Johnny ohne Football

Von Sebastian Hahn
Johnny Manziel spielte bis 2015 für die Cleveland Browns
© getty

Johnny Manziel trat in den ersten beiden Jahren seiner NFL-Karriere in nahezu jedes Fettnäpfchen. Anfang März zogen die Cleveland Browns die Reißleine und entließen ihre ehemalige Quarterback-Hoffnung in die Free Agency. Seitdem ist es ruhig geworden um Johnny Football. Zu ruhig, um seine Laufbahn noch einmal zu rebooten?

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Mai 2014: Die Cleveland Browns haben sich soeben mit den Philadelphia Eagles auf einen Tausch ihrer Erstrunden-Picks geeinigt, die Franchise aus Ohio will mit dem nun 22. Pick ihren bis dato ereignisreichen Draft-Abend abrunden und nach Cornerback Justin Gilbert noch einmal richtig zuschlagen.

Johnny Manziel ist das Ziel der Browns, die in dem Gewinner der Heisman Trophy für den besten College-Spieler ihren zukünftigen Franchise-Quarterback sehen.

Roger Goodell betritt also erneut die Bühne und verkündet die Wahl der Browns - in ganz Ohio brechen Jubelstürme los. Überall feiern Fans die Verpflichtung des wegen seiner Money-Geste landesweit bekannten QBs, seit der Ankunft von LeBron James in Cleveland herrschte in Ohio wohl nicht so ein Ausnahmezustand.

Der Cleveland Plain Dealer titelt am kommenden Tag "Here's Johnny" und zeigt dabei jubelnde Fans auf der Titelseite. Cleveland scheint nach der Rückkehr in die NFL 1999 endlich wieder hoffnungsvoll in Richtung Playoffs zu blicken.

Johnny Sturzflug

Knapp zwei Jahre später wirken diese Bilder wie ein Ausschnitt aus einer Komödie, denn mittlerweile brechen die Fans der Browns beim Namen Johnny Manziel nicht mehr in Jubelstürme aus. Eher schwanken sie zwischen Kopfschütteln und Facepalms. Am 11. März setzen die Browns der Manziel-Ära ein Ende und entlassen ihren ehemaligen First-Round-Pick, der in acht Spielen eine 2-6-Bilanz auflegt und dabei je sieben Touchdowns und Interceptions produziert. Ein Heilsbringer sieht anders aus.

Dabei sind Manziels Leistungen auf dem Spielfeld nicht mal das größte Problem für die Verantwortlichen in Ohio. Nach einer durchwachsenen Rookie-Saison, in der Manziel nicht an einem gelinde gesagt unterdurchschnittlich agierenden Brian Hoyer vorbeikommt, weist sich der zu diesem Zeitpunkt 22-Jährige selbst in eine Suchtklinik ein, um seine Drogen- und Alkoholprobleme zu behandeln.

Johnny hin und her

Pünktlich zum Sommer scheint Manziel dann wieder fit, frei von Problemen abseits des Feldes und bereit dazu, um den Starter-Posten in Cleveland zu kämpfen. Immerhin ist Hoyer mittlerweile in Houston: Josh McCown heißt der neue Rivale Manziels.

Der Ausgang ist bekannt: McCown setzt sich in der Preseason durch, überzeugt im Anschluss aber nicht durch seine Leistungen und muss wegen mehrerer kleinerer Verletzungen immer wieder passen.

Trotzdem versäumt es Coach Mike Pettine, Manziel die Rolle des Starting-QBs zu geben, obwohl dieser gegen die Tennessee Titans, Cincinnati Bengals und auch die Pittsburgh Steelers ordentliche Leistung zeigt. Zur Bye Week revidiert Pettine dann aber seine Entscheidung und kürt "Johnny Football" zum Starter.

Der 23-Jährige zeigt sich danach aber ausgelassen beim Feiern in seiner Heimat Texas - und wird prompt wieder suspendiert. Austin Davis übernimmt die Aufgabe des Signal Callers. Erst in Week 14 darf Manziel wieder ins Geschehen eingreifen und holt umgehend einen 24:10-Sieg gegen die 49ers. Es scheint mit dem Sophomore wieder bergauf zu gehen - bis sich Manziel kurz vor Saisonende erneut einen Fehler leistet. Einen Fehler, den ihm die Browns diesmal nicht verzeihen.

Johnny Schnauzbart

Manziel fällt in Week 17 mit einer Gehirnerschütterung aus. Statt aber sein Team beim letzten Spiel der Regular Season gegen die Steelers zu unterstützen, taucht er lieber mit Schnurrbart unter und verbringt ein Wochenende in Las Vegas. Natürlich fliegt er auf. Kurz danach kommt es zum wiederholten Male zum lautstarken Streit mit seiner Freundin Coleen Crawley, infolgedessen Manziel sie mehrfach geschlagen und ihr Trommelfell zum Platzen gebracht haben soll, wie sie behauptet.

Der Vorfall hat schwere Folgen: Nicht nur das Dallas Police Department und die NFL nehmen Ermittlungen gegen den 23-Jährigen auf, auch sein Agent Erik Burkhardt beendet die Zusammenarbeit. In dessen Statement sticht heraus, dass sein Schützling beratungsresistent gewesen sein soll und nichts von den Vorschlägen Burkhardts wissen wollte. Der neue Browns-Coach Hue Jackson erklärt bei seiner Antritts-PK, dass "wir so ein Verhalten hier nicht brauchen und auch nicht tolerieren werden."

Nach zwei Jahren setzen die Browns ihre ehemalige Hoffnung folgerichtig vor die Tür, ausgerechnet der verletzungsanfällige und charakterlich ebenfalls nicht immer pflegeleichte Robert Griffin III wird anschließend von Cleveland verpflichtet, über den zweiten Pick des Drafts soll ein weiterer Signal Caller folgen.

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Johnny arbeitslos

Während Brock Osweiler einen millionenschweren Deal bei den Texans unterschreibt und selbst Mark Sanchez in Denver noch eine Chance zu bekommen scheint, muss Manziel nun zusehen, wie das Interesse an seiner Person fast täglich abnimmt. Von einem gemunkelten Interesse der Dallas Cowboys ist immer mal wieder die Rede, Besitzer Jerry Jones erklärte aber vor kurzem auf der Team-Website: "Es ist deutlich wichtiger, dass er sein Leben in den Griff bekommt. Vorher brauchen wir über keine Unterschrift reden."

Gibt es also noch einen Markt für den schon jetzt als Draft-Bust abgestempelten Johnny Football? Laut Agent Drew Rosenhaus, der den 23-Jährigen seit Anfang März vertritt, soll es mehrere Teams geben, die wegen des Quarterbacks schon mal bei ihm angeklopft haben.

Und warum auch nicht?

In Zeiten, in denen Chiefs-Backup Chase Daniel ohne nennenswerte NFL-Erfahrung für drei Jahre und 21 Millionen Dollar bei den Eagles unterschreibt und Case Keenum der Starter der Los Angeles Rams sein soll, wird wohl auch für Manziel noch irgendwo ein Platz zu finden sein - nur eben nicht mehr als Heilsbringer einer Franchise.

Denver wird sich nach dem Super-Bowl-Sieg wohl keinen Chaoten der Sorte Manziel nach Colorado holen, und so ziemlich jedes Top-Team der Liga dürfte selbst vor der Backup-Variante Manziel zurückschrecken, schließlich könnte der 23-Jährige die Teamchemie gefährden. Los Angeles scheint noch eine mögliche Option. Dort könnte er wohl auch um den Starter-Posten kämpfen. Allerdings ist es fraglich, ob eine Großstadt wie L.A. Manziel wirklich gut tun würden. Sollte er bis zum Draft keine neue Franchise gefunden haben, wird er wohl in der Preseason um einen Backup-Spot kämpfen müssen.

Johnny Favre?

Vielleicht tut ihm genau dieser Schritt in die zweite Reihe aber gut. Zwei Jahre lang musste er quasi die Hoffnungen einer ganzen Franchise schultern. Für einen jungen Spieler ein enormer Druck, unter dem man eben auch, das zeigt Manziel, zusammenbrechen kann. Das Talent für einen Starter-Job in der NFL hat Manziel definitiv, dass haben seine guten Ansätze in einer schwachen Browns-Truppe im Vorjahr gezeigt. Er muss sich aber eben mehr auf den Sport und nicht um das Drumherum konzentrieren.

Die NFL-Historie liefert hier sogar ein prominentes Fallbeispiel: Brett Favre. In seiner ersten Saison bei den Atlanta Falcons fabrizierte der heutige Hall-of-Famer in seiner Rookie-Saison zwei Interceptions bei vier Passversuchen und trieb Coach Jerry Glanville dazu, ihn bereits nach einem Jahr zu den Green Bay Packer zu veräußern.

Brett Favre: Green Bays legendäre Nummer 4

"Ich musste ihn trocken bekommen. Ich musste ihn in eine Stadt schicken, wo um 21:00 Uhr alle Geschäfte dicht machen und wo es keine großen Klubs gibt. Hätte ich ihn nach New York geschickt, würde heute niemand wissen, wer Brett Favre eigentlich war", erklärte Glanville 2010 in einem Radio-Interview.

Die Sphären des Gunslingers wird Manziel wohl schwer erreichen können, der Sargnagel für seine NFL-Laufbahn steckt aber noch nicht im Holz. Allerdings darf sich "Johnny Football" keine Eskapaden mehr erlauben. Sonst ist seine Karriere endgültig vorbei.

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