"Die Mädels machen vor, wie's geht"

Von Interview: Thomas Gaber/Christian Bernhard
Hansi Hinterseer anno 1974: Der österreichische Technikspezialist gewann sechs Weltcuprennen
© Imago

Als Entertainer verzückt Hansi Hinterseer seit über 15 Jahren die Volksmusikfans weiter über die Grenzen seiner Heimat Österreich hinaus. Unzählige Preise, Goldene und Platin-Platten hat der inzwischen 56-Jährige eingeheimst. Dass er in seinen jungen Jahren ein exzellenter Skirennläufer war und unter anderem 1974 Vizeweltmeister im Riesenslalom wurde, ist darüber fast in Vergessenheit geraten.

Cookie-Einstellungen

Kurz vor dem Start der Winterspiele in Vancouver spricht Hinterseer bei SPOX über die Probleme der deutschen Alpinen im Allgemeinen und Felix Neureuther im Besonderen, den Umbruch im Team Austria und den potenziellen Olympia-Superstar.

SPOX: Herr Hinterseer, im Januar gab es das 70. Hahnenkammrennen in Kitzbühel bei Kaiser-Wetter und der gebürtige Kitzbüheler Hansi Hinterseer war nicht vor Ort. Das passt irgendwie nicht zusammen.

Hansi Hinterseer: Ich liebe diesen Sport, aber ich muss mich schweren Herzens davon trennen, immer dabei zu sein. Mein Job ist jetzt das Singen und ich bin viel auf Tournee. Da bleibt keine Zeit mehr, beides zu machen. Ich bin auch nicht mehr Experte beim "ORF". Aber wir Rennläufer sind eine große Familie. Egal, ob man vor sechzig, vierzig oder vor zwei Jahren gefahren ist. Man gehört doch immer dazu und hält die Verbindung.

SPOX: Die deutschen Skifans hatten in diesem Jahr ausgerechnet in Kitzbühel etwas zu feiern: Felix Neureuther hat den Slalom auf dem berühmten Ganslernhang gewonnen. Auch die österreichischen Fans haben applaudiert.

Hinterseer: Das wundert mich nicht. Auch ich habe mich für den Felix gefreut. Er ist für den Weltcup sehr wichtig und ein irrsinniger Sympathieträger. Felix hat viel Talent, hat aber auch sehr hart an sich gearbeitet. Am Ganslernhang in Kitzbühel zu gewinnen, ist einmalig.

SPOX: Apropos Ganslernhang: Die Familien Neureuther und Hinterseer verbindet dort eine Erfolgsstory.

Hinterseer: Und ob. Die Väter Christian Neureuther und Ernst Hinterseer haben den Slalom in Kitzbühel gewonnen. Und die Söhne haben es den Vätern nachgemacht. Dazu kommt, dass mein Vater den Christian trainiert hat.

SPOX: Felix Neureuther ist der einzige deutsche Fahrer mit Medaillenchancen in Vancouver. Wo hakt's bei den deutschen Herren?

Hinterseer: (lacht) Da müsst's eure Leut fragen! Es ist schade, dass die deutschen Herren hinterherfahren. Der Weltcup braucht eine starke deutsche Mannschaft. Die Mädels machen vor, wie's geht. Der deutsche Markt ist für den gesamten Wintersport sehr wichtig. Und an der Begeisterung der deutschen Fans beim Biathlon sieht man das enorme Potential in Deutschland.

SPOX: Nicht nur die deutschen Herren haben Probleme. Auch die österreichischen Speedherren sind nicht mehr so schnell. Fehlen dem ÖSV Typen wie Stephan Eberharter und Hermann Maier?

Hinterseer: Wo Superstars sind, werden junge, talentierte Fahrer blockiert. Die Mannschaft ist vielleicht im Augenblick ein wenig schwach, aber das wird wieder werden. Man darf die Österreicher nicht zu früh abschreiben. Wir haben talentierte Nachwuchsfahrer in der zweiten Reihe, die eine schlagkräftige Mannschaft bilden. Leider haben sich von den Jungen in der Abfahrt gleich fünf verletzt und das spürt man natürlich. Mit Benjamin Raich haben wir noch immer einen herausragenden Individualisten. Walchhofer ist immer noch schnell, wenn auch nicht mehr der Jüngste. Mario Scheiber ist auf einem guten Weg retour und wird sicher bald Rennen gewinnen.

SPOX: Eberharter und Maier haben eine gesunde Rivalität gepflegt. Muss man Egoist sein, um im Skisport erfolgreich zu sein?

Hinterseer: Wenn Bode Miller in der österreichischen Mannschaft mitfahren würde, würden die Österreicher sagen: "Bist du deppert, was will der bei uns? Der passt hier nicht rein." Miller ist Einzelgänger, war aber jahrelang sehr erfolgreich. Als Rennfahrer muss man auch egoistisch sein. Wenn du brav bist, kommst du nicht weit. Es gibt Ausnahmeathleten, die dauernd vorne mitfahren. Dann kommen die, die brav mitfahren, aber eigentlich nix reißen. Man sieht's bei den Deutschen: Da gewinnt der Neureuther in Kitzbühel, aber hintendran ist es eine Katastrophe.

SPOX: Die Skispringer laufen den Skifahrern den Rang ab in Österreich. Das war vor zwei, drei Jahren unvorstellbar.

Hinterseer: Das liegt einzig und allein am Erfolg. Die Jungs um Gregor Schlierenzauer springen gut und machen tolle Werbung für ihren Sport. Die österreichischen Speedfahrer fahren etwas hinterher. Das kann sich aber ganz schnell wieder ändern. Die Schweizer haben lange Zeit überhaupt nix gewonnen im Skifahren. Und jetzt wechseln sich Didier Cuche und Carlo Janka mit Siegen ab. Der eine gewinnt die Abfahrt, der andere den Super-G. Und in den technischen Disziplinen sind die Österreicher nach wie vor sehr stark. Reinfried Herbst gewinnt viele Slalom-Rennen und Benni Raich fährt seit Jahren vorne mit.

SPOX: Wer wird der große Superstar in Vancouver?

Hinterseer: Ich gebe keine Prognosen ab. Bei den Damen haben Lindsay Vonn und Maria Riesch sicherlich viele Chancen auf Medaillen. Aber du kannst dreieinhalb Jahre alles gewinnen und im olympischen Rennen alles verhauen. Da muss alles zusammenpassen.

SPOX: Hubertus von Hohenlohe nimmt mit 50 zum fünften Mal an Olympischen Spielen teil. Wäre das nichts für Sie?

Hinterseer: (lacht) Der Hubsi liebt den Sport und kann's nicht lassen. Aber er geht ein Risiko ein, das eigentlich nicht sein muss. Ich bin lieber als Zuschauer dabei.

Alle Medaillenentscheidungen auf einen Blick