Olympia-Kommentar: Team D ist im besten Fall ein Europa-League-Verein

Team D kommt mit nur 37 Medaillen im Gepäck nach Deutschland zurück.
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Die Olympischen Spiele in Tokio sind aus sportlicher Sicht mit einem enttäuschenden deutschen Gesamtergebnis zu Ende gegangen. Einen Vorwurf kann man Team D aber gar nicht machen. Deutschland ist bei weitem keine führende Sportnation mehr. Ein Kommentar.

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Bei einem nüchternen Blick auf den Medaillenspiegel fällt das Fazit eindeutig aus: Nur 10 Goldene. Insgesamt nur 37 Mal Edelmetall. Das ist die schlechteste Bilanz seit der Wiedervereinigung. Im Medaillenspiegel ist es auf den Platz bezogen sogar das schlechteste Abschneiden seit den 1950er-Jahren.

Zum ersten Mal ist Deutschland sogar wieder unter die 40-Medaillen-Marke gerutscht, obwohl die Wettbewerbe insgesamt mehr werden. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten gab es keine einzige Medaille in Mannschaftssportarten. Selbst in traditionellen Spezialdisziplinen wie Schießen, Rudern oder Kanu gab es Enttäuschungen.

Team D ist keine Sportmacht mehr. Team D ist ein sympathischer Europa-League-Verein. Im besten Falle. Das ist die bittere Wahrheit. Das ist die Erkenntnis von Tokio.

Team D wird genauso wenig Meister wie Frankfurt

Hockey-Legende Moritz Fürste hat im SPOX-Interview vor Beginn der Spiele erklärt, warum Deutschland bei weitem keine Top-3-Nation mehr bei Olympischen Spielen ist.

Im Endeffekt war das noch untertrieben: Im Vergleich mit den Top 6 in Tokio bestehend aus den USA, China, Japan, Russland, Großbritannien und auch Australien steht Deutschland auf verlorenem Posten.

Diesmal war man nicht mal mehr "Best of the Rest", selbst die Niederlande landete vor Team D. Die USA und China hatten am Ende mehr Goldmedaillen auf dem Konto als Deutschland Medaillen insgesamt. Es liegen Welten dazwischen.

Warum ist das so? Die einfachste, aber eben auch wichtigste Erklärung lautet wie im Fußball: Geld. Wenn ich in nahezu keiner Sportart zu den Ländern gehöre, die am meisten Geld investieren, wie will ich dann gleichzeitig erwarten, Medaillen abzuräumen? Wenn die Sportler in den Ländern, mit denen man konkurriert, überall höhere Prämien und mehr Anreize bekommen, wie will ich da die gleichen Erfolge erwarten? Es ergibt keinen Sinn. Genauso wenig würden wir Eintracht Frankfurt einen Vorwurf machen, dass sie nicht deutscher Meister geworden sind.

Wollen wir das als Gesellschaft überhaupt?

Die Analyse geht aber noch tiefer. Deutschland hat in Tokio mit Ländern konkurriert, in denen durchaus die Wahrscheinlichkeit besteht, dass dort betrogen wurde. Auch das gehört zur Wahrheit. Deutschland hat mit Ländern konkurriert, in denen die Kinder früh aus der Schule genommen werden. Mit dem klaren Ziel und Fokus, dass sie früh auf Gold getrimmt werden.

Wollen wir das als Gesellschaft überhaupt? Oder wollen wir lieber einen Schritt zurück gehen und sagen: Wir bejubeln natürlich großartige Leistungen, Gold-Triumphe und erkämpfte Medaillen, wir freuen uns aber genauso über Sportler wie den Wasserspringer Martin Wolfram.

Er landete vom Drei-Meter-Brett auf Rang sieben, weinte danach aber vor Freude. Er fühlte sich in dem Moment auch ohne Medaille als Gewinner der Spiele. Und das natürlich zurecht.

Wir können uns auch über die deutsche Frauen-Power freuen. 70 Prozent der Goldmedaillen gingen auf das Konto von Athletinnen. Im Jahr 2021 passt das auf dem Weg zu noch mehr Geschlechtergerechtigkeit doch wunderbar in die Zeit. Genauso war es ein starkes Zeichen, dass Nike Lorenz, die Kapitänin der Hockey-Nationalmannschaft, in Tokio mit der Regenbogenbinde auflief.

Paris 2024: Es wird nicht besser werden!

Wir sollten uns von der Medaillenspiegel-Fixierung auch alleine schon deshalb trennen, weil es keinen Umschwung geben wird. Alles Gerede, dass man in dieser oder jener Sportart stärker zurückkommen wird? Das mag hier und da möglich sein, aber im Grunde ist es Quatsch. Es gibt keinen einzigen Grund, warum es in drei Jahren in Paris ein besseres deutsches Ergebnis geben sollte.

Weil es in Deutschland weiterhin genügend Sportler mit Herzblut geben wird, die unabhängig von den Umständen, alles in ihre Leidenschaft investieren, wird es auf absehbare Zeit keinen totalen Absturz geben. Und weil ja durchaus mehr Geld ausgegeben wird seit der Leistungssportreform 2016, nur nicht genug für die höchsten Ansprüche. Deutschland wird im Medaillenspiegel nicht plötzlich auf Rang 20 liegen.

Aber in die Spitze wird es nicht mehr gehen. Da müssen wir auch nicht alle vier Jahre die gleiche Erkenntnis ziehen. Es ist, wie es ist. Team D auf Rang neun. Da gehören wir hin. Und ein Drama ist das auch nicht.

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