Pro und Contra zur Absagenflut bei der Kadernominierung für Olympia: Ein Armutszeugnis für den deutschen Fußball

Holte sich eine Absage nach der nächsten ab: Stefan Kuntz.
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Die deutsche Mannschaft ist mit nur 18 Spielern zum Olympischen Fußballturnier nach Japan gereist. Trainer Stefan Kuntz holte sich eine Absage nach der nächsten ab. Ist das peinlich? Das Pro und Contra.

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Pro: DFB und DFL zeigen olympischer Idee den Mittelfinger

Von Martin Volkmar

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Olympia-Absagenflut durch die 36 Erst- und Zweitligisten ist ein Armutszeugnis für den deutschen Fußball.

Denn DFB und DFL könnten nach der desaströsen EM positive Schlagzeilen dringend gebrauchen, verschlafen die Chance zur Werbung in eigener Sache aber aus kleingeistigem Egoismus - und zeigen der olympischen Idee im Vorbeigehen noch den Mittelfinger.

Ja, es gibt viele Gründe gegen eine Teilnahme in Tokio. Angefangen von der Sinnfrage, ob diese Pandemiespiele überhaupt hätten stattfinden sollen. Hinzu kommt die Dauerbelastung der Spieler und das Problem für Mannschaften wie Spieler, dass sie in der Saisonvorbereitung fehlen würden.

Deshalb kann man gleich der FIFA die Schuld an dem Schlamassel geben, weil sie keine Abstellungspflicht für Olympia vorgibt. Doch damit machen es sich die Verantwortlichen im deutschen Fußball zu einfach.

Spanien nominiert sogar sechs EM-Teilnehmer

Die DFL lässt den DFB alleine, der wiederum dem Konflikt aus dem Weg geht und im Gegensatz zu anderen Ländern auf eine nationale Lösung verzichtet. Der spanische Verband dagegen lässt sich weder von Real Madrid noch vom FC Barcelona reinreden und hat in Pedri, Eric Garcia, Pau Torres, Dani Olmo, Mikel Oyarzabal und Unai Simon sogar sechs EM-Stammkräfte nominiert.

Eine Topnation, die tatsächlich ihre beste Mannschaft zu den Spielen schickt, um dort die Goldmedaille zu holen - in Deutschland leider undenkbar. Wobei der Verzicht auf die EM-Teilnehmer des DFB ja grundsätzlich nachvollziehbar ist (auch wenn die Mehrheit bei der Endrunde deutlich weniger gespielt hat als Halbfinalist Spanien).

Mit bestmöglichem Team hätte DFB um Gold gespielt

Aber es wäre nicht zu viel verlangt gewesen, das bestmögliche Team hinter der A-Mannschaft auszuwählen. Allein schon deshalb, weil der jüngere Jahrgang der U21, der 2019 Vize-Europameister wurde und damit die Olympia-Qualifikation schaffte, dieses für einen Sportler einmalige Erlebnis verdient gehabt hätte.

Mit den besten aus dem 97er-Jahrgang plus dem Kern der aktuellen U21-Europameister um (die allesamt fehlenden) Niklas Dorsch, Lukas Nmecha und Ridle Baku sowie drei älteren Profis wie Jerome Boateng oder Lars Stindl hätte das DFB-Team um den Titel gespielt und Interesse, vielleicht sogar Begeisterung für eine deutsche Nationalmannschaft wecken können.

Teilnahmslosigkeit, Desinteresse und Ablehnung in der Liga

Stattdessen herrscht bei den meisten Bundesligisten Teilnahmslosigkeit, Desinteresse und teilweise sogar Ablehnung gegenüber der olympischen Idee. Dem großen FC Bayern war es nicht mal möglich, seinen dritten Torwart abzustellen, da zogen viele andere Klubs dann gerne nach.

So machte sich Stefan Kuntz am Ende mit gerade mal 18 Spielern (davon drei Torhüter) auf die Reise nach Japan, gleich vier Plätze konnten nicht besetzt werden. Ein Schlag ins Gesicht für den Trainer und auch für die vielen Sportler, die trotz aller Quälerei keinen Platz im Olympia-Kader bekommen konnten.

Wenige Wochen nach der EM-Pleite und angesichts anhaltender Imageprobleme blamiert sich der deutsche Fußball somit völlig unnötig ein weiteres Mal. Und verpasst zudem die große Chance, mehr Talenten die gerade in der aktuellen sportlichen Krise umso wichtigere Erfahrung auf höchstem internationalen Niveau zu ermöglichen. Ein klassisches Eigentor sozusagen.

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