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NBA - Michael Jordans erster Draft-Bust: Der unglaubliche Absturz des Ex-Nr.3-Picks Adam Morrison

Die Frisur und der Schnauzer machten Adam Morrison schon zu College-Zeiten zur Legende unter den Fans.
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Als Michael Jordan die Kontrolle über die Charlotte Bobcats übernimmt, macht er Adam Morrison zum 3. Pick im NBA Draft 2006. Der Forward wird zum kompletten Reinfall. Der Hype um den College-Star verfliegt schnell, später macht er durch kuriose Geschichten von angeblichen "Apokalypse-Bunkern" Schlagzeilen. Am 19. Juli feiert Morrison seinen 39. Geburtstag.

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Dieser Artikel erschien erstmals im Juli 2022.

Was von der einst innigen Freundschaft zwischen Michael Jordan und Charles Barkley übrigbleibt, sind letztlich nur noch zwei mit Beleidigungen gespickte Schimpftiraden. Seit 2012 haben die beiden NBA-Legenden nicht mehr miteinander gesprochen, wie Barkley im Podcast "Icons Club" von The Ringer später verrät. Die Fehde beginnt aber schon sechs Jahre früher, kurz vor dem Draft 2006. Sie beginnt mit Adam Morrison.

"Ich habe Michael angerufen, um ihm ein paar Ratschläge zum Draft zu geben", erinnert sich Barkley an ein Telefongespräch mit MJ im Jahr 2006, der sich wenige Wochen zuvor zum Anteilseigner der damaligen Charlotte Bobcats und gleichzeitig zum Chef im Front Office gemacht hat.

Jordan verrät seinem Kumpel, dass er darüber nachdenke, an dritter Stelle im Draft eben jenen Morrison auszuwählen - zum Missfallen von Barkley. "Was?! Du kannst ihn nicht nehmen. Michael, er hat keine Position. Er ist vielleicht ein netter Junge, aber ..." Jordan wiegelt ab. Seine Coaches würden den College-Star mögen. "Michael, niemand [im Front Office] wird dir widersprechen, die sind eingeschüchtert von dir."

Es folgt die erste Schimpftirade Jordans. 2012 wiederholt Barkley seine Kritik am nun Teambesitzer der permanent erfolglosen Franchise. Er habe nur Ja-Sager um sich herum versammelt, sagt Barkley öffentlich in einem Radio-Interview. MJ lässt die zweite Schimpftirade los, seither haben die ehemaligen Freunde kein Wort mehr miteinander gewechselt. Der Stolz verhindert bislang eine Versöhnung, dabei ist zumindest bei der Personalie Morrison klar: Barkley hat recht.

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Adam Morrison: Ein College-Aufstieg wie im Märchen

Beim Blick aufs College-Resümee des damals 22-Jährigen lässt sich durchaus erahnen, warum es der Forward Jordan in einer insgesamt durchwachsenen Draft-Klasse 2006 angetan hat. Der Sohn eines Basketball-Coaches verbringt den Großteil seiner Kindheit in Spokane, Washington, dort wird er an der örtlichen Uni sogar Balljunge bei den Gonzaga Bulldogs.

Sein Talent im Umgang mit dem orangefarbenen Leder beweist der junge Morrison schon früh, doch eine ärztliche Diagnose scheint ihm einen Strich durch die Karriererechnung zu machen: Typ-1-Diabetes. Er ist gerade einmal 13 Jahre alt, als er während eines Basketballspiels einen Anfall erleidet, ins Krankenhaus transportiert wird und dort die Diagnose erhält.

Morrison lernt jedoch, mit der Krankheit zu leben. Er passt seine Ernährung, seinen Alltag an und schon bald wieder knackt er einen Scoring-Rekord seiner High School nach dem anderen. Nun gleicht sein Aufstieg fast einem Märchen. Vom Balljungen zum Star der Bulldogs. Ein Local Hero, der mit seinen langen schwarzen Haaren und seinem unvergleichlichen Schnauzer bei den Fans Legendenstatus erlangt. Der einer schweren Krankheit trotzend zum Vorbild vieler junger Menschen mit Diabetes wird.

Und der eben auch richtig gut zocken kann. Im Vorfeld des Drafts 2006 werden Vergleiche mit Larry Bird laut, Morrison hat zuvor in seinem dritten und letzten Jahr am College 28,1 Punkte im Schnitt für Gonzaga aufgelegt. Gemeinsam mit J.J. Redick erhält er die Oscar Robertson Trophy als bester College-Spieler des Landes. Beim Naismith- und Wooden-Award ist er immerhin Finalist. Der Hype wird so groß, dass er nur noch mit Pseudonym ("Dirk Diggler") in Hotels eincheckt.

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Die Krönung seiner College-Karriere bleibt ihm allerdings verwehrt. Im NCAA-Turnier scheitert Gonzaga herzzerreißend im Sweet Sixteen an UCLA nach einer zwischenzeitlichen 17-Punkte-Führung und gleich mehreren Ballverlusten in den Schlusssekunden. Nach der Niederlage bricht Morrison in Tränen aufgelöst auf dem Court zusammen. Es soll sein letztes College-Spiel bleiben, dem begabten Scorer stehen alle Türen in die NBA offen.

Adam Morrison geht im Draft 2006 als 3. Pick zu den Charlotte Hornets.
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Adam Morrison: MJs Favorit vor Roy, Lowry und Co.

Am Draft-Abend geht an Nummer eins Andrea Bargnani in Richtung Toronto über die Ladentheke, an Position zwei schnappen sich die Blazers dank eines Trades mit den Bulls LaMarcus Aldridge. Und an drei bekommt MJ seinen Wunschspieler, Adam Morrison. Nach ihm werden spätere Stars wie Kyle Lowry, Rudy Gay, Rajon Rondo oder Brandon Roy gezogen.

Im Nachhinein wären sie alle wohl die deutlich bessere Option für Jordan und die Bobcats gewesen. Es dauert gar nicht lange, bis Morrison als Draft-Bust abgestempelt wird. Zwar beginnt seine Rookie-Saison vielversprechend, zum Beispiel mit einem 30-Punkte-Spiel im Dezember, doch schon wenig später ist er seinen Starterposten aufgrund überschaubarerer Leistungen los.

Defensiv ist er auf dem NBA-Level enorm anfällig und das Aushängeschild Morrisons, das Scoring, ist kein Faktor. In seiner Rookie-Saison trifft er nur 37,6 Prozent aus dem Feld für 11,8 Punkte und 2,1 Assists pro Spiel. In der Vorbereitung zur neuen Saison schlägt auch noch das Verletzungspech zu. Kreuzbandriss. Saisonaus.

Somit geht Morrisons komplettes Sophomore-Jahr in der NBA verloren, nach der schwerwiegenden Verletzung kann er seine Karriere nicht mehr umbiegen. Im Februar 2009, nur zweieinhalb Jahre nachdem ihn die Bobcats im Draft ausgewählt haben, schicken Jordan und Co. den Forward gemeinsam mit Shannon Brown per Trade zu den Lakers für Vladimir Radmanovic.

NBA: Die Karrierestatistiken von Adam Morrison

SaisonTeamG / MINPunkteREBASTFG%3FG%
2006/07Bobcats78 / 29,811,82,92,137,633,7
2007/08Bobcatsverletzungsbedingt keine Einsätze-----
2008/09Bobcats/Lakers52 / 13,74,01,50,835,933,3
2009/10Lakers31 / 7,82,41,00,637,623,8
KARRIEREBobcats, Lakers161 / 20,47,52,11,437,333,1
Die Frisur und der Schnauzer machten Adam Morrison schon zu College-Zeiten zur Legende unter den Fans.
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Adam Morrison: "Wenn du einmal das Bust-Label bekommst ..."

"Ich war glücklich, dass Adam gehen konnte, denn er hat sich hier nie wohlgefühlt", lässt der ehemalige Bobcats-Coach Larry Brown kurz nach dem Trade tief blicken. Morrison kommt offenbar mit der hohen Erwartungshaltung an ihn, den dritten Pick im Draft, nicht zurecht. "So ist das nun mal als hoher Draft-Pick", sagt Brown. "Hoffentlich kann er anderswo sein Potenzial erreichen."

Das gelingt Morrison nicht. Zwar listen ihn die Annalen der NBA als zweifachen Champion mit den Lakers, doch in Purple-and-Gold absolviert er in eineinhalb Jahren nur ganze 39 Partien in der regulären Saison und insgesamt nur 13 Minuten in den Playoffs.

"Wenn du einmal dieses Bust-Label bekommst, ist es schwierig, es abzuschütteln", blickt Morrison Jahre später bei Bleacher Report auf seine NBA-Karriere zurück. "Aber das ist auch berechtigt. Jemand investiert einen Top-5-Pick in dich und du schaffst es nicht, abzuliefern." Seine Krankheit nutzt er nie als Ausrede, auch wenn er zugibt, dass es in Anbetracht des eng getakteten NBA-Spielplans härter ist, mit Diabetes umzugehen, als von ihm zunächst angenommen.

Als er nach der Saison 2009/10 entlassen wird, versucht er sein Glück bei Roter Stern Belgrad und Besiktas, sportliche Erfolge sammelt er in Europa aber ebenfalls nicht. Nach einem erfolglosen Comeback-Versuch in der Summer League hängt er 2012 seine Sneaker an den Nagel. Die Profikarriere des ehemaligen Nr.3-Picks hält gerade einmal sechs Jahre und 161 Spiele in der NBA.

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Adam Morrison: Der "Apokalypse-Bunker" des Vorstadt-Dads

Nicht ganz zu Unrecht gilt Morrison deshalb als einer der größten Draft-Busts der Geschichte. Der Hype um seine College-Auftritte war im Nachhinein übertrieben, seine fehlende Athletik - verstärkt durch den Kreuzbandriss - macht ihn in der Association angreifbar. Es hilft womöglich auch nicht, dass er selbst bei den eigenen Teamkollegen keinen sonderlich guten Eindruck hinterlässt.

2015 beschwert sich Jared Dudley über seinen "ekelerregendsten" Mitspieler aus Bobcats-Zeiten: "Erinnert ihr euch an Adam Morrison? Er hat nie geduscht, er hat das ganze Jahr über dieselben drei Polo-Shirts getragen. Gerald Wallace musste ihn mal zum Duschen zwingen. Stellt euch das mal vor. Das war ein erwachsener Mann."

Es bleibt nicht bei dieser einen kuriosen Story nach Morrisons Karriereende. Ein Jahr später plaudert der damalige Gonzaga-Star Kyle Wiltjer aus dem Nähkästchen. "Der Typ ist voll vorbereitet, sollte es eine Apokalypse geben. [...] Essen, Waffen, alles. Er hat einen Bunker", so Wiltjer im Podcast "Pardon My Take". Zumindest habe er davon gehört, selbst gesehen habe er den Bunker noch nie.

Natürlich verbreitet sich diese Anekdote dennoch wie ein Lauffeuer durchs Internet, auch wenn Morrison es später bestreitet. Einem Reporter von Bleacher Report zeigt er einen Schutzraum in seinem Haus, in dem Waffen und Vorräte lagern, dafür gedacht, um seine Familie vor eventuellen Raubüberfällen zu schützen. "Vielleicht würden das manche als Bunker betrachten", lautet das Fazit des Journalisten.

Seither ist es dann aber doch relativ ruhig um Adam Morrison geworden. Der heute 38-Jährige lebt ein gemütliches Leben als Vorstadt-Dad seiner drei Kinder. Der Schnauzer ist weg, genau wie die lange Mähne. Sein NBA-Gehalt hat er eigener Aussage zufolge gut angelegt, zudem begleitet er mittlerweile die Spiele seiner Bulldogs als Experte fürs Radio. Die Ächtung als Draft-Bust hat er hinter sich gelassen. Jordan und Barkley haben sich noch immer nicht versöhnt.

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