Timanowskajas Flucht: IOC sanktioniert belarussische Funktionäre

SID

Das IOC greift im Fall "Timanowskaja" durch: Zwei belarussische Funktionäre werden von den Spielen in Tokio ausgeschlossen. Das zwielichtige NOK reagiert gereizt - die Auseinandersetzung wird über Tokio hinaus geführt werden.

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Das IOC hat im Fall "Kristina Timanowskaja" zwei Sündenböcke aus dem Olympischen Dorf geschmissen - und stößt auf Widerstand aus Belarus.

Damit setzt sich die Auseinandersetzung zwischen den mächtigen Herren der Ringe und dem Problem-NOK auf olympischer Bühne fort. Für Präsident Thomas Bach ist die Angelegenheit "nicht abgeschlossen", die Gegenspieler aus Belarus wehren sich gegen "jegliche Form der Diskriminierung".

Via Telegram teilte das Nationale Olympische Komitee, das ohnehin bereits vom IOC sanktioniert worden ist, seinen Standpunkt zum Rausschmiss der Funktionäre Juri Moisewitsch und Artur Schumak mit. Die Belarussen behalten sich demnach "das Recht vor, gegen die Entscheidung Berufung einzulegen". Fünf Tage nach der aufsehenerregenden Flucht und dem öffentlichen Hilferuf der Leichtathletin Timanowskaja ist der Polit-Thriller noch immer nicht ausgestanden.

Die Disziplinarkommission werde den Fall weiter untersuchen "und ihre Schlüsse ziehen", sagte Bach am Freitag. Allerdings, betonte er auch mit Blick auf mögliche direkte Anweisungen aus der Regierung des autoritären Staatschefs Alexander Lukaschenko an die beiden sanktionierten Funktionäre, sei "das IOC nicht in der Position, das politische System eines Landes zu verändern."

In Belarus spielt der Sport eine herausragende Rolle - nicht zuletzt für den international scharf kritisierten Lukaschenko. 23 Jahre war der als "letzter Diktator Europas" bezeichnete Präsident auch Vorsitzender des NOK, bis er die Polizei nach seiner umstrittenen und von der EU nicht anerkannten Wiederwahl im Sommer 2020 auf die Demokratiebewegung und auch viele Sportler hetzte.

"Ich will einfach nur meine sportliche Karriere verfolgen"

Lukaschenko fiel beim IOC in Ungnade, Sohn Wiktor ist als sein Nachfolger bis heute nicht anerkannt. Darauf verwies Bach. Die Sanktionen führten aber nicht dazu, dass Sportlerinnen wie Timanowskaja in Tokio frei ihre Meinung äußern dürfen. Was mit sportlicher Kritik am Trainerteam begann, führte über das Exil in der polnischen Botschaft nach Warschau, wo die 24-Jährige nun ein neues Leben beginnen muss. In Sicherheit erzählt Timanowskaja nun ihre Geschichte.

Chef-Trainer Moisewitsch und Schumak, stellvertretender Leiter des nationalen Trainingszentrums, hätten ihr mit "ernsthaften Konsequenzen" gedroht. Auch ein Psychologe habe ihr Angst machen sollen, sagte sie im Interview mit der Zeitung Die Welt: "Er sagte mir mehrfach, dass ich Probleme mit meinem Kopf hätte und fing an, unverständliche Dinge über manische Zustände zu erzählen. Er erklärte, dass Personen, die in so einem Zustand sind wie ich, sich das Leben nehmen."

Von ihren Eltern habe sie zudem erfahren, "dass im Staatsfernsehen Material über mich gezeigt wurde, in dem ich als gestörte Persönlichkeit in schlechter psychischer Verfassung dargestellt wurde". Gegen ihren Willen sollte sie von Tokio nach Minsk gebracht werden. Es entwickelte sich ein politischer Skandal, von dem sie nach eigener Aussage selbst überrascht wurde.

Die Sprinterin beteuert: "Ich will einfach nur meine sportliche Karriere verfolgen. Ich habe mit meinen Eltern gesprochen, und sie sagten, Polen wäre eine gute Option, weil sie irgendwann auch hierher ziehen könnten."

Timanowskaja berichtete, ihr Ehemann Arseni Zdanewitsch sei ebenfalls auf dem Weg nach Polen, wo vermehrt belarussische Regierungskritiker Zuflucht suchen. Das Vertrauen in ihre Heimat hat Timanowskaja endgültig verloren. "In mir ist etwas zerbrochen. Ich habe gespürt, dass sie keinen Respekt vor den Sportlern haben, vor meiner Arbeit und der Anstrengung, die ich in den Sport stecke und die sich zeigt, indem ich unser Land vertrete", sagte sie.

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