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NBA - Kommentar: Die Brooklyn Nets sind ein Trauerspiel - und dabei ist die Entlassung von Steve Nash das geringste Übel

Kevin Durant und Kyrie Irving im Austausch.
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Die Brooklyn Nets haben sich von Head Coach Steve Nash getrennt. Sportlich vielleicht eine nachvollziehbare Entscheidung, doch gleichzeitig haben sich die Nets von einem Fiasko ins nächste manövriert. Die gesamte Organisation ist nur noch ein Trauerspiel. Ein Kommentar.

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Am Dienstag um 17.52 Uhr deutscher Zeit feuerte Adrian Wojnarowski (ESPN) als erster die Meldung in den Äther: Die Nets haben Head Coach Steve Nash gefeuert. Genau zwei Minuten dauerte es, bis eine kleine Einschränkung folgte. Diese Entscheidung sei "einvernehmlich" getroffen worden, so Woj.

Das unschuldige Wörtchen "einvernehmlich" ist im Sport zu einer Floskel geworden, um dem Entlassenen nicht komplett seine Würde zu nehmen. In diesem Fall entspricht die Beschreibung aber wohl tatsächlich der Realität. Zumindest wäre es nur allzu verständlich, wenn der 48-Jährige dieses Desaster im Big Apple hinter sich lassen will.

Nash sollte froh sein, sich in absehbarer Zeit nicht mehr mit den Brooklyn Nets beschäftigen zu müssen. Er ist endlich frei, kann sein Leben genießen, spart sich tonnenweise Kopfschmerzen. Die Nets-Organisation dagegen ist nur noch ein Trauerspiel.

Brooklyn Nets: Selbst Kerr schreckt vor diesem Team zurück

Nash ist der Sündenbock für alles, was in den vergangenen Wochen und Monaten in Brooklyn schieflief. Das ist keine große Überraschung. Zwar bekam er im Sommer das Vertrauen von Teambesitzer Joe Tsai, doch schon damals zeichnete sich ab: Bei einem schlechten Saisonstart ist er schneller weg, als er eines seiner fast schon legendären TikTok-Videos hochladen kann.

Zur Wahrheit gehört auch, dass Nash in seinen gut zwei Jahren als Head Coach keinen überragenden Job gemacht hat, vergangene Saison stand er zu Recht in der Kritik. Letzten Endes befand er sich allerdings in einer Situation, die Erfolg unmöglich machte. Das brachte Warriors-Coach Steve Kerr ganz gut auf den Punkt: "Egal, ob du Erik (Spoelstra, Heat-Coach, Anm. d. Red.) oder mich in diese Situation geworfen hättest, wir hätten es nicht besser als Steve machen können."

Nash soll General Manager Sean Marks nun mitgeteilt haben, dass er das Team nicht mehr erreiche. Kein Wunder, nachdem Franchise-Star Kevin Durant schon im Sommer seine Entlassung gefordert hatte. Und der Co-Star Kyrie Irving schon kurz nach der Einstellung Nashs im September 2020 behauptete, man benötige eigentlich gar keinen Head Coach.

Brooklyn Nets: Umgang mit Kyrie Irving ist lachhaft

In seinem Abschiedsstatement sprach Nash von einer "unglaublichen Erfahrung mit vielen Herausforderungen", was eine wunderbare Untertreibung ist. Angefangen mit den sportlichen Herausforderungen: Die Nets haben es nicht geschafft, Ben Simmons den Sommer über ins Team zu integrieren - was aber wohl eher auf Simmons als auf den Coaching Staff zu schieben ist.

Der Guard hatte bislang nichts mit dem alten All-NBA-Simmons gemein. Dazu kamen bei den Nets mehrere Verletzungen, eine katastrophale Defense und lustlose Auftritte. Viel schwerer wiegen aber die "Herausforderungen" abseits des Parketts, wo schon seit Monaten das Chaos regiert. Wir müssen an dieser Stelle nicht nochmal alles durchgehen, die Chronologie des Nets-Absturzes ist hinlänglich bekannt.

Der traurige Höhepunkt kam aber erst in der vorigen Woche, als sich herausstellte, dass die Nets einen Point Guard im Kader haben, der sich ganz offensichtlich nicht von antisemitischen Inhalten distanzieren kann.

2021 wurde der damalige Heat-Center Meyers Leonard nach antisemitischen Äußerungen suspendiert und zu einer Geldstrafe verdonnert. Die Nets - genau wie im Übrigen die NBA - haben es bislang verpasst, Irving für seine gefährlichen Tweets und Äußerungen zu bestrafen (laut Marks laufen weiterhin interne Diskussionen).

Damit hat sich die Franchise nicht mit Ruhm bekleckert. Irving einfach nicht mehr mit den Medien sprechen zu lassen, wie es aktuell der Fall ist, und das Thema auszusitzen, ist natürlich auch keine Lösung.

Kevin Durant und die Brooklyn Nets stehen mal wieder vor einem Scherbenhaufen.
© getty
Kevin Durant und die Brooklyn Nets stehen mal wieder vor einem Scherbenhaufen.

Brooklyn Nets und Ime Udoka: Ein PR-Fiasko

Nun bestätigt die Suche nach einem Nash-Nachfolger, dass Brooklyn aktuell wirklich keine potenzielle Tretmine auslassen will. Kaum eineinhalb Stunden nach der Entlassung von Nash sickerte in den Medien durch, dass Ime Udoka quasi schon als neuer Head Coach feststeht und in 24 bis 48 Stunden sein Amt offiziell antreten könnte. Erst kurz vor Saisonstart wurde Udoka von den Celtics aufgrund einer unangemessenen Beziehung mit einer Mitarbeiterin für ein Jahr suspendiert.

Aus moralischer Sicht ist diese Entscheidung im besten Falle als heikel zu bezeichnen, letztlich hat die Öffentlichkeit relativ wenig Infos und Hintergründe zur Suspendierung bekommen. Es könnte womöglich noch mehr dahinterstecken, als bislang bekannt wurde.

Laut NetsDaily soll der ehemalige Celtics-Coach "mehrfach unangemessene Nachrichten an Frauen aus dem Celtics-Staff" geschickt haben. Im schlimmsten Falle kommen noch mehr unschöne Details zu Tage.

Immerhin: Wie Shams Charania (The Athletic) berichtet, sollen die Nets bereits seit Sonntag die Udoka-Hintergründe eigenständig überprüft haben. Das bedeutet wiederum, dass sie Nash schon länger abgeschrieben haben. Und dass sie die geprüften Details offenbar nicht als problematisch ansehen. Beides ist irgendwie schwierig.

Brooklyn Nets: Ums Sportliche schert sich niemand mehr

Schließlich schätzte der aktuelle Ost-Champion die Situation als so gravierend ein, dass der Coach eines Titelanwärters gehen musste. Diese Entscheidung trifft man nicht einfach so. Zwar war es schon immer sehr wahrscheinlich, dass Udoka einen neuen Job finden würde, die Erwartung war aber, dass das eben erst nach Ablauf der einjährigen Suspendierung der Fall ist. Die Nets wollen ihn nach nur knapp sechs Wochen zurück in die Association holen, das wirkt - auch ohne alle Details zu kennen - zu früh und hat einen faden Beigeschmack.

Rein sportlich betrachtet ist Udoka ein guter Kandidat für die Nets. Bei Durant und Irving soll er aus seiner Zeit als Assistant Coach in Brooklyn sehr beliebt sein - will Brooklyn damit wieder Honig um die Mäuler seiner Stars schmieren, was bislang grandios gescheitert ist?

Udoka hat bewiesen, dass er eine hervorragende Defense etablieren - das wird mit diesem Kader aber ein Ding der Unmöglichkeit -, ein Team stabilisieren und ein guter Anführer sein kann. Ob er nach dem Skandal in Boston allerdings noch der richtige Mann für eine Führungsposition in einem so fragilen Gebilde wie das der Nets ist, darf ebenfalls angezweifelt werden.

Um das Sportliche kümmert sich in Brooklyn vorerst eh niemand. Bei Udokas Antrittspressekonferenz wird es in erster Linie um seine Suspendierung und Irvings Tweets gehen. Die Nets setzen mit Udoka auf eine schnelle Lösung ihrer sportlichen Probleme und ignorieren Moral und die Hoffnung auf Ruhe im Umfeld. Bekommen haben sie das nächste PR-Fiasko.

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