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NBA Above the Break: LeBron James, Giannis Antetokounmpo und die Definition eines MVPs

LeBron James war unzufrieden mit der Stimmenverteilung bei der MVP-Wahl.
© getty

LeBron James hat mit seinen Kommentaren zur MVP-Wahl von Giannis Antetokounmpo nicht zum ersten Mal für Aufsehen gesorgt. Above the Break untersucht die Aussagen des Lakers-Stars und sucht Lösungsansätze für die tatsächlich frustrierende MVP-Situation.

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Am vergangenen Freitag wurde der Gewinner des diesjährigen MVP-Awards bekannt gegeben, diesmal ohne Awards-Show nach der Saison, sondern mit einer Pressemitteilung und einer virtuellen Pressekonferenz mit Preisträger Giannis Antetokounmpo. Das war ungewohnt, ansonsten nahmen die Dinge jedoch ihren üblichen Lauf, was vor allem eins bedeutete: Diskussionen.

Weniger über den Preisträger selbst - dass Giannis den Award gewinnen würde, war prinzipiell seit Monaten bekannt, auch in der Deutlichkeit war mit dem Ergebnis zu rechnen, auch wenn LeBron James sich an dem Stimmenverhältnis störte. Eigentlich ging es um Grundsatzdiskussionen, an denen sich LeBron ebenfalls beteiligte.

Das ergibt auch Sinn: MVP-Debatten lassen sich seit anderthalb Jahrzehnten mit ihm verbinden, ein Kandidat ist er sowieso immer, sein elfter Platz im Jahr 2019 war das schlechteste Abschneiden in LeBrons gesamter (!!!) Karriere. LeBron ist der MVP seiner Ära, insofern dürfte er sich über die Jahre den einen oder anderen Gedanken über den Award und den Wahlprozess gemacht haben.

Leider verhinderte dies nicht, dass sich James bei seiner Reaktion auf die Wahl - ähnlich wie viele andere Debattierende - einiger Klischees bediente, die zwar zu seiner Argumentation passten, deswegen aber längst nicht alle stichhaltig waren. Das ist auf ein altes "Problem" zurückzuführen, das von der NBA durchaus billigend in Kauf genommen wird; aber bevor wir dazu kommen, stellen wir erstmal einige seiner Aussagen auf den Prüfstand.

Werden die Stimmen willkürlich verteilt?

"Ich hatte in einem Jahr die Chance, Defensive Player of the Year und MVP zu werden. Und in dem Jahr wurde Marc Gasol Defensive Player of the Year, aber er war nur im All-Defensive Second Team. Das ergibt keinen Sinn. Das ist, als wäre man MVP der Liga und nur im All-NBA Second Team. Da habe ich angefangen, die Dinge wirklich ein bisschen anders zu sehen. Ich dachte mir, warum ergibt das irgendeinen Sinn?"

Es ist richtig, dass diese Diskrepanz komisch aussieht - allerdings ist sie nicht mit einer schiefen Linie der Wähler zu erklären. Im Gegenteil: In der angesprochenen Saison (2012/13) wählten die Medien den DPOY, während die All-Defensive Teams von den NBA-Coaches bestimmt wurden, es waren also einfach unterschiedliche Wähler.

Im Jahr zuvor erlebte Tyson Chandler das exakt gleiche Schicksal, was die NBA dazu verleitete, den Wahlprozess zu verändern. Mittlerweile werden sowohl der DPOY als auch die All-Defensive Teams von den Medien gewählt. Würde eine solche Diskrepanz also heute vorkommen, wäre es tatsächlich ein Argument für Willkür, die angesprochene Gasol-Saison dient hierzu aber nicht.

Auch das MVP/Second Team-Thema gab es durchaus schon, als mit Bill Russell und Wilt Chamberlain die beiden besten Spieler der Welt auf der gleichen Position spielten. Russell wurde fünfmal MVP, in drei dieser fünf Saisons galt er jedoch als zweitbester Spieler seiner Position, stand also im Second Team. Wilt? Viermal MVP, siebenmal First Team.

Diese Diskrepanz sah ebenfalls komisch aus, ist jedoch genau so mit dem Wahlprozess zu erklären. Die All-NBA Teams wurden in den Anfangsjahren der Liga von den Medien gewählt, die deutlich schwerer als heute Bewegtbild von allen Spielen bekommen konnten und so in einem ziemlich hohen Maße die bis heute unglaublichen Statistiken Chamberlains zu Rate zogen, bevor sie wählten.

Den MVP wählten jedoch die Spieler, und niemand wurde in seiner Ära so respektiert und auch gefürchtet wie der elffache Champion Russell, Wilt eingeschlossen. Es ergibt also durchaus Sinn, dass hier mit unterschiedlichen Blickwinkeln und Wählern unterschiedliche Resultate herauskommen können, die mit Willkür nichts zu tun haben.

Ist die Wahl narrativ-basiert?

"Es ist manchmal etwas komisch. Ich weiß nicht, wie intensiv wir das Spiel wirklich sehen, oder ob es uns nur darum geht, eine gute Geschichte zu erzählen."

Im Prinzip hat LeBron hier einen wichtigen Punkt angesprochen: Nicht selten ließen sich in der Geschichte der Liga Wähler von Narrativen leiten und kürten so einen MVP, der unter rein objektiven Gesichtspunkten wohl nicht zum wertvollsten Spieler der Liga gewählt worden wäre.

Karl Malones Wahl im Jahr 1997 kommt in den Sinn; Michael Jordan gewann mit den Bulls in dieser Saison 69 Spiele (statt Utahs 64) und war, nun, Michael Jordan. Da der Hauptdarsteller von "The Last Dance" aber schon vier MVP-Awards im Schrank stehen und sich so wohl eine gewisse Wählermüdigkeit eingestellt hatte, stimmten am Ende genug Wähler für den unter keinem Gesichtspunkt "wertvolleren" Malone.

Auch in der jüngeren Vergangenheit finden sich Beispiele: 2017 diktierte eine Statistik zu einem ungewöhnlich großen Anteil die Wahl ("Russell Westbrook hat ein Triple-Double im Schnitt!"), 2011 war ein junger, spektakulärer Hometown-Hero namens Derrick Rose eine weitaus nettere Geschichte als "LeBron hat sein altes Team in Trümmern hinterlassen und ist auch in Miami der wertvollste Spieler der Liga" oder "der MVP heißt Dwight Howard".

Wenn LeBron sich in einer Saison übergangen fühlen konnte, war es vermutlich diese, auch für 2014/15 ließe sich mit einem gewissen Wohlwollen argumentieren - aber: In dieser Saison, 2019/20, ist der Kommentar nicht angebracht. Giannis war der Spieler, für den sportlich nahezu jedes Argument sprach, seine Wahl war völlig legitim.

Wer (öffentlich) für LeBron stimmte, erklärte dies hingegen teilweise mit dem keineswegs sportlichen Argument, dass die Lakers im Lauf der Saison den Tod von Franchise-Legende Kobe Bryant verkraften mussten und LeBron sie zusammenhielt. Auch wenn er das getan hat - wer so wählt, tut genau das, was LeBron zurecht kritisiert und wählt narrativ-basiert.

Sind die Stimmen das wahre Problem?

"Es pisst mich an, weil ich von 101 Stimmen 16 Stimmen für den ersten Platz bekommen habe. Das hat mich mehr angepisst als alles andere."

Diese Aussage verleitete eher zum Schmunzeln. LeBron hatte demnach kein großes Problem damit, nicht der MVP zu sein, aber es störte ihn, dass er nicht wenigstens 20 (oder 30? 40? 50?) First-Place-Votes bekommen hatte? Klingt logisch.

Andererseits: Die Deutlichkeit eines solchen Ergebnisses hat LeBron schon mindestens einmal verärgert. Als Stephen Curry 2016 zum ersten einstimmigen MVP der Geschichte gewählt wurde (LeBron schrammte 2013 um eine Stimme daran vorbei), stellte James zwar nicht die Wahl in Frage, sagte aber, dass man "wertvoll" ja durchaus unterschiedlich definieren könne.

Curry war damals nicht begeistert und man kann darüber streiten, ob dieser Kommentar nötig war, genau wie die neuerlichen Aussagen zur Giannis-Wahl. Eine gewisse Wahrheit beinhalten sie teilweise trotzdem.

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