Kerber: "Kann das alles nicht fassen"

Von dapd
Angelique Kerber steht im Halbfinale der US Open gegen Samantha Stosur
© Getty

Angelique Kerber ist die Sensation bei den US Open. Durch ihren Erfolg über Flavia Pennetta ist die 23-Jährige die erste Deutsche seit Steffi Graf, die in New York im Halbfinale steht. Während sie Lob von Boris Becker bekommt, bedankt Kerber sich vor allem bei ihrer Ratgeberin Andrea Petkovic.

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Es war noch dunkel draußen auf den Straßen von New York, als Angelique Kerber aufschreckte. "Ist das jetzt alles wahr, oder träume ich", dachte sie im Halbschlaf und drehte sich unruhig auf die andere Seite.

Es war drei Uhr nachts, und das erste Viertelfinale bei einem Grand-Slam-Tennisturnier schwirrte ihr unaufhörlich im Kopf umher. Fünfzehn Stunden und einen Sturmlauf ins Halbfinale später wusste die 23-Jährige noch immer nicht, wie ihr geschah.

"Es ist unglaublich, ich kann das alles gar nicht fassen", sagte sie nach dem 6:4, 4:6, 6:3-Sieg gegen Flavia Pennetta aus Italien. Mit dem Anspruch, die erste oder vielleicht auch die zweite Runde zu überstehen, war sie nach Flushing Medows gekommen.

Nur einmal hatte sie zuvor hier ihre Auftakthürde überspringen können - und nun das. "Ich bin im Halbfinale gegen Samantha Stosur", jubelte sie und guckte ungläubig in die Runde, als könnte jemand aufstehen und sagen: Wach auf, das ist doch nur ein Traum.

"Petko hat mir unheimlich geholfen"

Nur im Traum können eigentlich Veränderungen so geschehen, wie es die Tennisspielerin aus Kiel in nur fünf Wochen durchlebt hat.

Das Abnabeln von Vater Slawek, der immer ihr Coach war, und das Training bei Benjamin Ebrahimzadeh in der Akademie von Rainer Schüttler und Alexander Waske hat aus der zaudernden Kerber eine selbstbewusste Profisportlerin gemacht, die sich von Platz 92 unter die besten 35 verbessert hat. Auch die gemeinsame Arbeit mit Andrea Petkovic trägt Früchte: "Petko hat mir unheimlich geholfen."

Ratschläge von Petkovic

So war es auch vor dem Match gegen Pennetta. "Ich solle immer weiterkämpfen, egal wie es steht, hat sie mir gesagt. Und konsequent mein Spiel spielen." Petkovic, an Nummer zehn gesetzt, hatte ihrerseits keinen solchen Ratgeber für die noch schwierigere Aufgabe gegen die Weltranglisten-Erste Caroline Wozniacki. 6:1, 7:6 (7:5) siegte die Dänin, die übrigens seit Kindertagen mit Kerber befreundet ist.

Für Petkovic war wie in Melbourne und Paris Schluss im Viertelfinale, das sie bei den Grand Slams 2011 aber öfter erreichte als jede andere. Während Kerber also weiter träumen darf, reiste Petkovic am Freitag nach Hause. Im Flieger feierte sie ihren 24. Geburtstag und nicht, wie erhofft, in New York.

Als sie anfing zu denken, ging es bergab

Bei ihrer Premiere in der Runde der besten Acht legte Kerber ohne Scheu gleich los. Beim 4:2 im zweiten Satz hatte sie den Sieg sogar schon vor Augen und tat das, was man in diesen Situationen gerne macht, aber nicht sollte. "Ich habe angefangen zu denken: Du kannst ins Halbfinale kommen", erzählte sie später. "Das war das Problem."

Der Satz ging verloren, und bei 1:3 im Zweiten schien die Reise in die Heimat näher zu sein als die ins Halbfinale. Doch die neue Kerber ergab sich nicht. Sie rannte, kämpfte und sank nach dem Matchball auf die Knie.

Becker: "Wir haben wieder Weltklassespielerinnen"

"Für mich ist das gute Abschneiden keine Überraschung", sagte Boris Becker, der 1989 als einziger Deutscher bei den US Open triumphierte und aus dem "Big Apple" für das englische Fernsehen kommentiert. "Wir haben in Deutschland wieder Weltklassespielerinnen, da ist es klar, dass eine so weit kommen kann."

Im Halbfinale, das sie als erste Deutsche seit Steffi Graf vor 15 Jahren erreicht hat, wartet nun eine besondere Herausforderung auf Kerber.

Die an neun gesetzte Australierin Sam Stosur spielt überragend und hat dies beim 6:3, 6:3-Sieg gegen Vorjahresfinalistin Wera Zwonarewa erneut gezeigt. Die Russin hatte im Achtelfinale Sabine Lisicki besiegt.

Keine Angst vor dem riesigen Stadion

"Ich hoffe, es wird eine Nightsession wie vor vier Jahren", sagte Kerber, die keine Angst vor dem riesigen Arthur-Ashe-Stadion hat. 2007 spielte sie auf dem Center Court die erste Runde gegen Serena Williams - und zog sich sehr achtbar aus der Affäre.

Die Runde der besten Vier findet erst am Samstag statt. Wegen der Wetter-Kapriolen der vergangenen Tage haben sich die Organisatoren am Donnerstag entschieden - wie es heißt, auf Druck der Spieler - das Turnier zu verlängern. Das Herren-Endspiel soll wie in den vergangenen drei Jahren am Montag steigen, das der Damen am Sonntag. Beginn ist jeweils um 22.00 Uhr deutscher Zeit.

Angelique Kerber hat die größte Börse ihrer Karriere (450.000 Dollar) schon sicher. Graf übrigens überstand 1996 die Vorschlussrunde und holte einen ihrer 22 Grand-Slam-Titel. Doch von so etwas wagt Kerber nicht einmal zu träumen - auch nicht nachts um drei.

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