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NFL-Auftakt Chiefs vs. Texans: Nichts gelernt, nichts gewonnen

Von Adrian Franke
Auf Texans-Quarterback Deshaun Watson und sein Team wartet jede Menge Arbeit
© imago images/Scott Winters

Für die Houston Texans ging der Auftakt in die neue Saison gehörig in die Hose: Beim 20:34 bei Titelverteidiger Kansas City (Hier geht es zu den Highlights des Spiels!) gab es nicht nur eine deutliche Pleite - Houston schien, zusätzlich zu erwartbaren Problemen, auch aus den eigenen Erfahrungen nicht gelernt zu haben. Jetzt gilt es, das Ruder schnellstmöglich herum zu reißen. Doch ist das überhaupt möglich?

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"Wir waren der Meinung, dass wir 50 Punkte brauchen würden. Das haben wir nicht geschafft."

Das war nicht etwa die Analyse von Texans-Coach Bill O'Brien nach der Auftaktniederlage zum Start in die neue Saison. Nein, es waren O'Briens Worte nach dem spektakulären Playoff-Aus an gleicher Stelle im Januar.

Die Texans waren damals blitzartig mit 21:0 in Führung gegangen, Kansas City reihte Fehler an Fehler und wirkte komplett von der Rolle. Und dennoch machte Houston nicht genug aus seinen Möglichkeiten: Statt ein 4th-and-1 an der 13-Yard-Line der Chiefs auszuspielen, wählte O'Brien das Field Goal - nur um dann beim nächsten Drive einen riskanten Fake Punt zu wählen.

Es folgten dann wiederum Punts von der gegnerischen 48-Yard-Line sowie ein Punt bei 4th-and-7 an der eigenen 29-Yard-Line. Als Houston nach jenem letzten Punt den Ball zurück bekam, stand es bereits 41:24 für Kansas City.

Die Lehre anschließend schien klar: Houston war in falschen Momenten konservativ vorgegangen und hatte so die gefährlichste Offense der Liga im Spiel gehalten. Kansas City hatte das auf spektakuläre Art und Weise bestraft. Wer nicht selbst mit einer Elite-Defense aufwarten kann - und selbst dann ist Vorsicht geboten - kann es sich schlicht nicht leisten, gegen diese Chiefs auf (falsche) Sicherheit zu spielen.

Texans: Bill O'Brien knüpft nahtlos an

"Wir haben uns selbst mit dem Rücken an die Wand manövriert. Am Ende war es zu wenig, zu spät. Aber wir können auf einige Dinge aufbauen. Die beiden Fourth Downs waren jeweils lange Yard-Situationen. Wir waren der Meinung, dass das so die beste Entscheidung war."

Dieses Zitat könnte nahtlos an O'Briens Aussagen aus dem Januar anknüpfen, stammen aber aus den Minuten nach dem Auftaktspiel am Donnerstagabend. Wieder in Kansas City, wieder hatte die eigene Defense zu häufig keine Mittel, um die Chiefs zu stoppen - und wieder war O'Brien nicht gerade mit mutigen Entscheidungen während des Spiels aufgefallen.

Die Chiefs und Andy Reid hatten es bei ihrem ersten Touchdown-Drive eigentlich vorgemacht, als sie ein kurzes Fourth Down auf dem Weg Richtung Texans-Endzone erfolgreich ausspielten. O'Brien hätte es ihm direkt beim nächsten Drive nachmachen können - bei 4th-and-4 an der Mittellinie wählte er aber den Punt.

Direkt im Gegenzug legten die Chiefs ihren zweiten Touchdown-Drive hin. Und schon hatte Houston wieder eine Führung in Kansas City blitzartig verspielt.

O'Brien: Selbstkritik - und jede Menge Fragezeichen

Es folgte ein vermasselter Drive vor der Halbzeitpause und als die Chiefs direkt nach der Pause auf 24:7 erhöhten, hätten letzte Vorsichtsmaßnahmen eigentlich über Bord geworfen werden müssen. "Wir konnten den Run nicht stoppen. Wir konnten defensiv Drives nicht beenden", fasste O'Brien anschließend zusammen. "Wir müssen uns sehr schnell deutlich steigern."

Diese Selbsterkenntnis aber lässt umso mehr die Frage nach den Lerneffekten zu. Denn Houston kam direkt wieder in eine solche Situation: 7:24 im Rückstand, Mitte des dritten Viertels, 4th-and-9 an der eigenen 48-Yard-Line. O'Brien wählte den Punt.

Dabei war es noch nicht einmal so, dass Kansas City abermals direkt im Gegenzug punktete, lediglich weitere Zeit von der Uhr nahm die Chiefs-Offense. Doch geht es bei der Kritik hier um O'Briens allgemeinen Ansatz: In dieser Situation sollte es ausschließlich darum gehen, entweder den eigenen Drive zu verlängern und zu punkten - oder aber den Ball schnell zurück zu bekommen mit maximal einem Field Goal gegen sich, damit es ein 3-Possession-Spiel bleibt.

Beide Ansätze würden es erfordern, dass die Offense das vierte Down ausspielt. O'Briens Entscheidung zum Punt legt entweder nahe, dass er aus den eigenen Fehlern nichts gelernt hat - oder aber, dass er seiner Offense nicht vertraute, und man kann darüber streiten, welche Interpretation aus Texans-Sicht alarmierender wäre.

Houston: Wer soll DeAndre Hopkins ersetzen?

Alarmierend war aus Texans-Sicht in jedem Fall eine andere Problematik, die nicht wirklich überraschend kam: Der Abgang von DeAndre Hopkins hat ein sehr großes Loch in diese Offense gerissen, und zumindest gegen Kansas City fand Houston noch nicht die Antworten, um das im Verbund zu schließen.

Insbesondere früh im Spiel, bevor Houston in den Aufholjagd-Modus schalten musste, war es eine ungewöhnliche Texans-Offense. Kaum vertikale Elemente, und das obwohl Kansas City auf Nummer-1-Corner Bashaud Breeland verzichten musste und Nummer-2-Corner Charvarius Ward sich im Laufe der Partie an der Hand verletzte. Viel lief über kurze Pässe zu Running Backs und Tight Ends.

Will Fuller hatte am Ende zwar die meisten Targets (10) und Receiving-Yards (112) aller Spieler, doch auch er löste sich häufig nicht von Rookie-Cornerback L'Jarius Sneed, der zwar sieben Targets in seine Coverage bekam, dabei aber nur zwei Catches für 19 Yards zuließ und eine Interception verzeichnete.

Zwar sollten alle Erkenntnisse aus dem ersten Spieltag mit Vorsicht interpretiert werden - Houston aber wird entweder Will Fuller konstant als Nummer-1-Waffe, oder aber einen besseren Plan brauchen, seine verschiedenen Waffen einzusetzen: Neuzugang Randall Cobb sowie Kenny Stills waren über weite Strecken komplett unsichtbar und mit Duke Johnson droht gleich die erste Verletzung.

Die Idee, dass man mit Cooks und Cobb statt Hopkins zumindest schwieriger ausrechenbar wird und vielleicht in manchen Bereichen offensiv so sogar anders gewinnen kann, ist rein theoretischer Natur, solange Houston seine Waffen nicht auch dementsprechend einsetzen kann.

Chiefs: Edwards-Helaire überzeugt beim Rookie-Debüt

Ganz anders derweil die Stimmung in Kansas City. Die Chiefs dominierten defensiv die Line of Scrimmage und offensiv hatte man stets den Eindruck, dass sie mindestens einen Gang zulegen könnten, wenn nötig.

Die einzige echte Veränderung im Vergleich zur vergangenen Saison fand im Backfield statt, wo Rookie Clyde Edwards-Helaire gleich mit einem starken Debüt auf sich aufmerksam machte. 25 Runs für 138 Yards und einen Touchdown, lediglich im Passspiel nutzten die Chiefs ihn nicht direkt als ausgeprägte Matchup-Waffe. Doch auch dieser Schritt dürfte bald kommen.

"Wir wollten ihm den Ball geben, aber wir hatten vorher keine bestimmte Zahl für seine Touches im Kopf", verriet Coach Reid anschließend. "Uns hat der Mix gefallen, den wir hatten. Das Passspiel hat funktioniert, aber auch das Laufspiel hat funktioniert."

Reid: "Wissen, dass wir uns noch steigern können"

Auch hier gilt wieder eine gewisse Vorsicht vor Schnellschüssen, doch das Auftaktspiel unterstrich einmal mehr die Problematik, die mit dieser Chiefs-Offense einhergeht. Das Passspiel ist so gefährlich, Mahomes und Reid sind so gut und das Waffenarsenal ist so stark besetzt - Tyreek Hill war lange kaum ein Faktor, Mecole Hardman fing nur einen einzigen Ball für sechs Yards -, dass Teams sich darauf fokussieren müssen.

Houston machte genau das, und das auch teilweise gar nicht schlecht: Die Texans agierten viel mit zwei tiefen Safetys und waren dann vielseitig in ihren Pass-Rush-Paketen, sodass Mahomes den Ball häufig schnell loswurde und nur wenige seiner sonst so gefürchteten tiefen Pässe auspackte. Doch während Mahomes dennoch in kritischen Situationen Plays kreierte, zeigte Edwards-Helaire, was er mit Verteidigern im Raum anstellen kann, wenn er den entsprechenden Platz von der Defense bekommt.

Und so war es unter dem Strich eindrucksvoll zu sehen, wie auch Kansas City scheinbar nahtlos anknüpfte an die offensive Dominanz der Vorsaison. Doch auch Defensiv erinnerten die Chiefs eher an die Version ihrer selbst, die sich letztes Jahr in der zweiten Saisonhälfte steigerte, als an die Version, die gerade früh in der Saison doch häufiger bedenklich wackelte.

Kansas City untermauerte mit dem dominanten Auftaktsieg seine Vormachtstellung sowie die eigenen Ansprüche, auch wenn Reid am Ende mit einem indirekten Warnschuss für die Konkurrenz bilanzierte: "Wir haben gute Jungs. Sie wollen gut spielen. Und sie wissen, dass wir uns noch steigern können - daran wollen sie arbeiten. Das war heute mit Sicherheit kein perfektes Spiel. Wir müssen es besser zu Ende spielen. Wir dürfen nicht diese langen Drives und nicht diese Big Plays zulassen. Wir alle können uns noch verbessern."

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