlich schon jetzt auf Trevor Lawrence freuen. Für Jacksonville ist es der 19. Pick in der Top-10 seitdem die Jags 1995 in die NFL gekommen sind - doch der erste Nummer-1-Pick. Drei Mal gab es bisher den Nummer-2-Pick.

Für die Jets ist jetzt die Frage Realität, die letzte Woche nach dem Sieg gegen die Rams bereits diskutiert wurde: Was macht man mit dem Nummer-2-Pick? Wie groß ist der Drop-Off von Lawrence zum nächsten Quarterback-Prospect? Hat sich Darnold noch eine Chance erspielt? Vielleicht sogar Gase ebenfalls?

Letzteres halte ich für ausgeschlossen; Ersteres könnte, je nachdem was dann der neue Head Coach denkt, tatsächlich eine Option sein. Um dann den Nummer-2-Pick meistbietend zu verkaufen, oder den besten Nicht-Quarterback zu wählen. Dieses Szenario wirkt jetzt wieder deutlich wahrscheinlicher - ich bleibe dabei, dass das nicht mein Weg als Jets-GM wäre. Darnold hat Ansätze gezeigt, aber nie mehr, und das wäre mir nicht genug, um die Chance auf einen Quarterback mit dem Nummer-2-Pick auszuschlagen, um noch ein Jahr für Darnold aufzuwenden, um dem neuen Coach nicht den kompletten Neustart zu ermöglichen.

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