NBA

NBA Finals, Warriors vs. Celtics - Andrew Wiggins springt für Stephen Curry in die Bresche: Der Albtraum aller Wolves-Fans

wiggins
© getty

Andrew Wiggins hat die Golden State Warriors mit einer starken Vorstellung einen Schritt näher an die Championship gebracht. Der Kanadier deutet endlich an, warum er einst als Top-Pick über die Ladentheke ging und scheint in der Bay Area seinen Platz gefunden zu haben.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Holger Geschwindner, Dirk Nowitzkis Mentor und Coach, vergleicht Basketball immer wieder mit Jazz. Das Spiel hat einen gewissen Rhythmus, die Instrumente müssen zueinander passen, damit etwas Gutes dabei herumkommt. Das muss aber gar nicht mal nur auf das Spiel eines Einzelnen gemünzt werden, sondern kann auch auf das Teamkonzept angewendet werden.

Man blicke nur auf Andrew Wiggins, der nun schon seit 2014 in der NBA spielt, aber erst jetzt seinen Platz in der Band gefunden hat. "Er hat in unserem Team eine so wichtige Rolle und ich denke, dass ihn das stärker macht. Er weiß, wie sehr wir ihn brauchen und bisher ist er schlichtweg fantastisch", schwärmte Warriors-Coach Steve Kerr nach dem 104:94-Sieg in Spiel 5.

So wie in einer Jazz-Band, wenn die Instrumente miteinander harmonieren und einen eigenen Sound ergeben. Das basiert gerne mal auf Improvisation, so wie das oft gelobte Spiel der Warriors.

Stephen Curry ist das Saxophon, das lebendige Element, Draymond Green der etwas harte Kontrabass und Wiggins agiert in dieser Serie als das Schlagzeug, der Motor der Band.

Andrew Wiggins ist hinter Stephen Curry der zweitbeste Warrior in den NBA Finals - in Spiel 5 war er der überragende Mann.
© getty
Andrew Wiggins ist hinter Stephen Curry der zweitbeste Warrior in den NBA Finals - in Spiel 5 war er der überragende Mann.

NBA Finals - Warriors-Star Andrew Wiggins: Auf ihn ist Verlass

Jener Motor wurde in Spiel 5 auch dringend gebraucht, da der bisher so dominierende Curry die schlechteste Shooting-Performance seiner Playoff-Karriere hinlegte (0/9 Dreier). Hätte vor dem Spiel jemand gesagt, dass Golden State trotzdem gewinnen würde, er wäre wohl schief angeschaut worden. Erst recht, wenn man noch hinzugefügt hätte, dass ausgerechnet Andrew Wiggins mit 26 Punkten und 13 Rebounds die Kohlen aus dem Feuer holen würde.

Jener Wiggins, der in Minnesota die Erwartungen als Top-Pick nicht erfüllen konnte, der nie den Sprung zu einem Franchise-Star machen konnte, obwohl er wie einer bezahlt wurde. Jener Wiggins, der doch eigentlich alle Anlagen besitzt und dies ab und an auch zeigt, der an anderen Tagen aber so unauffällig spielt, dass man sich nach 48 Minuten fragt, ob er überhaupt am Spiel teilgenommen hat.

In Spiel 5 fühlte man dagegen den Kanadier, er stach hervor. Wiggins spulte fast 43 Minuten ab, verteidigte erneut in Person von Jayson Tatum den besten Gegenspieler, arbeitete unter den Brettern und fand für die Warriors Offense, als sie Schwierigkeiten hatten zu scoren. Zum Beispiel Mitte des zweiten Viertels, als die Celtics auf -6 verkürzten. Der Warriors-Forward zog ein And-1, traf einen Fadeaway, traf einen Putback und scorte nach einem klugen Cut.

Wiggins trat als Scorer auf, ein enormer Bonus zu seiner eigentlichen Rolle im Warriors-System. Er machte all die kleinen Dinge und entlastete Curry in den Phasen, in denen Golden State mit Green und Gary Payton II zwei Non-Shooter auf dem Feld stehen hatte. Er ist ein Star in seiner Rolle und spielt Playoffs auf All-Star-Niveau, nachdem es Anfang des Jahres viele noch belächelt hatten, dass Wiggins dank asiatischer Hilfe zum All-Star-Starter ernannt wurde.

NBA Finals - Andrew Wiggins: Im Schatten der großen Namen

Fest steht, dass die Warriors ohne Wiggins nicht da stehen würden, wo sie heute stehen - nur einen Sieg entfernt von einer weiteren Championship. In einem alternden Team liefert der Forward die dringend benötigte Athletik und hilft den Warriors dabei, ihren Small Ball erfolgreich zu gestalten, auch wenn Boston fast die komplette Serie mit einem oder gar zwei Bigs spielt.

In knapp sechs Jahren in Minnesota legte Wiggins nur zehnmal mindestens 10 Rebounds auf, im Warriors-Jersey sind es nun in gut zwei Jahren schon elf Fälle. Das ist ein kleiner Stat, der die neue Aggressivität, aber auch Konstanz des Kanadiers belegt. Die Anlagen waren schließlich immer da, nur spielte er sie viel zu selten aus. Meist geschah dies gegen Cleveland, das Team, welches Wiggins 2014 nicht haben wollte und lieber für Kevin Love tradete.

Auch als Teil der Warriors gelangen Aktionen wie die in der vergangenen Nacht meist dann, wenn es gegen die Wolves ging. Doch wenn er nicht gerade gegen seine Ex spielte, blieb Wiggins ein Rätsel, teilweise ein Enigma, der aber im Schatten der Strahlkraft von Curry, Klay Thompson oder Green an seinen Aufgaben wuchs. Schon im Vorjahr erhielt Wiggins immerhin eine All-Defense-Stimme, nach diesen Finals werden es sicherlich mehr werden.

Andrew Wiggins: Wen interessiert noch der Vertrag?

Dass Tatum in dieser Serie gerade einmal 37 Prozent aus dem Feld und aberwitzige 30 Prozent aus dem Zweierbereich versenkt, ist auch ihm zu verdanken. Selbst einen Maestro wie Luka Doncic konnte Wiggins zumindest ärgern, nicht nur mit seiner Defense. Denn Wiggins ist nicht "nur" ein Defensiv-Spezialist, sein Skillset ist so breit gefächert, dass er zeitweise Spiele übernehmen kann - so gesehen im zweiten Viertel, so gesehen im Schlussabschnitt.

8 Punkte kamen im vierten Viertel noch hinzu, auch wieder in Phasen, in denen Golden States Offense stockte. Aggressiver und entschlossener war Wiggins noch nie. "Die Leute hier fordern dich heraus und sorgen dafür, dass du auf dem Teppich bleibst", so Wiggins über die Warriors. "Jeder will, dass du Erfolg hast, jeder gönnt dir nur das Beste und sie stecken dich in Situationen, in denen du Gutes tun kannst."

Davon hat Wiggins nun jede Menge geliefert, das Narrativ um ihn herum ist nun ein komplett anderes. Dass "Maple Jordan" mit einem Gehalt von 31,6 Millionen Dollar im Jahr überbezahlt ist, davon spricht inzwischen kaum noch jemand (nur ESPN versucht es weiter krampfhaft).

Das war auch in der Bay Area nicht immer so. Als die Warriors im Vorjahr das Play-In gegen Memphis vergeigten, war einmal mehr Wiggins der Sündenbock, als dieser in der Crunchtime Backstein um Backstein warf (3/9 FG im vierten Viertel und OT) und viele sich in ihrer Meinung über Wiggins bestätigt fühlten.

Kurz vor dem Start der aktuellen Spielzeit sorgte Wiggins' Impfstatus für Furore, erst zwei Wochen vor Saisonstart holte er sich nach viel Kritik den Shot. Nun, nicht mal ein Jahr später, ist es auch ihm zu verdanken, dass Curry und Co. noch keine Tickets für Cancun gebucht haben.

Stattdessen greifen die Dubs nach einem weiteren Titel und es gibt leichte Rufe nach einem Finals-MVP namens Andrew Wiggins. Keine Sorge, liebe Wolves-Fans, das wird nicht passieren, aber sollten die Warriors die Finals schaukeln, wird diese Championship auch mit Wiggins verknüpft sein. Mit 27 Jahren hat er seine Band endlich gefunden, nun fehlt nur ein letzter Akkord für die Standing Ovations.

NBA Finals - Warriors vs. Celtics: Die Serie im Überblick (3-2)

SpielDatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
13. Juni3 UhrGolden State WarriorsBoston Celtics108:120
26. Juni2 UhrGolden State WarriorsBoston Celtics107:88
39. Juni3 UhrBoston CelticsGolden State Warriors116:100
411. Juni3 UhrBoston CelticsGolden State Warriors97:107
514. Juni3 UhrGolden State WarriorsBoston Celtics104:94
617. Juni3 UhrBoston CelticsGolden State Warriors-
7*20. Juni2 UhrGolden State WarriorsBoston Celtics-

*falls nötig

 

Artikel und Videos zum Thema