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NBA - B.J. Armstrong im Interview: "Man bräuchte sechs Monate, um die Wahrheit zu erzählen"

Dirk Nowitzki umarmt Larry Bird nach seinem letzten Heimspiel für die Dallas Mavericks.
© getty

B.J. Armstrong spielte viereinhalb Jahre an der Seite von Michael Jordan bei den Chicago Bulls und wurde zu einem Vertrauten des vielleicht größten Spielers der Geschichte. SPOX sprach mit dem dreifachen Champion über den Teamkollegen MJ, "The Last Dance" und das Geschäft Basketball.

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Außerdem sprach der 53-Jährige, der mittlerweile als Agent unter anderem von Derrick Rose arbeitet, über die Unterschiede zwischen seiner und der heutigen Ära und das "Player Empowerment" in der NBA.

Herr Armstrong, wir müssen mit "The Last Dance" beginnen. Ein Highlight der Serie war die Szene, in der Michael Jordan im Locker Room seinen Baseball-Schläger geschwungen, eine Zigarre geraucht und sich eingestimmt hat - auf ein Duell mit Ihnen. Wie war das für Sie als Zuschauer?

B.J. Armstrong: Das war ziemlich witzig. Mich hat es fasziniert, wie viele Menschen sich noch heute, über 20 Jahre später, so stark für diese Geschichte interessiert haben. Ich kannte die Jungs alle, hatte mit ihnen zusammengespielt. Was den Moment angeht ... Man tut, was man tut, um sich für das Spiel zu motivieren - und so wie in dieser Szene sah das bei einem der größten Wettkämpfer der Geschichte aus. Mir hat das im Nachhinein Spaß gemacht, wir haben zusammen darüber gelacht.

Sie spielten selbst sechs Jahre bei den Bulls, viereinhalb davon zusammen mit Jordan. Hat Ihnen die Serie etwas Neues über Jordan gezeigt oder Sie gar überrascht?

Armstrong: Überrascht wurde ich nicht. Für viele Fans war es die erste Möglichkeit, solche Eindrücke zu bekommen, was in der Kabine oder im Training passiert. Als jemand, der aber selbst dabei war, kannte ich die ganze Geschichte, die von so einer Serie unmöglich komplett erzählt werden konnte. Dafür ist jeder Mensch zu facettenreich. Die Serie hat es aber geschafft, einen Einblick zu geben in Michaels Seele und in diese Zeit. Es hat gezeigt, wie getrieben er und diese Teams waren, welcher Level von Exzellenz von jedem von uns erwartet wurde. Man konnte als Außenstehender besser nachvollziehen, was nötig war, um der Beste oder die Besten der Welt zu werden.

Es ging viel um seinen "harten" Führungsstil. Sie waren beim ersten Threepeat (1991-1993) dabei - wie ausschlaggebend war dieser Stil wirklich für den Erfolg? Und was ist daran vielleicht Mythos?

Armstrong: Man bräuchte sechs Monate, um die Wahrheit zu erzählen. (lacht) Auch bei dem Thema. Wenn jemand der echte Leader dieser Teams war, dann war das Bill Cartwright. Er war die Stimme, der Elder Statesman unserer Gruppe. Jordan war der beste Spieler, nicht nur bei uns, sondern in der Liga. Er hatte eine natürliche Aggression in seinem Spiel und seiner Persönlichkeit, dazu kam dieses unglaubliche Talent. Was uns aber als Team ausgezeichnet hat, war die gegenseitige Ehrlichkeit. Man sah von Michael, dass er von Mitspielern etwas gefordert hat, aber er hat nie etwas gefordert, was er nicht selbst getan hat. Es schadet nicht, wenn dein bester Spieler auch der wetthungrigste ist. Trotzdem war es ebenso wichtig, dass neben den jungen Stars wie ihm und Scottie Pippen auch die älteren Spieler wie Cartwright oder John Paxson gehört wurden. Das war ein Kollektiv, es sind nicht alle blind einer Stimme gefolgt.

Sie kamen 1989 zu den Bulls. Wie lange brauchten Sie, um sich neben Jordan in diesem Kollektiv zurechtzufinden?

Armstrong: Für mich war Michael von Anfang an ein exzellenter Teamkollege. Da hatte ich nie Probleme. Man kann nicht mehr tun, als jeden Tag hart zu arbeiten und sein Bestes zu geben. In der Doku wurde es etwas anders dargestellt, aber meine Ansicht hat sich nie verändert: Michael war sehr entspannt, ein großartiger, oft ermutigender Teamkollege, aber wir hatten einen Job zu erledigen. Es wurde mal gewitzelt, aber vor allem wollten wir gewinnen. Ich habe das respektiert und deswegen gab es auch von Anfang an nie Probleme. Ohne diese Mentalität wirst du kein Champion. Für mich war die NBA ein Traum, aber mein Ziel war es, ein echter Profi zu sein. Lernen, wie man 82 Spiele übersteht, sich auf einen bestimmten Moment fokussiert, Wege findet, mit Widrigkeiten umzugehen.

B.J. Armstrong im Steckbrief

NBA-SaisonsMeisterschaftenAll-StarSpielePunkte/SpielAssists/SpielDreier%
103 (1990-92; Bulls)1x (1994)7479,83,342,5

Jordan hat das damals offensichtlich besser hinbekommen als alle anderen. Was hat ihn abgehoben?

Armstrong: Er war seiner Zeit weit voraus. Er war der beste Athlet, aber er hatte auch eine zerebrale Sicht des Spiels, die fast niemand hatte. Die NBA war damals anders: Teams wurden um Center gebaut, nicht um 1,98 Meter große Shooting Guards. Später gaben ihm alle bereitwillig seine Lorbeeren, aber damals brauchte es Mut sowohl von ihm als auch von den Bulls, darauf zu bauen, dass er Chicago zum Titel führen kann. Das passierte ja nicht im ersten Jahr, aber er hat den Glauben nie verloren. Es ist auch in dieser Hinsicht großartig, was er alles überstanden hat. Ohne das massive individuelle Talent wäre das alles zwar nicht möglich gewesen, aber der Geist war ähnlich wichtig.