NBA

NBA Playoffs: Marcus Smart ist ein würdiger DPOY - aber wir müssen auch über seine Offense reden

Marcus Smart ist endgültig zum Anführer der Boston Celtics aufgestiegen.
© getty

Marcus Smart ist der erste Guard seit einer halben Ewigkeit, der als Defensive Player of the Year ausgezeichnet wurde. Es gibt gute Gründe, warum das normalerweise nicht passiert, der 28-Jährige ist trotzdem ein Spezialfall. Und noch wichtiger für die Boston Celtics ist, dass er mittlerweile auch offensiv seine Rolle gefunden hat.

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So richtig hatte Marcus Smart selbst nicht daran geglaubt, dass es für ihn mal klappen würde mit dem Defensive Player of the Year-Award. Oder war das nur seine Art des Lobbyismus? Falls ja, hätte es jedenfalls gut funktioniert, was er am 9. März bei Twitter geschrieben hatte:

"Irgendwo im Kleingedruckten für diesen Award steht Regel 47.1A: 'Keine NBA-Guards ohne die Initialen GP dürfen den DPOY gewinnen'". Genau das ist nun doch passiert - Smart ist der erste Guard seit 1996, der als bester Defensivspieler der Liga ausgezeichnet wurde. Den Award dafür übergab ihm praktischerweise der letzte Sieger, der von ihm zitierte "GP" Gary Payton.

Smarts Gewinn hatte sich in den vergangenen Tagen abgezeichnet, schließlich geben ja viele der zur Abstimmung berechtigten Journalisten im Voraus ihre Picks bekannt, und trotzdem kommt es überraschend. Viele stänkern folglich schon dagegen, vom Viertplatzierten Bam Adebayo bis zu Experten wie Nate Duncan, der das Ganze als "PR-Award" bezeichnete.

Vielleicht spielte die recht laute Kampagne der Celtics über die letzten Wochen tatsächlich eine Rolle. In gewisser Weise spiegelt die Wahl allerdings auch bloß wider, wie kompliziert das Thema Defense nach wie vor zu greifen ist, gerade, wenn es um einzelne Spieler geht.

Marcus Smart: Nie verteidigt nur einer

Verteidigt wird ja nunmal nicht im Vakuum, auch wenn Eins-gegen-Eins wichtig ist. Für die Team-Defense sind große Spieler in der Regel wichtiger, beziehungsweise, ihr defensiver Impact lässt sich leichter belegen. Spieler wie Rudy Gobert etwa werden wesentlich häufiger "herausgefordert" und es lässt sich beispielsweise festhalten, dass Spieler in ihrer Nähe viel schlechter abschließen, als wenn ein normaler Big in der Nähe ist (oder dass die Jazz-Defense absolut nicht konkurrenzfähig ist, wenn Gobert nicht mitspielt).

Solche Metriken sind schon nicht perfekt, bei Spielern auf dem Flügel ist es aber sogar noch komplizierter, weil viel von dem, was sie tun, gar nicht im Boxscore auftaucht. Um es mit Daniel Theis' Worten zu sagen: "[Smart] wird nicht wie Rudy Gobert Spiele mit 15 Rebounds und 6 Blocks haben, aber das macht ihn nicht zu einem schlechteren Verteidiger."

Smart ist im Wesentlichen DPOY geworden, weil er der beste Verteidiger der besten Defense der Liga ist, aber selbst hier lässt sich darüber streiten, ob nicht Robert Williams, Jayson Tatum oder Al Horford einen vergleichbar großen Einfluss haben. Wie gesagt, Team-Defense; ein gutes Defensiv-Team lebt nie nur von einem guten Verteidiger (den Jazz müsste das noch jemand mitteilen ...).

DPOY: Es war ein komisches Jahr

Es half auch noch der Umstand, dass es ein komisches Jahr ohne klare Nummer eins war. Draymond Green war auf dem Weg dorthin, verpasste aber die halbe Saison. Adebayo verpasste 26 Spiele. Die Teams von Gobert und Giannis Antetokounmpo waren defensiv nicht toll. Mikal Bridges, der Zweiter wurde, ist in gewisser Weise ähnlich, aber wohl etwas subtiler brillant als Smart.

Denn, das sollte nicht unter den Tisch fallen: Smart ist ein brillanter Verteidiger, sowohl individuell als auch im Team-Konzept. Er ist auch kein gewöhnlicher Guard - er macht die Ansagen als defensiver Quarterback, wie es sonst die Bigs tun. Er lässt keine Mismatches zu, weil er auch Bigs verteidigen kann, und macht dadurch die einzigartige Celtics-Defense erst möglich.

Smarts Teamkollege Williams kann seine Rolle als Roamer nur deshalb so spielen, weil die anderen vier Spieler auf dem Court switchable sind und es keine Lücke im Konzept gibt. Normalerweise ist der Point Guard diese Lücke - Smart hingegen ist ekliger zu spielen als jeder andere und liefert dazu jede Menge Big Plays als Help-Defender, bisweilen sogar auch als "kleiner" Ringbeschützer (siehe dieses Beispiel aus Spiel 1 gegen die Nets!).

DPOY: Ergibt eine Reform des Awards Sinn?

Letzten Endes mussten einige Umstände zusammenkommen, damit Smart diesen Award gewinnen konnte, und in Zukunft würde es vielleicht Sinn ergeben, den einflussreichsten Team-Verteidiger und den besten Flügelverteidiger separat auszuzeichnen - in dieser Spielzeit ist Smart aber auch unter dem geltenden "Regelwerk" ein würdiger Titelträger.

Für die Celtics wiederum ist eine andere Entwicklung von Smart wichtiger. Seine Defense ist ja seit Jahren elitär, was bisher zwei All-Defensive First Teams belegen (20/21 war ein etwas schwächeres Jahr). Selbst die Kritiker dürften eingestehen, dass er auf seiner Position defensiv seit Jahren zu den Besten gehört. Fraglich war eigentlich ja nur das andere Ende.

Smart war erst für seinen miesen Wurf, später dann für die fragwürdige Wurfauswahl bekannt. Ob er ein offensiver Decision-Maker, ein Starting Point Guard sein könnte, wurde noch während dieser Saison angezweifelt. Zum vielzitierten Turnaround der Celtics-Saison gehört aber auch, dass Smart offensiv in seinem achten Jahr endgültig seine Rolle gefunden hat.

Marcus Smart: Endlich ein "echter" Point Guard

Noch unter Brad Stevens wurde Smart oft als Shooting Guard neben Spielern wie Isaiah Thomas, Kyrie Irving oder Kemba Walker eingesetzt - Ime Udoka hingegen setzte ihn in erster Linie auf die Eins. Diese Entscheidung wurde auch dadurch gestützt, dass die Zahlen schon in den vergangenen Jahren dafür sprachen, dass Smart und die Celtics am besten waren, wenn er als nomineller Aufbau fungierte.

Das ist in dieser Saison mehr denn je der Fall, vor allem, seitdem die Rotation während der Saison durch den Trade von unter anderem Dennis Schröder gekürzt wurde. Seitdem Smart Ende Januar aus dem Corona-Protokoll zurückkehrte, hatte das einstmals miese Offensiv-Team aus Boston die beste Offensive der Liga.

NBA: Die Celtics mit Smart als Point Guard

Saison% Spielzeit als Point GuardNet-RatingOffensiv-Rating
14/1511+5,2112,3
15/1613+5,4103,2
16/176+9,9113,4
17/185+10,2103,5
18/198+10,6113,7
19/2023+9,9110,1
20/2127+0,4112,1
21/2251+13,7119

Jayson Tatum: "Dachten alle, dass Marcus werfen würde"

Smart ist dabei nicht der große Scorer, aber der vielleicht talentierteste Passer im Kader und außerdem jemand, der den Ball gerne schnell macht. Er kann zudem auch selbst als Blocksteller beispielsweise für Jayson Tatum fungieren und den Ball aus dem Short-Roll weiterspielen oder selbst abschließen, auch wenn das nicht sein primärer Job ist.

Er liest das Spiel wesentlich besser, als sein Ruf das über Jahre angedeutet hatte. Natürlich zeigte dies kein Play besser als der Game-Winner in Spiel 1 gegen Brooklyn, als Smart eben nicht selbst abdrückte, sondern den cuttenden Tatum für einen besseren Wurf fand. Selbst dieser war überrascht, wie er im Anschluss zugab: "Wir dachten alle, dass Marcus werfen würde."

Er tat es nicht - und das passte zum Smart der vergangenen Wochen und Monate. "Wunderschön! Er sieht wieder aus wie ein echter Point Guard", schwärmte auch Draymond Green nach dieser Aktion. Smart ist berühmt für seine Defense, jetzt auch offiziell mit höchsten Ehren ausgezeichnet - aber er ist für die Celtics nun auch offensiv ein Schlüssel.