NFL

NFL Third and Long Week 6 - der Mailbag zum Spieltag: Wunsch-Trades vor der Deadline - und der Receiver-Hype!

SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet eure Fragen zum vergangenen NFL-Spieltag
© imago images / Icon SMI

Wie steht es um den Hype rund um die Rookie-Receiver-Klasse? Welche Trades sollten Teams anvisieren? Was sagt uns Washingtons Umgang mit der Quarterback-Position für die Zukunft - und wo steht Ryan Tannehill? SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet in seiner Kolumne Eure Fragen zum Spieltag.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Ihr wollt Fragen an die SPOX-NFL-Kolumne stellen? Das geht direkt hier an den Autor!

Die Rookie-Receiver: Was ist dran an dem Hype?

Draft-Klassen zu bewerten ist eine Sache für sich. Manche sagen, dass erst nach drei Jahren das erste Fazit gezogen werden sollte, wenngleich sich bis dahin die Umstände für einzelne Spieler mehrfach verändert haben, Verletzungen eine Rolle gespielt haben und diverse andere Faktoren entscheidendem Impact gehabt haben können.

Der in meinen Augen beste Weg sind regelmäßige Updates. Unmittelbar nach dem Draft bewertet man am ehesten den Prozess eines Teams und gewichtet die eigenen Pre-Draft-Analysen zu den jeweiligen Spielern noch stark.

Diese Einschätzung kann jedoch dann schon bald überholt sein, wenn ein Team einen Spieler überraschend anders einsetzt - und der Spieler plötzlich ungeahnte Qualitäten zeigt. Ein Paradebeispiel dafür ist in diesem Jahr Chargers-Rookie-Quarterback Justin Herbert, der zwar einige der erwarteten Probleme hat - in puncto Deep Passing Game und Umgang mit Pressure aber viel weiter ist als sein College-Tape vermuten ließ.

Manchmal werden Spieler schlicht im College nicht gemäß ihrer Stärken eingesetzt. Das kann die gesamte Draft-Einschätzung über den Haufen werfen - und dann ist es wichtig, die zumindest in den entsprechenden Teilen auch schnell hinter sich zu lassen.

Das Kronjuwel der Draft-Klasse 2020 waren im Vorfeld ohne Zweifel die Wide Receiver. Insgesamt 35 Receiver wurden im Draft dieses Jahr ausgewählt, und damit fast so viele wie Offensive Tackles und Offensive Guards zusammengerechnet (38).

Und was ist der Zwischenstand, das erste Update gewissermaßen? Kurz zusammengefasst: Sehr, sehr gut.

Nach den ersten sechs Spielen gibt es mindestens sieben Rookie-Receiver, die nicht nur positiv herausstechen, sondern bereits tragende Rollen innerhalb ihrer Offenses haben: Justin Jefferson (Vikings), CeeDee Lamb (Cowboys), Chase Claypool (Steelers), Laviska Shenault (Jaguars), Tee Higgins (Bengals), Henry Ruggs (Raiders) und Jerry Jeudy in Denver. San Franciscos Brandon Aiyuk hat ebenfalls immer mehr seine Rolle gefunden.

Auffällig ist dabei, wie die Rookie-Receiver bereits in vorteilhafte Rollen und Matchups gepackt werden. Lamb spielt in Dallas über 90 Prozent seiner Snaps im Slot, wo er rein körperlich schon ein klares Mismatch darstellt. Auch Jeudy mit knapp 80 Prozent im Slot, Ruggs (50 Prozent) und Jefferson (42 Prozent) bekommen den Vorteil, häufiger mit einem freien Release arbeiten und dann das ganze Feld attackieren zu dürfen.

Bei all diesen frühen Erfolgsgeschichten ist außerdem übergreifend klar, was für einen deutlich sichtbaren Plan die jeweiligen Teams für ihre Rookie-Receiver haben.

Claypool in Pittsburgh bekommt von Woche zu Woche eine ausgeprägtere Rolle, nicht nur was die Volume angeht, sondern auch die Art und Weise, wie die Steelers ihn einsetzen. Shenault in Jacksonville ist die klare Nummer 2 und wird wie das Schweizer Taschenmesser eingesetzt, das er ist. Und Ruggs hat die Raiders-Offense komplett transformiert, es ist eine absolut andere Offense, wenn Ruggs auf dem Feld steht.

Wir sind natürlich noch früh im Prozess, sehr früh.

Aber mit der Halbzeit-Marke dieser Saison am Horizont ist mein erstes Zwischenfazit klar: Diese Receiver-Klasse wird dem Hype bislang absolut gerecht, und mehr.

Holredas: Darf man Ryan Tannehill hypen?

Man darf! Mit einigen Einschränkungen, aber man darf. Dass Tannehills Titans-Karriere ziemlich wenig mit seiner Dolphins-Karriere zu tun hat, ist keine Neuigkeit. In Miami hatte er mal gute Phasen, gute Spiele - aber keinen konstanten Erfolg, und wenn die Dolphins mal über einen längeren Zeitraum gut spielten, dann war es meist verknüpft mit einem dominanten Run Game und Tannehill fiel eher selten wirklich auf.

Das änderte sich bereits letztes Jahr, nachdem er für Marcus Mariota in Tennessee übernommen hatte. Die Schlagzeilen bekam oftmals Derrick Henry, gerade weil er dann in den Playoffs für die Highlights sorgte - doch der Spieler, der die Offense geöffnet und sie zur gefährlichsten Big-Play-Offense der Liga gemacht hatte, war Tannehill.

Und hier passte auch einfach viel zusammen. Tannehill war spektakulär im vertikalen Passspiel, Tennessee hatte ein erbarmungsloses Play-Action-Passspiel und arbeitete viel mit simplen mitteltiefen und tiefen Crosser-Elementen. Hinter einer sehr guten Offensive Line, mit Henry als Rushing-Bedrohung und A.J. Brown, der sofort einschlug. Tannehill holte das Maximum aus idealen Umständen heraus.

Was mich dieses Jahr am meisten beeindruckt, ist die Tatsache, dass ein gewisses Maß an Regression genau da eingesetzt hat, wo man es vermuten musste - und Tannehill inzwischen dennoch wieder auf einem sehr hohen Level spielt. Es sind merklich weniger Big Plays bei tiefen Pässen als letztes Jahr, das vertikale Element kommt zwar weiter primär via Play Action, doch über die vergangenen Spiele - synchron zur Rückkehr von A.J. Brown - hat Tannehill sich auch im Dropback Passing Game merklich stabilisiert.

Der Kreuzbandriss bei Left Tackle Taylor Lewan ist jetzt ein echter Schock für dieses Titans-Team, umso mehr, da Erstrunden-Pick Isaiah Wilson bisher zumindest sportlich überhaupt nicht in Erscheinung getreten ist. Das könnte für die Offense noch ein ernsthaftes Problem werden.

Kann Tannehill das Team trotzdem tragen, sollte das nötig werden? Umso mehr, falls die eigene Defense weiter anfällig bleibt? In einer schon jetzt eindrucksvollen zweiten Karriere-Hälfte wäre das ein bemerkenswerter Schritt in Richtung der Top-10-Quarterbacks.

Hendrik: Sind die Steelers das beste oder zumindest das ausgeglichenste Team in der AFC?

Das "beste Team" geht mir doch zu weit, dafür habe ich noch zu viele Fragezeichen. Pittsburghs Offense läuft zunehmend sehr rund, doch wo ist das Ceiling hier für die Steelers? Gleichzeitig ist die Defensive Line eine der zwei, drei besten D-Lines ligaweit; die Secondary dahinter aber wackelt Woche für Woche und gegen stärkere Teams wird sich das auch gravierender bemerkbar machen.

Aber was ich den Steelers gebe, ist, dass sie ausgeglichen sind. Eine Top-10-Defense, eine Top-12-Offense auf die gesamte Liga betrachtet, so würde ich Pittsburgh grob einordnen. Zu was das reicht, wird sich zeigen; meine Vermutung ist, dass Pittsburgh offensiv den konstanten Sprung in die Top-8 schaffen muss, um in dieser Saison wirklich für Furore sorgen zu können.